Bad Tölz:Hier trainiert die Bergwacht für Extremsituationen

Höhlentaucher, Kletterer oder Monteure auf einem Windrad sind in Notlagen schwer zu retten. In Bad Tölz wurde deshalb extra ein Hightech-Trainingszentrum gebaut.

Von Klaus Schieder

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Bergwacht Trainingszentrum Bad Tölz

Quelle: Manfred Neubauer

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Ein Bergsteiger liegt in einem Nachtbiwak in der Felswand und kann nicht mehr weg, weil das Wetter umgeschlagen hat. Ein Monteur verletzt sich in dem kilometerhohen Rohr einer Windkraftanlage und hängt fest. Ein Höhlengänger bricht mit einem Herzinfarkt in einer schwer zugänglichen Grotte zusammen. Ein Hausbewohner sitzt auf dem Dach, unter ihm steigt das Hochwasser.

Die Einsätze, die Bergwacht, Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr, Wasserwacht und Luftretter absolvieren müssen, um ein Menschenleben zu retten, sind oftmals schwierig und gefährlich. Dafür müssen sie immer wieder trainieren. Seit 2008 gibt es in Bad Tölz die Simulationsanlage der Bergwacht, in dem die Spezialkräfte unabhängig von Witterung, Kosten und technischen Problemen üben können. Mehr noch: Sie können den gesamten Rettungsablauf von der Alarmierung der Leitstelle bis hin zur medizinischen Notaufnahme durchspielen, notfalls wieder von vorne.

Wiedereröffnung des Ausbildungszentrums der Bergwacht

Quelle: dpa

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Mehr als 12 000 Einsatzkräfte haben seit der Inbetriebnahme 2008 in Bad Tölz trainiert. Und der Bedarf wächst weiter.

In den vergangenen zwei Jahren wurde die Trainingslandschaft in der hohen Halle des Bergwachtzentrums, die der Stiftung Bergwacht gehört, erheblich ausgebaut. Unter anderem gibt es nun einen zweiten Helikopter-Flugsimulator, neue Räume für Bergwettersimulation oder Notfallmedizin, bald auch einen Höhlengang. Die Umgestaltung kostete gut 4,8 Millionen Euro. Davon zahlt der Freistaat etwa 3,6 Millionen, den Rest bringt die Stiftung aus Eigenmitteln und aus Spenden auf. Das umgestaltete Zentrum wurde am Freitag im Beisein des bayerischen Innenministers Joachim Hermann (CSU) eröffnet.

Wiedereröffnung des Ausbildungszentrums der Bergwacht

Quelle: dpa

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Der neue Helikopter

Der Helikopter, den die österreichische Firma Amst entwickelt hat, verfügt über ein Kamerasystem und eine Steuersoftware, zudem wird er mit Tetra-Digitalfunk ausgestattet.

Das Besondere ist aber, dass er schwenkbare Winden hat, die so konfiguriert sind, dass sie drei verschiedenen Hubschraubertypen entsprechen. Das ist ein gewichtiger Unterschied zu dem alten Flugsimulator, der auf der anderen Seite der Halle unter der Decke hängt: Er hat nur feste Winden.

Im neuen Modell könne man nun üben, wie man einen Patienten richtig in den jeweiligen Helikopter bekomme, erklärt Thomas Griesbeck, stellvertretender Geschäftsführer der Bergwacht Bayern und Mitbegründer des Tölzer Zentrums. Es sei je nach Wind ein Unterschied, wie weit man den Geretteten nach oben ziehen könne. "Wir können dadurch intensiver und in verschiedenen Mustern schulen", sagt Roland Ampenberger, Vorsitzender der Stiftung Bergwacht. Außerdem habe man Ausfallsicherheit, falls der alte Hubschrauber mal nicht funktioniert. Und Rettungstaucher könnten in dieser neuen und größeren "Zelle", wie Ampenberger den Flugsimulator nennt, auch im nassen Neopren-Anzug rein, ohne gleich die Elektronik außer Betrieb zu setzen.

Bergwacht Trainingszentrum Bad Tölz

Quelle: Manfred Neubauer

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Klettern und biwakieren

Neben Baumstämmen trainieren die Retter auch an den neuen, fast hallenhohen Kletterwänden. Sie sehen grau und schmucklos aus - anders als die bunten Kraxlerwelten, wie man sie aus Sportparks kennt. Auf der Rückseite der ersten Wand gibt es etagenartig angelegte Gänge, auf denen Auszubildende den übenden Rettungskräften auf der zweiten Wand genau beim Klettern zusehen und ihnen Anweisungen geben können. Es sei sogar möglich, an den Wänden ein Biwak einzurichten, sagt Griesbeck.

Gleich unterm Hallendach öffnet Ampenberger eine Abdeckung nach unten. Fast 18 Meter geht der Blick hinab; wer nicht ganz schwindelfrei ist, dem wird leicht blümerant zumute. Das sei wie ein Schacht in einer Windkraftanlage, wo man eine Person hinaufziehen oder hinunterlassen müsse, sagt Ampenberger.

Bergwacht Einweihung Erweiterung

Quelle: Manfred Neubauer

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Strömung im Becken

Wenige Meter, und der neue Hubschrauber schwebt über der Attrappe eines Hauses, auf dem die Rettung einer Person von einem Dach trainiert wird. Oder über einem Becken, das trocken und mit Einbauten als steiles Gebirgsland, geflutet als kleiner See gestaltet werden kann - über Turbinen an den Beckenrändern lässt sich sogar die Stärke der Strömung regulieren.

Bergwacht Trainingszentrum Bad Tölz

Quelle: Manfred Neubauer

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In der Höhle tauchen

Darunter wurde der Keller umgebaut, der mit seinen langen Fenstern aussieht wie ein Aquarium im Zoo. Es würde nicht verwundern, wenn im grünblauen Wasser einige Rochen, Schildkröten oder Fische vorbeischwömmen.

An dem Ausguck können Ausbilder künftig nicht bloß eine Rettung aus dem Eis - dargestellt mit weißen Kunststoffplatten - beobachten, sondern neuerdings Höhlentaucher beim Üben. Im Becken kann der unter Wasser liegende Eingang zu einer Grotte mit Brettern simuliert werden, danach kommt der Rettungstaucher über die Wand des Bads in den Keller, vorbei an den Fenstern und hinein einen dunklen Gang, durch den er kriechen und seine Ausrüstung hinter sich her ziehen muss. "Aber dann muss er den Verletzten bergen, das ist noch einmal eine andere Schwierigkeit", sagt Griesbeck.

Das Ganze könne man noch enger machen, indem man Steine hineinlege, fügt Ampenberger hinzu. Oh ja, meint Griesbeck grinsend, man könne die Leute hier beschäftigen - "und abends sind sie ,tot'". Gleich am Eingang zum dunklen Gang liegt ein runder Holzdeckel auf dem Boden. Ampenberger hebt ihn hoch. Drei Meter geht es in die Tiefe. Damit könne man Offshore-Rettungen simulieren, also von Bohrinseln, sagt er.

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Quelle: SZ

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Das Bergwachtzentrum in Bad Tölz sei weltweit einmalig, betont Ampenberger. Nicht deshalb, weil es all diese einzelnen Stationen bietet. Vielmehr wirken alle Einbauten in der hohen Halle mit den Fenstern vom Boden bis zur Decke wie ein Setzkasten. "Die Kombination von allem, das ist es", sagt der Vorsitzende der Stiftung Bergwacht.

Die Rettungsorganisationen können für sich alleine oder auch im Verbund den Ernstfall immer wieder durchspielen, bis jeder Griff sitzt, bis jede Kommunikation untereinander und mit anderen Rettungsteams klappt. Dabei sei alles abstrahiert und das Wesentliche reduziert, sagt Griesbeck. Die Teilnehmer hätten in Tölz bislang noch niemals die Rückmeldung gegeben, ein "negative training" absolviert zu haben. "Das heißt, dass sie die falschen Abläufe trainiert hätten."

© SZ.de/axi
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