Süddeutsche Zeitung

Kabarett:Kamillen-Bier und andere Kalamitäten

Django Asül beweist bei seinem satirischen Jahresrückblick im Tölzer Kurhaus überschäumende Fantasie und rhetorisches Talent

Von Wolfgang Schäl, Bad Tölz

Gleich zu Beginn muss geklärt werden, was die Menschen wirklich interessiert: Was ist drin in dem Weißbierglas, das im Tölzer Kurhaus wie ein Edelrequisit auf dem hochbeinigen Lesetisch steht? Django Asül könnte verzweifeln. Da gibt er sich schon so viele Abende lang Mühe, um das ablaufende Jahr kabarettistisch aufzuarbeiten, und dann immer nur diese eine Frage aus dem Publikum. Na gut, verrät er den 500 Gästen im restlos ausverkauften Kursaal, es sei Kamillentee mit Honig, gebraut von Paulaner. Natürlich stimmt das mit der Brauerei nicht, das trübe Gesöff wäre ja auch eine schlechte Werbung, und so darf man wohl vermuten, dass das Glas mit einem hochbrisanten Treibstoff gefüllt war, der den Kabarettisten bei seinem pointenreichen Flug über das Jahr 2016 beflügelt hat.

Platz für Pausen zwischen zwei Sätzen gibt es bei Asüls satirischem Jahresrückblick jedenfalls nicht, es ist ein einziges, atemberaubendes, rhetorisch brillantes Stakkato, das der Kabarettist seiner begeisterten Fangemeinde bietet.

Wo die Grenzen verlaufen zwischen Asüls überbordender Fantasie und der Realität, weiß man nie so genau, und es ist auch nicht so wichtig, denn gerade die Überspitzung vermittelt ja die so oft bestürzende Wahrheit. In diesem Sinne gibt Asül der bundesweit heftig diskutierten Silvesternacht 2016 und dem Thema innere Sicherheit am meisten Raum, und manches, was Asül hierbei zum Besten gibt, entspricht nicht unbedingt der Willkommenskultur: Der Kanzlerin sei es gelungen, "innerhalb weniger Wochen aus Deutschland einen Abenteuerspielplatz zu machen", ätzt Asül, und: "Wenn Merkel sich ein Herz fasst, dann fasst sich Europa ans Hirn." Da ging denn doch ein Raunen durch die Reihen.

Nicht wirklich freundlich war die Qualifizierung der Kanzlerin als "sprechender Hosenanzug mit Diplomatenpass" und des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der sich über lukrative Auftritte von Parteigenossen ("Rent a Sozi") ereifert habe. Dabei habe Gabriel doch selber die Gelegenheit gehabt, sich "als Hüpfburg" viel Geld dazuzuverdienen.

Bei den Kölner Ereignissen hätten die Täter wohl "eine eigene Betriebsanleitung" gehabt: "Brüste, Fucken und Kussen." Die Grüne Claudia Roth habe angesichts der sexuellen Übergriffe gleichwohl zu der erstaunlichen Erkenntnis gefunden, "dass da nicht die Herkunft der Männer das Problem war, sondern deren Geschlecht". Auch der Grünen-Fraktionssprecher im Bundestag, Toni Hofreiter, darf sich nicht so recht der Sympathie Asüls erfreuen: "Der sieht aus wie die Zwillingsschwester von Veronika Ferres."

Ein gefundenes Fressen für den Kabarettisten schließlich war die peinliche Rede Günther Oettingers vor Unternehmern in Hamburg, wo der EU-Kommissar die Chinesen als "Schlitzohren und Schlitzaugen" qualifiziert und sich nachträglich mit dem Hinweis entschuldigt hatte, er habe halt frei von der Leber weg geredet, "as we say in Germany". Damit verknüpfte Asül die Frage, ob Oettinger nicht nur an einer Leber-, sondern womöglich gar an einer Hirnzirrhose leide - eine Formulierung, die er dann auch gleich als passende Überleitung zum designierten Präsidenten der USA nutzte.

Ein Jahr in geballten Bosheiten - wer den Jahresrückblick Django Asüls noch miterleben will, muss sich jetzt sputen: Das Rückblick-Programm endet am 17. Januar in Regensburg. Doch der nächste Bad Tölzer Auftritt des türkisch-niederbayerischen Kabarettisten steht auch schon fest: Am 30. Dezember 2017 kommt er wieder in die Kurstadt.

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Quelle:
SZ vom 29.12.2016
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