Bad Tölz:Ein Biotop für die Kleinkunst

Helmut Schleich kritisiert die Gedankenspiele zu einem Immobilien-Tausch in Bad Tölz. Einen Auszug der Kulturvereine "Komische Gesellschaft" und "Lust" aus der Alten Madlschule fände der Kabarettist "kontraproduktiv". KG-Sprecherin Verena Peck wünscht sich Gespräche mit der Stadt

Von Felicitas Amler, Bad Tölz

Helmut Schleich spricht von einem Biotop: Adressen wie die Alte Madlschule mit dem Kulturverein Lust und der Komischen Gesellschaft (KG) seien großartig, gerade in einer Kleinstadt, sagt der Kabarettist mit einem kleinen Wortspiel. Schleich hat zu Beginn seiner Solo-Karriere Ende der Neunzigerjahre erstmals auf der Bühne der "Lust" gestanden und ist seitdem immer wieder gern gekommen. Dass es in der Tölzer Lokalpolitik nun Gedankenspiele gibt, die Kulturvereine womöglich aus der Alten Madlschule auszuquartieren, kritisiert er: "Die Verpflanzung so eines kulturellen Kleinods ist eher kontraproduktiv."

Schleich hat seit seinem ersten Auftritt in der "Lust" Karriere gemacht und füllt längst viel größere Häuser. Das Flair kleiner Bühnen, die wie die Madlschule "Patina angesetzt" haben, schätze er aber. Diese Patina zeigt sich tatsächlich vom Eingang bis zur Bühne. Im Keller rostet ein uralter eiserner Waschbottich vor sich hin, daneben stehen zwei Container, aus denen noch bis vor Kurzem Heizöl in Kannen abgefüllt und in die oberen Räume getragen wurde. Inzwischen heizt "die Lust", wie die ganze Adresse im Herzen der Stadt Bad Tölz von den meisten genannt wird, mit Holzpellets.

Die alten Holzbohlen im Gang, das Fischgrät-Eichenparkett im Saal erinnern an die Mädchenschule, die hier bis 1982 war. Am Rande des Saals steht ein hölzernes Schulpult, das heute als Mischpult für Ton und Beleuchtungstechnik verwendet wird. Wenn Verena Peck, Sprecherin der "Komischen Gesellschaft", einen Besucher durch den Saal führt, der Platz für knapp 90 Zuschauer bietet, sagt sie schon mal: "Hier hat meine Mama gesessen." Als Schülerin nämlich. Die Wand hinter und neben der Bühne hat inzwischen eine eigene Patina: Für Aufführungen wird sie immer mal wieder in einer anderen, zum jeweiligen Bühnenbild passenden Farbe gestrichen. "Ich möchte nicht wissen, wenn man da kratzen würde, wie viele Schichten rauskämen", sagt Peck und weist auf ein Stückchen Blau, das unter dem Weiß hervorblitzt.

Auch das macht für die Kulturvereine, die hier seit 1988 ("Lust") und seit 1994 (KG) Theater und Kabarett produzieren und aufführen, den Charme des Hauses aus: Sie müssen die Räume mit niemandem sonst teilen, sie verwalten und gestalten sie selbst. In einem schnieke frisch verputzten Haus dürfte man wohl kaum die Wände mal so, mal anders überstreichen, sagt Peck. Allerlei Nebengelasse bieten Platz für Requisiten und Kostüme, da liegen Inlineskates neben einem zusammengefalteten Rollstuhl, xerlei Schuhe über einem Fach mit Hüten, Papier-Sonnenblumen neben einer zusammengerollten amerikanischen Fahne. Alles schon mal im Einsatz gewesen, und wer weiß, wozu man's auf der Bühne wieder brauchen kann. Die "Lust" habe immer ein tolles Programm, sagt Helmut Schleich. Er habe ja persönlich eine künstlerische Verbindung zu Gabi Rothmüller, der Regisseurin des Theaters, und Alex Liegl, dem Hausautor.

Bad Tölz: Helmut Schleich ist ein Fan der Alten Madlschule.

Helmut Schleich ist ein Fan der Alten Madlschule.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach dem ersten Schreck, den "Lust" und "Komische Gesellschaft" wegen der Planspiele der Stadt bekamen, haben sich die Vereine besprochen und wollen nun ein Papier an alle Stadträte senden. Beide Vereine wüssten es von jeher sehr zu schätzen, "dass sich die Stadt ein Kulturhaus leistet". Angesichts der neuen Entwicklung sagen sie: "Wir würden uns wünschen, dass die Stadt uns mal anhört und fragt: Was braucht ihr?" Verena Peck hat die Antwort parat: ein "subkulturelles, inspirierendes Ambiente", wie die Alte Madlschule es biete. "Man wird hier angeregt, kreativ zu sein." In den Worten von Helmut Schleich: Derartige kulturelle Biotope sollte man "nicht austrocknen".

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