Bad Tölz:Ein Leben ohne Plastik

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Der plastikfreie Laden "Ois ohne" in Bad Tölz steht kurz vor der Eröffnung. Auf Gäste freuen sich Stephan Wild und Andrea Jagusch. (Foto: Manfred Neubauer)

In Bad Tölz eröffnet der erste Unverpackt-Laden im Landkreis. Tüten oder Folien gibt es im "Ois ohne" nicht. Die Kunden dort verstauen die Lebensmittel in selbst mitgebrachten Tupperboxen.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Anna Meßmer und ihre Helfer schleppen noch ein paar Paletten in das kleine, ein wenig versteckt gelegene Geschäft an der Hindenburgstraße. Drinnen sieht kurz vor dem Start alles noch provisorisch aus: Die Regale sind leer, Tische und Kisten stehen herum, auf dem Boden liegt eine bunte Decke, die für die Malerarbeiten ausgebreitet wurde. "Noch ist nicht so viel eingerichtet, aber es ist alles in Arbeit, in den nächsten Wochen geht es ruckzuck", sagt Meßmer. Die Studentin gehört zu den Gründerinnen des "Ois ohne", wie der plastikfreie Laden in Bad Tölz heißt. Die Eröffnung ist am Montag, 13. Mai.

Ungefähr 15 Stühle und zwei gepolsterte Bierbänke sind beim Informationsabend für Besucher aufgestellt, aber schnell wird klar, dass diese Sitzgelegenheiten nicht ausreichen. Einige der mehr als 30 Besucher müssen stehen. Man habe nur mit der Hälfte an Gästen gerechnet, aber "so ist es auch schön", sagt Stephan Wild, Aufsichtsratsmitglied der Genossenschaft, die den ersten plastikfreien Laden im Oberland betreibt. Seit ihrer Gründung im Februar habe sich die Anzahl der Mitglieder verdoppelt und betrage nun genau 107, so Wild.

Kunden müssen ihre Behälter selbst mitbringen

Die Kunden, die in dem Unverpackt-Laden einkaufen wollen, müssen ihre Boxen und Gläser für die Waren selbst mitbringen. An der Kasse rechts neben dem Eingang werden diese Behälter gewogen. In einem zweiten Verkaufsraum sollen an einer langen Wand gläserne Schütten stehen, die Nudeln, Getreide, Reise, Müsli, Knabbereien wie etwa Nüsse, Samen oder auch Trockenfrüchte enthalten. Die Kunden füllen diese Lebensmittel selbst ab. An der Kasse wird wieder gewogen und das Gewicht der Behälter subtrahiert.

Zum Sortiment gehören außerdem Non-food-Artikel wie Kosmetik, Shampoos, Reinigungsmittel, Haushaltsbürsten aus Holz und Naturfasern, Waschmittel zum Selbstabfüllen oder auch Brotzeitboxen aus Edelstahl. Obst und Gemüse wird es hingegen nicht geben. "Das sind superschwierige Lebensmittel, weil sie leicht verderblich sind", sagt Anna Meßmer. Aber Äpfel und Orangen, Paprika und Gurken könne man ja auch im Supermarkt lose einkaufen oder auf dem Wochenmarkt in der Fußgängerzone bekommen. Unklar ist, ob Fleisch im "Ois ohne" angeboten wird. "Am Anfang ist das noch nicht angedacht, aber das ist noch flexibel", sagt Meßmer. Zur Philosophie des Ladens gehöre auch, dass "die Leute auf uns zukommen und uns sagen, dies oder jenes fände ich cool". Oder auch Kritik üben, wenn ihnen etwas nicht passt.

"Werdet ihr die Waren unverpackt bekommen, oder packt ihr sie bloß für uns aus?" Auf diese Frage einer Teilnehmerin räumt Meßmer ein, dass rund zehn Prozent der Artikel in Plastikverpackungen angeliefert werden. "Bei Reinigungsmitteln gibt es noch keine andere Möglichkeit, das sind nun mal große Kanister." Alles andere komme jedoch ohne Verpackungen an, zum Beispiel auch das WC-Papier. Die Initiatoren des "Ois ohne" reden Meßmer zufolge immer wieder mit den Lieferanten über Plastikmüll. "Sie sind auch gewillt, nach Lösungen zu suchen." Sei der Unverpackt-Laden in Tölz erfolgreich, werde dies auch Druck auf Produzenten und auf Handelsketten aus, so Wild. Die Produkte selbst kommen meist von regionalen Herstellern. Das Getreide von der Off-Mühle aus Sindelsdorf, der Dinkel aus dem Allgäu, die Eiernudeln aus Wackersberg. "Wir bekommen viel von kleinen Höfen", sagt Meßmer. Das gesamte Sortiment habe Bio-Qualität und werde von den Preisen her an Bio-Märkte angepasst sein. "Wir sind natürlich teilweise teurer als ein Netto-Markt."

Es gibt sogar ein kleines Café

Ein Clou in dem Laden, der zwischen dem Bauhandel Sigmund Bauer und der Kreuzung der Nockhergasse liegt, ist ein kleines Café. Die drei Tische mit zehn bis zwölf Stühlen links vom Eingang sollen einen Treffpunkt bilden, wo Besucher miteinander reden und vielleicht auch andere Themen zum Thema Plastikfrei entwickeln können. Der Raum soll überdies als kleines Informationszentrum und für Workshops dienen. Das Café hat indes noch einen anderen Zweck: Für Tölzer Schüler gibt es dort einen einfachen Mittagstisch. Der Unverpackt-Laden befindet sich schließlich fast in der Mitte zwischen der Fußgängerzone und dem Schulzentrum mit Gymnasium, Berufsschule, Realschule und Förderschule. Geplant sind Gerichte wie Salate, Ofenkartoffeln oder Kartoffelbrei mit diversen Topics, die nicht mehr als vier Euro kosten sollen. Gleich nach Ostern wurde deshalb eine Küche geliefert. "Wir sind für alle Anregungen dankbar, aber wir haben schon viele Rezepte, die wir ausprobieren wollen", sagt Diana Meßmer. In den Tölzer Schulen sei sie damit auf großes Interesse gestoßen, "denn sie ersticken dort in Müll".

Finanziert wird das Projekt mit gut 32 000 Euro, die ein Crowdfunding einbrachte, und einer Spende von 8000 Euro, die von der Parfümerie Wiedemann aus der Aktion "Tölz plastikfrei" stammt. Die Einrichtung des Ladens werde man ohne Schulden schaffen, sagt Diana Meßmer. Wie die Situation dann im laufenden Betrieb aussehe, müsse man abwarten. Die Miete beträgt 750 Euro. Außerdem arbeiten drei Beschäftigte auf 450-Euro-Basis im "Ois ohne". Die Kosten pro Monat taxiert die Ideengeberin auf etwa 4000 Euro, den Umsatz auf 5000 Euro. Dies sei jedoch sehr konservativ gerechnet, sagt sie.

Jeder der 107 Genossen zeichnete zumindest einen Anteil von 150 Euro. Einige hätten auch zehn Anteile gezahlt, erzählt Diana Meßmer. Wie Aufsichtsrat Wild betont, sei es das Prinzip des Unverpackt-Ladens, zwar wirtschaftlich, aber nicht hochprofitabel zu agieren. Im Vordergrund stehe das Miteinander und der Gemeinschaftsgedanke, jeder Genosse könne mitbestimmen und seine eigenen Ideen einbringen. Das Ziel des "Ois ohne" bringt Anna Meßmer auf die kurze Formel: reduzieren und sensibilisieren.

Nach der Eröffnung wird der plastikfreie Laden in der Hindenburgstraße 11 von Montag bis Freitag, jeweils von 9 bis 19 Uhr, und samstags von 9 bis 15 Uhr geöffnet sein. Weitere Informationen gibt es im Internet, www-ois-ohne.de, oder per E-Mail an mail@ois-ohne.de

© SZ vom 07.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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