Kommunalwahl 2020 in Bad Tölz:Der Unbefangene

Kommunalwahl 2020 in Bad Tölz: Michael Ernst stammt ursprünglich aus Brandenburg, ist aber längst in Bad Tölz heimisch. Nun will er für die SPD ins Rathaus einziehen.

Michael Ernst stammt ursprünglich aus Brandenburg, ist aber längst in Bad Tölz heimisch. Nun will er für die SPD ins Rathaus einziehen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der 39-jährige Michael Ernst ist eigentlich ein "Zuagroaster". Gerade deshalb tritt er für die SPD als Tölzer Bürgermeisterkandidat an.

Von Klaus Schieder

Michael Ernst wird es nicht leicht haben. Er ist in Spremberg in Brandenburg geboren, er gehört der SPD an - so jemand wird in Bad Tölz allenfalls durch ein kleines Wunder zum Bürgermeister gewählt. Aber das vermag die Zuversicht des 39 Jahre alten Bankkaufmanns von der Raiffeisenbank im Oberland nicht zu trüben. Immerhin werden die Karten bei der Kommunalwahl 2020 in der Kurstadt ganz neu gemischt, auch die anderen Bewerber von der CSU, den Freien Wähler und womöglich den Grünen verfügen über keinerlei Amtsbonus. Und die beiden Attribute, ein Sozi und noch dazu ein Zuagroaster zu sein, sieht er keineswegs als Nachteil, ebenso wenig als Vorzug. "Man kann genauso viel Lebenserfahrung haben", sagt der SPD-Kandidat. Und er habe die Möglichkeit, "unbefangen reinzugehen und neue Sichtweisen reinzubringen, ohne gleich alte Strukturen über den Haufen zu werfen."

Ernst ist zwar kein gestandener Tölzer, saß anders als seine Mitbewerber nicht schon jahrelang im Stadtrat, ist noch nicht mal katholisch. Aber ein völlig Unbekannter ist er nun auch nicht. 2000 zog der gelernte Zimmerer nach Hausham, zwei Jahre später nach Tölz. Für den mitgliederstarken Turnverein Bad Tölz engagiert er sich als zweiter Vorsitzender. Auch sonst fühlt er sich nach knapp 18 Jahren eingebunden, fast schon eingeboren in der Stadt. Nicht zuletzt durch seine beiden Kinder, die beide hier auf die Welt kamen. "Sie sind Tölzer, und darauf bin ich stolz", sagt er.

Der örtlichen SPD mit ihren Protagonisten Willi Streicher, der sich selbst zwei Mal vergebens um das Bürgermeisteramt bewarb, mit Camilla Plöckl oder auch Ehrenmitglied Georg Eberl gehört der 39-Jährige erst seit Kurzem an. Vor zwei Jahren wurde er Gastmitglied, weil er zunächst an der Bundespolitik interessiert war, und stimmte dann als Vollmitglied gegen eine Teilnahme der SPD an der Großen Koalition. "Ich war für ein klares Nein", sagt Ernst. Aber schnell spielte für ihn die Lokalpolitik eine gewichtige Rolle. Im Oktober 2018 wurde er einstimmig zum SPD-Ortsvorsitzenden gewählt, damals wollte er bloß in den Stadtrat. "Da war Bürgermeister noch kein Thema." Aber das kam dann im April fast zwangsläufig. Die Vorstandskollegen fragten bei ihm an, er wog das Pro und Contra ab, das Pro gewann. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten habe Bad Tölz die Wahl unter vier Kandidaten, "das ist demokratisch ungeheuer interessant", so Ernst.

Ein großes Anliegen ist dem SPD-Bewerber die Zukunft des Alten- und Pflegeheims Josefistift. Beides - Seniorenheim, Pflegeheim - gilt es für ihn wegen des unterschiedlichen Betreuungsbedarfs säuberlich zu trennen. Für ein neues Pflegeheim präferiert er den Standort an der Arzbacher Straße, wo früher einmal das große Hotel der österreichischen Investors Geiger geplant war. Dieses Areal sei für ihn "am idealsten", sagt er. Nicht zuletzt wegen der unmittelbaren Nähe zur Asklepios-Klinik. In Notfällen müssten die Senioren vom Rettungsdienst nur über die Straße gebracht werden. Eine Fahrt über die oftmals verstopfte Bundesstraße 472 wäre Ernst zufolge zeitraubender, wenn das neue Heim auf der Flinthöhe zwischen General-Patton-Straße und Bundesstraße 13 entstünde - ein Standort, den Bürgermeister Josef Janker (CSU) bevorzugt. Für den SPD-Kandidaten ist dieses Areal eher für den Bau günstiger Wohnungen geeignet. Ein Pflegeheim stünde dort bei der Planung eher im Weg. Damit intoniert Ernst ein weiteres Thema, das ihm am Herzen liegt.

Neue Quartiere zu bezahlbaren Preisen kann sich Ernst nicht bloß auf der Flinthöhe, sondern auch auf dem Gelände des Jugendcafés und am Oberen Gries vorstellen. Außerdem glaubt er, dass das geplante Wohnviertel auf der Zwickerwiese vor allem Familien beziehen dürften, die durch ihren Wegzug wiederum andere Domizile frei machten. Für ausbaufähig hält der SPD-Kandidat auch den öffentlichen Nahverkehr in Tölz. Neben den großen Bussen für Schüler müsse es tagsüber noch ein anderes Angebot geben, meint er. Zum Beispiel durch Kleinbusse wie etwa in Bad Birnbach. "Es muss Möglichkeiten geben, wo ich schnell kurze Strecken bewältigen kann." Dazu stelle er sich eine Linie vor, der die möglichst elektrobetriebenen Kleinbusse wie an einem roten Faden von der Flinthöhe über den Bahnhof bis ins Kurviertel bringe.

Im Tourismus hält Ernst ein neues Erlebnisbad wie vormals das Alpamare für obsolet. Stattdessen plädiert er dafür, die Isar in Bad Tölz für den Fremdenverkehr zu nutzen. "Das ist ein touristisches Pfund, das man zukunftsweisend entwickeln könnte", sagt er. Dazu habe er schon einige Ideen. Verraten mag er sie allerdings im gerade beginnenden Wahlkampf noch nicht. Außerdem tritt er für die Ansiedlung eines neuen Hotels ein, ebenso für Gespräche "auf gesunder Augenhöhe" mit dem Geschäftsführer der Jod AG, Anton Hoefter. Im Streit um den Bebauungsplan für das Terrain des Jodquellenhofs und des ehemaligen Alpamare steht Ernst für einen Kompromiss zwischen Wohnbebauung und touristischer Nutzung. "Man muss an Lösungen arbeiten, die für beide Seiten tragbar sind, auch wirtschaftlich."

Auch mit den Tölzer Jugendlichen der "Fridays for Future"-Bewegung hat sich der SPD-Bewerber getroffen. Das sei schon zwei Wochen vor der kontroversen Podiumsdiskussion im Jugendcafé geschehen, zu der die SPD nicht eingeladen war. Was den Klimaschutz betrifft, befinde sich Bad Tölz zwar auf einem guten Weg, habe aber mit lokalpolitischen Maßnahmen noch viel Luft nach oben, meint Ernst.

Im Herbst wollen die Tölzer Sozialdemokraten ihre Kandidatenliste für den Stadtrat präsentieren, an der sie derzeit noch basteln. Dafür werde es genug Interessenten geben, äußert sich Ernst zuversichtlich. Auch das Wahlprogramm unter dem Motto "Miteinander reden, anpacken, neue Wege wagen" soll dann vorgestellt werden. Sollte das kleine Wunder geschehen und ein zuagroaster Sozi tatsächlich der neue Rathauschef in Tölz werden, will er der "hervorragenden Stadtverwaltung" vertrauen, lernen, zuhören, eigene Ideen umsetzen. Bürgermeister, sagt der 39-Jährige, sei ja kein Ausbildungsberuf. "Er hat die Aufgabe, die Lebenswelten der Bürger zusammenzuführen und die Wertegemeinschaft einer Stadt zusammenzuhalten."

Mehr unter www.ernst-waehlen.de

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