Süddeutsche Zeitung

Bad Tölz:Schweres Jahr für die Jugendarbeit

Wegen Corona: Besucherzahlen in Tölzer Jugendhäusern brechen um fast 70 Prozent ein

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Franz Späth hatte schon damit gerechnet, dass die Corona-Pandemie zu einem Einbruch der Besucherzahlen im Jugendcafé an der Hindenburgstraße und im Bürgerhaus Lettenholz führen würde. Schließlich waren die beiden Tölzer Jugendeinrichtungen voriges Jahr vier Monate komplett geschlossen und ansonsten auch nur eingeschränkt geöffnet. Als er die Statistik für 2020 erstellt hat, sei er dennoch "schon etwas erschrocken", sagte der kommunale Sozialplaner kürzlich im Haupt- und Finanzausschuss des Stadtrats. "Das sieht man, was die Pandemie verursacht hat." 2019 waren noch 17 416 Kinder und Jugendliche zwischen acht und 18 Jahren in die zwei Jugendhäuser gekommen, 2002 waren es nurmehr 5285. Dies ist ein Rückgang um rund 69 Prozent.

Das Jugendcafé war lediglich an 77 Tagen geöffnet, im Jahr davor konnte der Nachwuchs noch an 197 Tagen kommen. Wegen der Corona-Einschränkungen war die Zahl der Kinder und Jugendlichen auch an den offenen Tagen begrenzt, manche Angebote für sie mussten abgesagt werden. Ähnlich sah es im Jugend- und Bürgerhaus Lettenholz aus. Frauenfest, Buntes Bad Tölz, Wintersound, Flohmärkte - solch übliche Programmpunkte in der Quartiersarbeit auf der Flinthöhe fielen einfach aus. Bernd Gassl und Johanna Gebretsadik vom Team der Jugendarbeit hätten viele Haushalte aufgesucht, um die Quartierarbeit nicht brach liegen zu lassen, so der kommunale Sozialplaner. Einen schwierigen Start hatte auch der neue Streetworker Michael Mock wegen Corona. Aber gerade seine Erfahrung und seine Möglichkeit, auch im Wortsinn nach draußen zu gehen, hätten sich in der Pandemie als wertvoll erwiesen, sagte Späth. Zwar habe der Streetworker, der zuvor jahrelang die mobile Jugendarbeit in Geretsried geleitet hatte, in Bad Tölz "noch nicht ganz in die Tiefe gehen" können, aber doch etliche Kontakte zu Jugendlichen geknüpft und ihnen Angebote gemacht.

Online-Malkurse, Yoga, ein gemeinsamer Filmdreh: In der Pandemie entwickelte die Tölzer Jugendförderung mehr digitale Angebote, die mal beliebt waren, mal weniger, wie etwa digitale Treffs über Video-streaming-Formate. Wichtig sei es in den Zeiten der Lockdowns jedoch gewesen, den Nachwuchs über die sozialen Medien zu erreichen, vor allem über Instagram und WhatsApp-Gruppen, und ihm auf diesem Weg Angebote zu unterbreiten, meinte Späth. Außerdem erstellte die Jugendförderung unter dem Namen "Digit ON" ein Konzept für digitale Jugendarbeit.

Späth zeichnet vor den Stadträten auch ein Bild, wie sich die Corona-Krise auf Kinder und Jugendliche auswirkt. Manche hätten "enttäuscht und wütend" regiert, wenn die Jugendhäuser in Tölz plötzlich wieder schließen mussten. Einige von ihnen hätten auch "nur ein mangelhaftes Wissen über die Zusammenhänge der Pandemie" gehabt. Andere hätten psychische Störungen wegen der neuen Umstände gezeigt, wieder andere hätten sich zurückgezogen - "wahrscheinlich nahm der Medienkonsum sehr zu", mutmaßte der kommunale Sozialplaner. Bewegung, Begegnung, Beziehung: Diese drei Bs, die der Nachwuchs brauche, seien in der Pandemie klar zu kurz gekommen.

Für die Zukunft kündigte Späth an, den Jugendlichen weiterhin politische Teilhabe und Bildung zu ermöglichen, was 2020 beispielsweise durch den Jugendrat im Bürgerhaus, den Gesprächsrunden mit jungen Vertretern der Fridays-for-Future-Bewegung oder auch den Jugendkommunalwahlen geschehen sei. Auch die Quartierarbeit im Lettenholz soll weiter entwickelt werden. Und schließlich gibt es heuer noch etwas zu feiern: Die Tölzer Jugendförderung plant ein Fest zu ihrem 25-jährigen Bestehen, das vom 24. bis 30. Juli über die Bühne gehen soll - unter andrem mit einer Radlrallye, einer Fachtagung und einem Open-Air-Kino. Falls die Corona-Lage es zulässt.

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SZ vom 11.06.2021
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