Bad Tölz:Plädoyer für ein Mahnmal

Lesezeit: 2 min

Harald Vorleuter, Direktor des an der Hindenburgstraße gelegenen Gymnasiums, lehnt eine Umbenennung der Straße ab. Damit würde Geschichte getilgt, meint er. Lehrer und Schüler sind in ihrer Ansicht gespalten.

Von Klaus Schieder

Das Gabriel-von-Seidl-Gymnasium ist die größte Einrichtung, die an der Hindenburgstraße liegt. Schulleiter Harald Vorleuter tritt dafür ein, den Straßennamen beizubehalten und dort statt dessen ein Mahnmal "wider das Vergessen" zu gestalten. (Foto: Manfred Neubauer)

Läge das Gabriel-von Seidl-Gymnasium an einer Gabriel-von-Seidl-Straße, dann hätte das für Schuldirektor Harald Vorleuter durchaus "großen Charme". Aber so weit wird es vorerst nicht kommen. Der Stadtrat stimmt an diesem Dienstag voraussichtlich darüber ab, dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerwürde von Bad Tölz abzuerkennen und die nach ihm benannte Straße, an der ja auch das Gymnasium liegt, als Mahnmal zu gestalten. Vorleuter hält diesen Vorschlag von Bürgermeister Josef Janker (CSU) für richtig und rät von einem anderen Namen auf dem Straßenschild ab: "Ich bin kein Freund dessen, der meint, die Geschichte durch Umbenennung von Straßen und letztlich das Gedenken an Menschen und ihre Taten auszulöschen zu können."

Ein Denkmal birgt für Vorleuter die Chance, die Rolle Hindenburgs in der deutschen Geschichte kritisch zu beleuchten. "Wir müssen uns heute offensiver denn je damit auseinandersetzen", meint er. Eben deshalb darf seiner Ansicht nach nicht einfach nur der Name des ehemaligen Reichspräsidenten, der Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt hat, aus dem Stadtbild getilgt werden. "Es geht gerade wider das Vergessen", sagt der Direktor des Gymnasiums. Die Beibehaltung der Hindenburgstraße sei im Verbund mit einem Mahnmal mithin "vernünftiger".

Um eine Stellungnahme wurde der Schulleiter vom Tölzer Bürgermeister oder der Stadtverwaltung bislang nicht gebeten. Dies hatte der SPD-Fraktionssprecher im Stadtrat, Willi Streicher, in einem Fragenkatalog an Janker wissen wollen. Käme eine solche Anfrage, würde die Antwort "kurz und trocken abgefasst", sagt Vorleuter. Das Gymnasium sieht er zwar als den größten, aber gleichwohl als nur als einen von vielen Anrainern der Hindenburgstraße. Das Lehrerkollegium ist in der Frage der Straßenumbenennung nach Auskunft des Direktors gespalten: "Es gibt Fürsprecher für ein Denkmal, aber auch welche, die für eine Umbenennung sind."

Das bestätigt Lehrerin Kerstin Schlager, die Geschichte am Tölzer Gymnasium unterrichtet. Für sie lag der Fokus im öffentlichen Diskurs bislang zu sehr auf der Rolle Hindenburgs bei der Machtübernahme durch die Nazis. Und damit zu wenig auf dem Ersten Weltkrieg, als Hindenburg Chef der obersten Heeresleitung war, und der Weimarer Republik. Anders als in England gehe "das so ein bisschen unter bei uns in Deutschland", findet sie. Dabei sei es wichtig zu wissen, auf welchem Boden der Nationalsozialismus wachsen konnte, "welches Potenzial schon vorher da war".

Sie hat daher den Gymnasiasten der Geschichtskurses in der Oberstufe (11g5) eine Aufgabe gestellt: Sie sollten in kleinen Gruppen jeweils zu Einzelthemen über Hindenburg recherchieren und ihre Ergebnisse kurz zusammenfassen. Die Beiträge wurden von Schlager zu einem Text zusammengefügt (siehe Kasten). Die Schüler selbst waren in der Frage einer Straßenumbenennung ähnlich gespalten wie die Lehrerkräfte: "Die einen sagten, das ist doch wurscht, die Kritischeren unter ihnen meinten, sie fänden es wichtig, die Straße umzubenennen." Eine solche Auseinandersetzung mit Hindenburg hält Direktor Vorleuter für gewichtiger als die Suche nach einem anderen Straßennamen. Gerade in der Oberstufe gelte es, die geschichtlichen Erkenntnisse richtig darzustellen und Hindenburgs Rolle kritisch zu betrachten - "als Modell persönlichen Irrens und Fehlverhaltens".

Würde die Straße, die vom oberen Ende der Fußgängerzone zum Gymnasium führt, doch einmal auf den Münchner Architekten Seidl umgetauft, hätte Vorleuter damit nicht viel Arbeit. Das wäre kein bürokratischer Aufwand, alle Adressen zu ändern, ginge "absolut rasch", sagt er. Das Seidl-Gymnasium an einer Seidl-Straße würde sich auch sofort einprägen. Diese Idee mag er denn auch nicht völlig zurückweisen. Vielleicht, meint der Schulleiter, könne man ja die Hindenburgstraße in dem kurzen Abschnitt an der Schule entsprechend umbenennen.

© SZ vom 30.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: