Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen:"Es ist echt heikel mittlerweile"

Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen: Sternsinger als Heilige Drei Könige verkleidet.

Sternsinger als Heilige Drei Könige verkleidet.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bald ziehen Caspar, Melchior und Balthasar wieder von Haus zu Haus, um Geld für bedürftige Kinder zu sammeln. Doch wie steht es um die Diskussion, ob es noch zeitgemäß ist, einem der drei Heiligen Könige das Gesicht dunkel anzumalen? Ein Rundruf in den Pfarreien mit überraschenden Erkenntnissen.

Von Annika Nopper, Wolfratshausen

"Kinder stärken, Kinder schützen", unter diesem Motto steht die Sternsinger-Aktion 2023. Am 30. Dezember ist Auftakt auf dem Frankfurter Römerberg. In den darauffolgenden Wochen schwärmen Kinder und Jugendliche als Heilige Drei Könige verkleidet aus, um die Häuser zu segnen und Geld zu sammeln . Dank der Spenden werden weltweit etwa 200 Projekte in den Bereichen Bildung, Ernährung, Gesundheit und Kinderschutz gefördert.

Inzwischen sind die Sternsinger dafür auch digital gut aufgestellt. Wer nicht zuhause angetroffen wird, könnte einen Flyer in seinem Briefkasten vorfinden mit einem QR-Code, von dem aus sich mit dem Smartphone spenden lässt. Doch wie modern zeigen sich die Sternsinger in eigener Sache? Während in den vergangenen Corona-Wintern das Schminken aus Ansteckungsgründen oft wegfiel, stellt sich für viele jetzt die Frage: Darf dem Darsteller oder der Darstellerin des Melchiors das Gesicht dunkel angemalt werden oder ist "Blackfacing" rassistisch?

Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen: Die Sternsinger segnen Häuser.

Die Sternsinger segnen Häuser.

(Foto: Catherina Hess)
Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen: Und sie sammelt Geld für bedürftige Kinder.

Und sie sammelt Geld für bedürftige Kinder.

(Foto: Claus Schunk)

Ein Blick in die Geschichte hilft bei der Antwort: Der Begriff des Blackfacing stammt aus den "Minstrel Shows", die von den 1830er Jahren an in den USA an Beliebtheit gewannen und nach Europa überschwappten. Als Filme oder Bühnenshows verspotteten sie die Musik und Tänze der Sklaven aus den USA-Südstaaten - alles nur zur Belustigung des weißen Publikums. Zur üblichen Besetzung gehörten eine Band, die vermeintlich afroamerikanische Musik spielte, und Schauspieler, die mit dem sogenannten "Blackface" auftraten. Sie bemalten sich nicht nur das Gesicht schwarz, auch die Lippen wurden knallrot und größer aufgemalt. Bei den Bühnenauftritten forcierten die eigentlich weißen Schauspieler dann das Bild des tollpatschigen, dummen und untergebenen Sklaven.

Der Brauch des Sternsingens wiederum reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert. Bis heute ist für das Aussehen der Könige die Darstellung der mittelalterlichen Kunst prägend, sagt Thomas Neuberger, Pfarrer im Pfarrverband Dietramszell und Dekan des Dekanats Bad Tölz. "In der Kunstgeschichte wurden die Könige unterschiedlich dargestellt, meistens auch unterschiedlich alt", sagt Neuberger. So sei der dunkelhäutige Melchior, ein eher europäisch und ein eher asiatisch gekleideter König entstanden, um die drei damals bekannten Erdteile zu personifizieren. Die Botschaft habe gelautet: Jeder darf zu Jesus kommen. "An diesen Abbildungen hat man angeknüpft und hat dann zwei Kinder so gelassen, wie sie waren und eines hat man geschminkt. Den asiatischen König hat man nicht extra dargestellt", so Neuberger weiter.

Der Wolfratshausener Pfarrer bedauert, dass die Botschaft des Melchior falsch verstanden werde

Die Debatte darüber, ob sich das mit heutigen Werten und dem respektvollen Umgang mit dunkelhäutigen Menschen vereinbaren lässt, wurde im Landkreis bislang kaum geführt. Grund: Es gab kaum Beschwerden. Auch nicht in Gemeinden mit dunkelhäutigen Mitgliedern wie im Pfarrverband Bad Tölz, sagt Pastoralreferent Josef Weiher. Doch man sei bereit für Gespräche, sagt der Geretsrieder Stadtpfarrer Andreas Vogelmeier: "Natürlich würde ich die Kritik ernst nehmen, mit den Menschen sprechen und versuchen zu erklären, was wir damit eigentlich ausdrücken wollen."

In Gemeinden wie Wolfratshausen oder Geretsried muss es gar nicht so weit kommen. Dort wird längst keinem König mehr das Gesicht schwarz angemalt. Pfarrer Vogelmeier bedauert allerdings, dass die eigentliche Botschaft des Melchiors falsch verstanden werde: "Ich bin da immer erstaunt, was das für eine Dynamik aufnehmen kann. Es geht schließlich nicht um kulturelle Aneignung, sondern um kulturelle Anerkennung. Es ist echt heikel mittlerweile." In Frage gestellt habe den schwarzen König in seiner Pfarrei allerdings niemand, auch nicht seine Abwesenheit.

Lucia Bernhardt, die die Sternsingeraktion in Reichersbeuern mit organisiert, wurde bis jetzt nur von weißen Menschen auf das Thema angesprochen. Aus ihrer Heimatgemeinde in Baden-Württemberg kennt sie Sternsingergruppen mit fünf Kindern und fünf verschieden geschminkten Hauttönen. Dies sei auch ihre persönliche Lieblingslösung, umgesetzt wurde die Idee in Reichersbeuern aber nicht: "Das scheitert hier bei uns am Land einfach an der Anzahl der Kinder."

Im Dekanat Bad Tölz lässt man die Kinder entscheiden. Pastoralreferent Josef Weiher sagt, wenn die Kinder ungeschminkt kommen, werde er an den Haustüren gefragt, wo denn der Melchior sei. "Den Schwarzen rauszustreichen könnte man in unseren Augen eher als Diskriminierung verstehen", sagt der Pastoralreferent der Pfarrei St. Jakob in Lenggries, Christoph Freundl. Für viele sei der schwarz geschminkte Melchior gerade ein Zeichen für Toleranz.

Dem gegenüber stehen diejenigen, für die Blackfacing, egal in welchem Kontext, nicht akzeptabel ist. Hierzu gehört die Initiative Black Voices aus Österreich, die bereits 2020 einen öffentlichen Brief an die Mitwirkenden der österreichischen Dreikönigsaktion verfasste. "Unreflektiertes Verhalten wie das Blackfacing, und ein Aufrechterhalten eines längst überholten Brauchs muss nicht an die jungen Menschen unserer Gesellschaft weitergegeben werden", heißt es darin.

Das Kindermissionswerk, die Trägerorganisation der deutschlandweiten Sternsinger-Aktion, rät vom Schminken ab. "Kommt so wie ihr seid!", fordert sie auf der Internetseite. Dem Argument, das Schminken sei ein Zeichen für Toleranz, entgegnet man: "Wir wissen, dass die Gleichung von Hautfarbe und Herkunft nicht aufgeht. Wenn ein Mensch schwarz ist, bedeutet das eben nicht automatisch, dass er aus Afrika kommt."

Wenn so viel über sie gesprochen würde, sei auch die Meinung der Kinder und Jugendlichen wichtig, sagt Andreas Häring, Jugendseelsorger bei der Katholischen Jugendstelle Bad Tölz und Wolfratshausen. Im Vorfeld der Dekanatskonferenz am vorigen Dienstag sprach er mit Sternsingerinnen und Sternsingern verschiedener Pfarreien. Die Kinder über Schminken oder nicht Schminken entscheiden zu lassen, bedeute keineswegs, sich aus der Verantwortung zu ziehen: "Natürlich würde eine klare Entscheidung erstmal helfen, aber ob es dann Bewusstsein bildet, ist halt die nächste Frage." Häring ist sicher, die Diskussion sei ein Prozess und die Gemeindemitglieder keine Hinterwäldler: "Wir sind auf einem guten Weg."

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:Blackfacing als Sternsinger

Obwohl unser Autor sich als Kind gerne als Caspar verkleidete, sieht er das heute kritisch. Denn weiße Menschen schwarz anzumalen, hat eine rassistische Tradition.

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