Bad Tölz:Nach dem Gipfel ist vor Quartettissimo

Tölzer Klassik Gipfel

Susanne und Christoph Kessler (hier im Kurhaus) sind leidenschaftliche Programmgestalter.

(Foto: Manfred Neubauer)

Susanne und Christoph Kessler präsentieren vier Spitzenensembles mit sehr individuell ausgewähltem Programm

Von Stephanie Schwaderer, Bad Tölz

Der Tatendrang der Klassik-Veranstalter Susanne und Christoph Kessler ist offenbar unerschöpflich. Kaum dass das erste (und in dieser Form wohl auch letzte) Streichquartett-Festival "Tölzer Klassik-Gipfel" im Kurhaus über die Bühne gegangen ist, läutet das Ickinger Paar nun die vierte Saison der Abo-Reihe Quartettissimo ein. Für die Wintermonate von November bis März haben die beiden wieder Spitzenquartette engagiert, die drei hochkarätige Abende erwarten lassen.

Ein Novum gibt es zum Auftakt am Sonntag, 21. November, wenn gleich zwei Ensembles auf die Bühne treten, das Cuarteto Quiroga aus Madrid und das Cosmos Quartet aus Barcelona. Die einen sind nicht nur in Spanien hochgeschätzt, sondern längst international arriviert, die anderen trotz ihrer jungen Geschichte - das Ensemble gründete sich 2014 - bereits mit vielen Preisen geschmückt. Mit den einen sind Susanne und Christoph Kessler seit längerem befreundet, die anderen entdeckten sie 2019 beim Heidelberger Streichquartettfest. "Wir fanden ihr Spiel hinreißend und luden sie spontan in die Reihe nach Bad Tölz ein", sagt Kessler. Noch in der Künstlergarderobe sei ihnen der Gedanke gekommen, das Cuarteto Quiroga mit dazu zu bitten, um dann ein auserlesenes Programm zu realisieren, mit dem Schubert-Quintett, einem Brahms-Sextett und dem Oktett von Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Die Erste Geigerin des Cosmos Quartet, Helena Satué, habe gezögert angesichts dieser gewaltigen Aufgabe. "Aber wir haben gesagt: Fangen Sie schon mal an zu üben", erzählt Susanne Kessler vergnügt. Später hätten sie dann mit den Agenten beider Quartette ausgetüftelt, wie sich das Gastspiel in Bad Tölz organisatorisch und künstlerisch bewältigen lasse. "Visionen über tolle Projekte lassen sich nur direkt mit den Künstlern erreichen", resümiert Christoph Kessler.

Neben Mendelssohns Oktett E-Dur op. 20 erklingen am 21. November Franz Schuberts Streichquintett C-Dur D 956 und Johannes Brahms' Streichsextett B-Dur op. 18 - alles Werke, die kaum gespielt werden, da sie organisiert und vor allem auch bezahlt sein wollen. "Das kostet das Doppelte", sagt Kessler. Aber dieses Konzert habe schon lange auf ihrer Wunschliste gestanden. "Der Schubert in seiner Tiefgründigkeit ist unser Leib- und Magenstück", verrät Susanne Kessler. "Beim Mendelssohn haut's einen vom Hocker", sagt ihr Mann.

Da sich das gesamte Programm auf mehr als drei Stunden summiert, wird es - auch das ist ein Novum - zweigeteilt. Das Schubert-Quintett beginnt um 17 Uhr und dauert knapp eine Stunde. Nach einer Pause geht es um 19.30 Uhr mit Brahms und Mendelssohn weiter.

Auch in der neuen Saison bleiben die Veranstalter bei der 3-G-Regel. Die Plätze im Tölzer Kurhaus, das eigentlich 500 Gäste fasst, sind damit auf 204 beschränkt. Während die Einzelkarten etwas teurer werden (38/43 Euro, ermäßigt 19/21,50 Euro), bleiben die Abo-Preise stabil. Mit 84/99 Euro (ermäßigt 42/49,50 Euro) sind sie um 30 Prozent günstiger als die Einzelkarten. Die Stadt Bad Tölz übernimmt nach Auskunft der stellvertretenden Kurdirektorin Susanne Frey-Allgaier wieder einen Defizitausgleich.

Das zweite Konzert gestaltet am Sonntag, 23. Januar, das Jerusalem Quartet, ein Streichquartett, das Kessler zu den "Big Five auf der ganzen Welt" rechnet. Getroffen und eingeladen hat er die Musiker aus Tel Aviv allerdings nur ein paar Kilometer vom Kurhaus entfernt - bei den Iffeldorfer Meisterkonzerten. Sie seien prädestiniert, gewichtige Werke zu spielen, erklärt Kessler. Dazu zähle Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 c-Moll, das als das am meisten autobiografisch geprägte Werk des russischen Komponisten gilt. Sein Namens-Motiv, die Melodie D (für Dmitri) -Es-C-H (für Schostakowitsch) zieht sich durch die gesamte Komposition. Umrahmt wird sie von zwei Beethoven-Quartetten. Von Bad Tölz wird das Jerusalem Quartet weiter nach London reisen. Auch in der Wigmorehall ist vier Tage später Schostakowitsch angesagt.

Einen mehr als rätselhaften Namen trägt das dritte Konzert (6. März), welches das Rolston Quartet aus Toronto gestaltet: "Live-Jagdszenen gepaart mit dem Amerikanischen". Im Mittelpunkt steht eine Komposition von Jörg Widmann aus dem Jahr 2003, die den Beinamen "Jagdquartett" trägt. Eigentlich möchte Kessler dazu noch nichts verraten, nur so viel, dass die Musiker auf der Bühne im handfesten Sinn zu Gejagten würden und eine witzige Performance böten. Anschließend bringt Antonin Dvoraks Streichquartett Nr. 12 F-Dur op. 96 das "Amerikanische" ins Programm.

Damit nicht genug, planen die Kesslers bereits die Jubiläumssaison 2022/23 mit dem Belcea Quartet (London), dem Borodin Quartet (Moskau) und dem Juillard Quartet (New York) sowie den ersten internationalen Streichquartett-Wettbewerb für junge Ensembles, der im April 2023 die Aufmerksamkeit vieler Klassik-Fans nach Bad Tölz lenken dürfte. Derzeit würden die Ausschreibungsunterlagen über internationale Musiker-Netzwerk verteilt, sagt Susanne Kessler. Gut möglich, dass viele junge Streicher in ganz Europa und darüber hinaus bald ganz genau wissen, wo das Städtchen Bad Tölz liegt.

Karten über München Ticket und Tourist-Info Bad Tölz, Tel. 08041/78 6 70, www.quartettissimo.de

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