Moralt:Traditionsunternehmen verlässt Bad Tölz

In der Kurstadt ist ein ganzes Quartier nach dem Türenhersteller benannt. Nach 116 Jahren geht der Betrieb - und investiert eine Million Euro im Landkreis Miesbach.

Von Klaus Schieder

Nur einen Monat noch, dann geht in Bad Tölz eine Ära zu Ende. Die Firma Moralt, die seit 116 Jahren in der Kurstadt ansässig und Namensgeber für den benachbarten Moraltpark mit Kino, Disco, Geschäften, Kneipe und Freigelände ist, zieht nach Hausham im Landkreis Miesbach um. Leichten Herzens gehen Klaus Feile und die 35 Mitarbeiter nicht weg. "Natürlich fällt das schwer", sagt der Vorstand der Moralt AG mit Blick auf die lange Firmengeschichte. Auf der anderen Seite sei für sein Unternehmen in Bad Tölz "alles immer schwieriger" geworden. In Hausham werde man "auf dem neuesten Stand der Technik" sein und sich wieder ganz auf das Geschäft konzentrieren können, sagt Feile. Bürgermeister Josef Janker (CSU) bedauert den Umzug: "Es ist schade, wenn ein alteingesessenes Unternehmen wegbricht."

Eine ganze Palette an Beweggründen haben den Hersteller von Türsystemen zu dem schon zwei Jahren angekündigten Abschied veranlasst. Da war der Stadtrat, der eine neue Lagerhalle mit Büros und Sozialräumen ablehnte, weil er die Zufahrt und den Hochwasserschutz als nicht gesichert ansah. Da war das Wasserwirtschaftsamt Weilheim, das auf dem neun Hektar großen Areal an der Lenggrieser Straße, auf dem auch der Stäbchenplattenhersteller SWL angesiedelt ist, nach dem Hochwasser 2005 mehrere Maßnahmen projektierte - und zu der von Moralt geplanten Lagerhalle bis heute keine Stellung bezog. Da war die Grundeigentümerin Certina Holding AG, mit der die Verhandlungen über einen neuen Pachtvertrag fruchtlos verliefen. Außerdem hat Feile in Bad Tölz das Problem, dass einige Gebäude betagt und marode sind, nicht mehr den Anforderungen der Statik, des Brandschutzes und des Betriebsablaufs genügen.

In Hausham siedelt sich die Traditionsfirma auf dem Gelände der insolvent gegangenen Druckerei Rotaform an. 5000 Quadratmeter für die Produktion, 1200 für das Lager, 450 für die Verwaltung. In den vergangenen Monaten schaffte man bereits Maschinen hinüber in das künftige Zuhause, Stromanschlüsse wurden verlegt, eine Druckluftversorgung installiert. Neu ist auch die Späneabsaugung, die in alter Technik normalerweise die ganze Luft aus der Halle bläst, winters also die Warmluft. Die werde nun mit der neuen Anlage gefiltert und zurückgeblasen, erklärt Feile. Ein modernes Energiesystem regle den Stromverbrauch der Maschinen, fahre ihn rauf oder runter, je nachdem wie sie benötigt werden. Eine Million Euro investierte die Moralt AG in ihren neuen Standort. "Das ist eine deutliche Modernisierung", sagt der Vorstand.

Bad Tölz verliert nicht bloß ein alteingesessenes, sondern auch ein erfolgreiches Unternehmen. Nach der Pleite vor fünf Jahren hat sich die Moralt Tischlerplatten GmbH & Co. KG als Moralt AG neu gegründet, seither geht es dem Türsystem-Produzenten wirtschaftlich gut. Nicht nur das, verbessert Feile: "Es geht uns sogar sehr gut." Im Vorjahr ist der Umsatz gegenüber 2014 um 21 Prozent gestiegen, heuer bekam man im ersten Halbjahr rund 19 Prozent mehr Aufträge als in der ersten Hälfte 2015. Der Jahresumsatz liegt bei sieben Millionen Euro, wovon die Firma im vergangenen Jahr eine Million Euro in Innovationen steckte. "Wenn wir nicht immer auf dem neuesten Stand bleiben, geraten wir schon ins Hintertreffen", sagt Feile.

Das neueste Produkt der Moralt AG ist eine Tür, die einen Schallschutz bis zu 50 Dezibel gewährleistet und strengen Brandschutz-Anforderungen genügt. Im Frühjahr stellte die Firma diese Entwicklung auf einer Messe in Nürnberg vor, wenige Monate später bekam sie den ersten Auftrag. Die Türen werden in das neue Kempinski-Hotel "The Wave" in Muscat im Oman eingebaut, das auf einer vorgelagerten Insel liegt, die wie eine Welle aussieht. Architektonisch, schwärmt Feiler, sei das Hotel "ein absolutes Highlight". Das blieb nicht der einzige Großauftrag. Mit den neuen Moralt-Türen wird auch das Hotel "The World" des Bulgari-Konzerns in Dubai ausgestattet. Auch diese neue Luxusherberge liegt auf einer nahen Insel, die von ihrer Form her an ein Seepferdchen erinnert.

Dennoch ist für Feile nicht alles eitel Sonnenschein: Der Brexit macht ihm Sorgen. Immerhin liefert er die Hälfte seiner Produkte ins Ausland, und Großbritannien ist für ihn ein großer Markt. Er rechnet damit, dass seine Waren für die Kunden im Vereinigten Königreich zunehmend kostspieliger werden, wenn dort die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Ausstieg aus der EU gebremst wird. Zudem sei Großbritannien auch "ein Sprungbrett in die Welt", wo die britischen Normen in seiner Branche immer noch den größten Einfluss hätten, weniger die europäischen. Im Königreich, sagt Feiler, "sind unsere Kunden und unsere Lizenzpartner erschüttert" nach dem Referendum gegen die EU.

Mitarbeiter gesucht

116 Jahre gehörte die Firma Moralt zu Bad Tölz. Ihre Geschichte begann im Jahr 1900, als der Schreinermeister August Moralt seine "Holzbearbeitungsfabrik Moralt" gründete. Sie befand sich auf dem Areal, wo heute das Gabriel-von-Seidl-Gymnasium steht. 15 Jahre später kaufte Moralt die sogenannte Schletzbaumsäge im Süden der Stadt. Auf diesem Gelände an der Lenggrieser Straße erfand die Firma Moralt im Jahr 1926 die Stäbchenplatte, die den Beginn der industriellen Fertigung von Tischlerplatten markiert. Ein weiterer Meilenstein der Innovation war 1975 der Haustürrohling. Vier Jahre später wurden die Moralt-Werke vom Baustoffkonzern Pfleiderer AG übernommen. Dies änderte sich 2003, als die Moralt Tischlerplatten GmbH & Co. KG gegründet wurde und die Pfleiderer AG ging. Neuer Eigentümer des Areals an der Lenggrieser Straße wurde daraufhin die Certina Holding AG aus München. Nach der Insolvenz der Moralt Tischlerplatten GmbH vor fünf Jahren stieg das westfälische Unternehmen SWL ein. Sie übernahm 2012 einen Teil von Moralt und mit 50 Mitarbeitern die Stäbchen-Produktion. Die neu gegründete Moralt AG konzentrierte sich auf Hightech-Türsysteme. Sie hat derzeit 35 Mitarbeiter. Am neuen Standort in Hausham wird das Personal leicht aufgestockt: Gesucht werden zwei Mitarbeiter in der Produktion, einer im Vertrieb. sci

Trotz der guten Bilanz seiner Firma gerät der Vorstand auch sonst nicht ins Jubeln. Vor Kurzem wurde der Moralt AG die Auszeichnung zuteil, zu den "Top 100" der innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand zu gehören. Seither erhält Feiler eine Innovationsbilanz, die ihm verdeutlichte, dass der Umsatz der Firmen unter den ersten Hundert im Schnitt um 25 Prozent pro Jahr steigt. 21 Prozent sind es bei Moralt - "wir haben keinen Nachholbedarf, aber es gibt Bereiche, wo wir uns noch verbessern können". Mit der Investitionsquote von einer Million Euro befindet sich seine Firma ebenfalls knapp unter dem Durchschnitt der Top 100. Nötig seien stets Investitionen in Neuheiten, in die Organisation, in kompetente Mitarbeiter, in ein innovatives Betriebsklima, sagt Feile. "Von nichts kommt nichts."

Das wird künftig in Hausham geschehen, wobei der Vorstand noch anmerkt, dass die Stadt Bad Tölz ebenso wenig wie der Grundeigentümer "ein großes Interesse daran hatte, uns zu halten". Die Kommune habe "keine andere Fläche, keine andere Immobilie für uns gehabt". Da schaut es in Tölz tatsächlich dürftig aus. Fast jede Woche, erzählt Bürgermeister Janker, fragten Betriebe im Rathaus nach einer Gewerbefläche in der Kurstadt. "Erst vor zwei Tagen meldete sich eine Schreinerei, die 4000 Quadratmeter braucht." Anbieten kann die Kommune im Moment so gut wie nichts. "Wir sind ausverkauft", so Janker. Deshalb sieht er den Wegzug von Moralt bei allem Bedauern auch als eine Chance. Es sei ihm nicht bange, einen Bewerber für das Areal an der Lenggrieser Straße zu finden, meint der Bürgermeister.

Dort wird zunächst der Stäbchenplattenhersteller SWL die Gebäude seines bisherigen Nachbarn Moralt übernehmen. Dies gelte bis zum Ende des Pachtvertrags am 31. Dezember 2017, teilt Certina-Geschäftsführer Hans Wehrmann mit. Von 2018 an behalte SWL noch 60 Prozent des Gesamtareals, vor allem nach Süden hin. Was dann mit den restlichen 40 Prozent geschieht, ist noch unklar. "Wir werden uns gemeinsam mit der Stadt überlegen, was dort passieren soll", sagt Wehrmann.

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