So ein Depp! Die Lederhose hat er falsch herum angezogen, jetzt holt er lachend mit dem Hammer aus, um sich ein Brett vor den Kopf zu nageln. Auch das wird nicht gut gehen, wie der Kollege neben ihm ahnen lässt: Sein Daumen ist dick eingebunden, vier Nägel hat er schon hoffnungslos krumm in seinem Brett vorm Hirn versenkt. Ganz anders der „Drietschla“. In gespornten Stiefeln sitzt er auf einer Weinbergschnecke, reckt den Hintern wie ein Jockey in die Höhe, ist aber so schlaff, dass er sein gelangweiltes Gesicht mit der Hand stützen muss. Über ihm lächelt ein Faultier im Schlaf. Man würde ihm gerne das „Springinkerl“ mit seiner Peitsche und den Heuschrecken vorbeischicken, damit endlich etwas vorwärtsgeht.
All diese schrägen Gestalten entstammen der Fantasie und dem gewitzten Pinselstrich des Reichersbeurer Karikaturisten Hans Reiser. 90 bairische Schimpfwörter hat der Künstler in seinem druckfrischen Bildband „Loamsiada, Doagaff, Siasskasa“ versammelt.


Selten war Schimpfen so schön. So plastisch. So böse. Und so liebevoll. Neben der zündenden Idee, einem Wort wie „Gschwoischädl“ oder „Zwiderwurzn“ bildhaften Ausdruck zu verleihen, sind es die vielen kleinen Details, die Reisers Bilder zu einem Vergnügen machen. Wenn etwa die „Giftnudel“ vor einer Portion Spaghetti sitzt, dann wachsen dem alten Weib nicht nur züngelnde Schlangen aus dem Kopf; vor ihrem Teller werden auch – wie auf einer Lehrtafel – drei besonders gefährliche Nudelsorten porträtiert: „Mordelli“, „Varrecchi“ und „Giftini“.
„Man muss immer was zum Sehen haben“, sagt Reiser über das üppige Beiwerk, mit dem er seine überwiegend menschlichen, bisweilen aber auch tierischen oder pflanzlichen Protagonisten ausstaffiert. Nicht selten überrasche er sich damit selbst. „Das macht den Reiz aus.“ Während seine Porträts von der skurrilen Überzeichnung leben, zeugen die Feinheiten am Rande - Käfer, Kakteen, Kohlrabiknollen - von einem exakten Beobachter und einem großen Naturfreund.


Reiser, 1951 in Lenggries geboren, ist in Fall aufgewachsen und in Tegernsee aufs Internat gegangen. Schimpfwörter hätten schon in seiner Kindheit zum Alltag gehört, sagt er. Spätestens im Internat habe jeder einen Spitznamen gehabt. Ihn habe man wegen seiner großen Nase „Zincus“ gerufen. „Da traf humanistische Bildung auf Schimpfwort.“ Die Idee, daraus ein Projekt zu machen, sei ihm vor einigen Jahren gekommen, als er sich für zwei Ausstellungen im Tegernseer Olaf-Gulbransson-Museum mit bayerischen Themen auseinandersetzte und erstmals bairische Schmähungen auf die Leinwand brachte. Da habe er gemerkt: „Das ist etwas, das mir wahnsinnig Spaß macht.“ Seit zwei Jahren hat er sich ganz darauf konzentriert.
Die starken bairischen Schimpfnamen seien eher beschreibend als verunglimpfend. „Da hört man die Stimme des Volkes mit dunklen Fantasien und großem Einfallsreichtum.“ Ihre kathartische Wirkung hingegen sei eher gering, weshalb sie für emotionale Ausnahmesituationen – etwa bei Autofahrten – ungeeignet seien. „Wenn ich da einen Zorn hab’, sag’ ich auch: Du Oaschloch!“, gesteht Reiser. Denn mit „du Drietschla“ würde er seine Wut nicht loswerden. Am Stammtisch aber, wenn er dann erzähle, dass ihm wieder so ein „Loamsiada“ in die Quere gekommen sei, wisse sofort jeder, was ihm widerfahren sei.


Auch wer noch nie das Wort „Heislschleicha“ gehört hat, dürfte selbige in Reisers Kosmos auf Anhieb wiedererkennen: die echsenhaften Erben, die sich um Omas Rollstuhl winden, während diese krampfhaft ihre alte Villa festhält. Und man wüsste auch sofort, wem man gerne den „Gschaftlhuber“ oder die „Freibierlätschn“ in die Hand drücken würde. Hie und da begegnet man sich in den Bildern womöglich auch selbst.
Auf Augenhöhe hat man dazu im Tölzer Stadtmuseum die Gelegenheit, wo Reiser von Donnerstag, 10. Oktober, an ausstellt. 90 Bilder, alle im Format 60 auf 50 Zentimeter gerahmt, sind dort knapp zwei Wochen lang im Original zu sehen.
Wer genauer wissen will, wer sich hinter den Worten „Loamsiada, Doagaff und Siasskasa“ verbirgt, wird sich über die Erklärungen in seinem Buch freuen. Dort hat Reiser jedes Schimpfwort „für Mitbürger, die keine Native Speaker sind“, übersetzt. Ein „Gniabiesla“ so erfährt man etwa, ist „einer, der den Bogen noch nicht raus hat“. Man kann das Buch also durchaus zur Weiterbildung nutzen. Wie Reiser es formuliert: „Ein Schimpfwort sagt mehr als tausend Adjektive.“ Und als Depp will man sich am Stammtisch ja wirklich nicht outen.
Hans Reiser: „Loamsiada, Doagaff, Siasskasa – Bairische Schimpfnamen“, Ausstellung und Buchpräsentation im Tölzer Stadtmuseum, Marktstraße 48, 11. bis 23. Oktober, Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr; Vernissage am Donnerstag, 10. Oktober, 19 Uhr; weitere Informationen unter www.reiserhans.de