Süddeutsche Zeitung

Bad Tölz:Nostalgie tanken

Johannes Fritz baut an der Bairawieser Straße in Bad Tölz ein Gebäude wie aus den 1950er Jahren. Dort soll es nicht nur Benzin geben, sondern auch Lebensmittel für die Leute in der Umgebung

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz

Schwingende Petticoats, ölverschmierte Blaumänner - das alles in einem Ambiente, das an die 1950er-Jahre erinnert. Nein, kein Motto-Lokal soll in Bad Tölz eröffnet werden. An der Bairawieser Straße, auf dem Gelände der früheren Aral-Tankstelle, baut Unternehmer Johannes Fritz eine Retro-Tankstelle. Die Eröffnung ist für Frühjahr 2017 geplant. Aber nicht nur der Service rund ums Auto soll im Vordergrund stehen. Fritz möchte mit der Tankstelle eine Lücke schließen: Als kleiner Nahversorger soll die Tankstelle die Wohngebiete rund um die Bairawieser Straße bedienen.

Ursprünglich wollte Johannes Fritz ein futuristisches Gebäude an der Bairawieser Straße hinstellen. Die Pläne hierfür hatte er mit einem Architekten an der ETH Zürich erarbeitet. Doch die Kurstadt sei für so viel Modernität nicht bereit gewesen, sagt Fritz. Sein Ansinnen lehnte der Tölzer Stadtrat aus verschiedenen Gründen im Herbst 2013 ab. Da habe er sich für eine Kehrtwende entschieden, erzählt der Unternehmer, und die passe zu Tölz: eine Retro-Tankstelle. "Mit Charme, mit Rundungen, mit Charisma." Im Frühjahr 2015 gab die Stadt ihre Zustimmung für die modifizierten Pläne.

Das Treibstoff-Kaufen sei eine nüchterne Angelegenheit, Treibstoff an sich eine emotionslose Sache. Entsprechend sähen die meisten Tankstellen landauf landab auch aus. Er habe sich die Frage gestellt, wie er sich mit seinem Neubauprojekt von anderen Tankstellen abheben könne. Und wie sich damit zugleich Geld verdienen ließe. Das Ergebnis: Ein "schlankes" Gebäude, dessen Dach von einer Säule getragen wird, im Stil der Fifties mit schwarz-weißen Fliesen, Wänden in Pastelltönen und "irren" Tapetenmustern im Inneren.

Wert legt Johannes Fritz auf die Details. Da es die Spaltklinker, mit denen solche Gebäude früher verkleidet waren, nicht mehr gibt, wird für sein Bauvorhaben eigens eine Serie gebrannt. "Das Bild muss stimmig sein. Wenn Fifties, dann konsequent durchgezogen", sagt Fritz. Inspirieren lässt er sich von bestehenden Retro-Tankstellen, etwa von einer Hamburger Tankstelle, die als Architekturdenkmal eingestuft ist, oder von einer neu gebauten Tankstelle im Nostalgie-Look in Hanau.

Vor etwa zwei Wochen haben die Bauarbeiten begonnen. Gerne hätte Fritz noch ein Nachbargrundstück dazu genommen, um alles "bisserl großzügiger" zu gestalten. Doch daraus wurde nichts. Da Aral seine Tankstelle zurückgebaut hatte, müssen nun unter anderem neue Rohre eingebracht werden. Der Aufwand sei groß, aber dafür werde die Anlage modernsten Standards entsprechen. Mehr als eine Million Euro investiert Fritz nach eigenem Bekunden in das Bauvorhaben an der Bairawieser Straße.

Die neue Tankstelle wird wie seine beiden anderen an der Ludwigstraße und im Farchet unter "Pur - einfach tanken" firmieren. Obschon die Tankstelle noch gar nicht geöffnet hat, macht sich Fritz Gedanken, was passiert, wenn keine Treibstoffe mehr gebraucht werden. Vielleicht gebe es dann eine Batterietauschstation. "Die Immobilie muss man weiterentwickeln können." Auf jeden Fall soll sie von kommendem Jahr an auch ein Nahversorger für das Gebiet sein. "Kein Vollsortimenter", wie Fritz sagt, aber frische Semmeln wird es geben. Wenn möglich in Verpackungen mit Retro-Design. Und mit Angestellten in Petticoat und Blaumann. "Stilecht eben."

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SZ vom 26.08.2016
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