Bad Tölz:"Thomas Mann flog mir direkt in die Arme"

Tölzer Gymnasiasten bereiten dem Schattendasein des Schriftstellers in der Kurstadt, in der er mehrere Jahre lebte, ein Ende. Binnen weniger Wochen haben sie drei literarische Spaziergänge entwickelt

Von Suse Bucher-Pinell, Bad Tölz

Unzählige Städte und Gemeinden rühmen sich, von Goethe einst besucht worden zu sein, viele werben selbstbewusst damit, auch wenn der große Dichter den Ort auf der Durchreise nur streifte. Bad Tölz geht mit seinen berühmten Gästen umso diskreter um. Auf Thomas Mann, der in Tölz ein Landhaus bauen ließ und immerhin neun Sommer zwischen 1909 und 1917 an der Isar verbrachte, weist lediglich der Name eines schmalen Spazierwegs in der Nähe des Klammerweihers hin. Auf der städtischen Homepage ist ihm ein Beitrag gewidmet und im neu konzipierten Stadtmuseum soll er beim Weiterbau Platz bekommen. Man muss ihn schon suchen in Tölz, man stolpert nicht über ihn. Dabei ist der Literatur-Nobelpreisträger durchaus ein touristisches Thema für die Stadt. Kurdirektorin Brita Hohenreiter sagt, vor allem Gäste aus Lübeck, dem Geburtsort Thomas Manns, interessierten sich für seine Spuren in Bad Tölz.

Auf die können sie sich nun endlich begeben. Ludwig Haberda, Referendar am Gabriel-von-Seidl-Gymnasium, machte "Thomas Mann in Bad Tölz" zum Thema seiner Zulassungsarbeit zum zweiten Staatsexamen. 30 Schüler der Klasse 9 a arbeiteten daran begeistert mit und entwickelten in nur drei Wochen drei literarische Spaziergänge, auf die sie selbst wie auch die Stadt stolz sein können. "Was am Ende herausgekommen ist, hätte am Anfang keiner gedacht", erzählt Fabrice Münch am Mittwoch bei der Präsentation im Kurhaus.

Thomas Mann-Führer GvS Gymnasium

Ein Flyer mit Spaziergängen auf den Spuren von Thomas Mann in Bad Tölz: Stephan Dorfmeister (links) und Fabrice Münch vom Gabriel-von-Seidl-Gymnasium.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Routen führen zu den Mann-Orten und betten darin Tölzer Sehenswürdigkeiten wie selbstverständlich mit ein. Neben dem gedruckten Flyer für unterwegs haben die Neuntklässler das Ganze auch multimedial aufbereitet, um es in aller Ruhe auf der neu eingerichteten Homepage www. familie-mann-in-bad-toelz.de nachlesen zu können. Sie wird verlinkt mit der Tölzer Internetpräsenz. "Mit unserem Projekt wollen wir einen Beitrag zur Tourismusförderung in Bad Tölz leisten und auch beim jungen Publikum Begeisterung für lebendige Geschichten wecken", sagen die Schüler. Diese Begeisterung trugen die Macher ganz offensichtlich in sich. Aufgeteilt in Gruppen, vertieften sie sich im Unterricht und zusätzlich abendelang in Quellen und Informationen zu Thomas Mann und seiner Familie, zeichneten Karten und Routen, suchten nach geeigneten Textpassagen und Zitaten passend zu den einzelnen Orten.

Nicht immer ist der Bezug so eindeutig wie in der Novelle "Herr und Hund", wo Mann erzählt, wie er der Wirtin des damaligen Café Kogel den Hund Bauschan abkaufte und mit ihm nach Hause ging. In "Der Tod in Venedig" wird an einen Landsitz im Gebirge erinnert, wo der Protagonist Gustav von Aschenbach "die regnerischen Sommer" verbringt. Die Tölzer Winter und den vielen Schnee hat Mann im "Zauberberg" verarbeitet. Auch Erinnerungen der Kinder werden herangezogen.

Thomas Mann-Führer GvS Gymnasium

Thomas Manns Sommerhaus in Bad Tölz.

(Foto: Manfred Neubauer)

"Ich bin begeistert", schwelgte Zweiter Bürgermeister Andreas Wiedemann und lobte die Arbeit in den höchsten Tönen, aber auch die professionelle und selbstbewusst-sympathische Präsentation der Schüler. Brita Hohenreiter versprach, dass die Stadt den Druck für eine Auflage von 5000 Stück übernehme. Sie würde die jungen Leute mit ihrem Coach am liebsten gleich für weitere Projekte buchen. Sie ist sichtlich zufrieden, wie Thomas Mann überraschend aus seinem Schattendasein heraustrat. "Thomas Mann flog mir direkt in die Arme."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: