Klassik in Bad Tölz:Saisonauftakt mit Senkrechtstartern

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Für eine Überraschung gut: Das Novo Quartet eröffnet die Saison in Tölz. (Foto: Maya Matsuura/oh)

Der Verein Klangerlebnis und die Stadt Bad Tölz laden zur siebten Quartettissimo-Saison ein. Das Erfolgsrezept heißt laut Christoph Kessler „internationale Qualität“.

Von Friedrich-Karl Bruhns, Bad Tölz

Christof Botzenhart, Dritter Bürgermeister von Bad Tölz, gibt es unumwunden zu: Er sei eben süchtig geworden. Seit Jahren habe er noch bei keinem Quartettissimo-Konzert gefehlt, und daran soll sich auch nichts ändern, wenn die Streichquartett-Reihe nun in die siebte Saison geht. Bei der Programmvorstellung mit Christoph und Susanne Kessler war Botzenhart als Vertreter der Stadt dabei – und nutzte die Gelegenheit, auch gleich das dritte Thomas-Mann-Festival im kommenden Sommer anzukündigen.

Die neue Quartettissimo-Saison eröffnet am Sonntag, 27. Oktober, das dänische Novo Quartet, das sich 2018 gegründet hat. Vor einem Jahr gewannen die vier Streicher souverän den 77. Concours de Genève. Die Einladung an die Isar hatten sie da schon in der Tasche, weil sie sich in der Szene bereits mit mehreren anderen Auszeichnungen einen Namen als Senkrechtstarter gemacht hatten. Im Tölzer Kurhaus interpretieren sie eines der Quartette von Carl Nielsen (Nr. 2 f-Moll, op. 5), alle bei uns praktisch nie gespielt, obwohl sie den bekannten Meisterwerken in nichts nachstehen. Als deutsche Erstaufführung haben sie das Werk eines weiteren jungen Landsmanns dabei: Matias Vestergårds „Hjerteblad“ („Herzblatt“). Umrahmt wird der dänische Abend von Joseph Haydns frühem D-Dur-Quartett op. 20,4 und dem dritten und letzten Streichquartett in A-Dur von Robert Schumann, op. 41,3.

International geht es weiter. Am Sonntag, 24. November, bringt das amerikanische Escher String Quartet Musik aus seiner Heimat nach Bad Tölz. Eine Überraschung bei Samuel Barbers Quartett b-Moll, op. 11: Der langsame Satz stellt sich als das Original des bekanntesten Barber-Stücks heraus, seines „Adagio for Strings“. Nun ist es also einmal im Kontext des vollständigen Werks zu hören. Zudem erklingen das jugendlich-frische erste Streichquartett von Felix Mendelssohn (Es-Dur, op. 12) und Dvořáks spätes A-Dur-Quartett, op. 105.

Das Pavel Haas Quartet gastiert im Februar im Kurhaus. (Foto: Sebastian Gabriel)

„Die Zypressen“ heißt eine Sammlung von 18 Liedern von Antonín Dvořák. Über Jahre hinweg bearbeitete er zwölf davon zu einem Zyklus für Streichquartett, von dem einzelne Stücke gern als Zugabe gespielt werden. Das Prager Pavel Haas Quartet eröffnet sein Konzert am 23. Februar mit sieben Juwelen daraus. Seit mehr als 20 Jahren zählen die vier Streicher zu den ganz Großen ihrer Zunft. Auf dem Programm steht zudem das fünfte Quartett ihres Landsmanns Bohuslav Martinů und das elegische dritte Streichquartett von Tschaikowski, ein Requiem für einen musikalischen Freund.

In böhmische Gefilde entführen am 16. März das deutsche Amaryllis-Quartett und die französische Pianistin Lise de la Salle das Publikum mit dem Klavierquintett A-Dur, op. 81, von Antonín Dvořák. Zunächst spielen die Streicher Beethovens „Harfenquartett“ Es-Dur, op. 74, benannt nach den markanten Pizzicati des ersten Themas. Die Stimmung wechselt ins tief Düstere mit dem einzigen erhaltenen Kammermusikwerk Gustav Mahlers, dem Klavierquartettsatz a-Moll. Die Künstler kombinieren damit das noch kürzere, verstörende Klavierquartett von Alfred Schnittke, das Mahler zitiert. Dvořáks unbeschwerter volkstümlicher Quintett-Geniestreich dürfte die Hörer aus der beklemmenden Stimmung erlösen.

Diese vier regulären Quartettissimo-Konzerte gibt es im Abonnement, das gegenüber den Einzelpreisen um 30 Prozent reduziert ist. Derzeit verzeichnen die Veranstalter 180 Abonnenten – mehr als in der vergangenen Saison. Als wichtigsten Grund für den Erfolg der Reihe nennt das Ehepaar Kessler, dass sie nur Künstler engagierten, die „international überall auftreten, und die wir aus eigenem Erleben kennen und einfach gut finden“.

Das Jerusalem Quartet würdigt Dmitrij Schostakowitsch. (Foto: Nila Thiel)

Zudem sind in Bad Tölz drei Sonderkonzerte mit Streichquartetten geplant. Am 19. Januar erinnert das Jerusalem Quartet an das 50. Todesjahr von Dmitrij Schostakowitsch. Aus seinen 15 Streichquartetten hat das Ensemble drei Werke aus verschiedenen Schaffensperioden ausgewählt. Drei der vier israelischen Musiker haben russische Wurzeln. Legendär ist ihre Verbundenheit mit dem sowjetischen Komponisten.

Zu ihrem dritten Thomas-Mann-Festival hat die Stadt Anfang Juni das Abeo Quartet (USA) und das Zemlinsky Quartet (Prag) eingeladen. Ihre Programme beziehen sich direkt oder mittelbar auf das Festival-Motto „Exil“. Wie Botzenhart erläuterte hatte Erich Wolfgang Korngold als Jude seine Heimat Österreich bereits vor dem „Anschluss“ verlassen und fortan in den USA gearbeitet. Das Abeo Quartet bringt das zweite seiner drei Streichquartette nach Bad Tölz. Zudem spielt es Mendelssohn (op. 12), der „postum exiliert“ wurde, weil seine Musik von den Nazis verboten wurde. Und auch in Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ klinge das Thema an, so Botzenhart.

Das Zemlinsky Quartet spielt mit dem 3. Quartett seines Namensgebers Musik eines wirklichen Exilanten. Erwin Schulhoff (Fünf Stücke) konnte Österreich nicht mehr verlassen, er wurde im KZ ermordet. Dvořák schrieb sein „Amerikanisches Streichquartett“ zwar bei einem freiwilligen USA-Aufenthalt. Allerdings fehlte ihm seine tschechische Heimat dort so sehr, dass er sich wie im Exil fühlte.

Alle Konzerte finden im Tölzer Kurhaus statt und beginnen um 19.30 Uhr. Zuvor gibt es kostenlose Konzerteinführungen (18.30 Uhr); Karten im Vorverkauf über München Ticket und bei der Touristinfo Bad Tölz, Max-Höfler-Platz 1, Telefon 08041 / 78670

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