Bad Tölz:Ein besonderer Dachbodenfund

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Im Heimatmuseum ist eine prunkvolle Sänfte aus der Barockzeit aufgetaucht, die womöglich von der Kurfürstin Henriette Adelheid von Savoyen genutzt wurde. Die Geschichte des ramponierten Stücks ist rätselhaft.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Der kleine Speicher über dem Bürgersaal des Tölzer Stadtmuseums ist nur mit einer langen Leiter zu erreichen. Die einzige Tür befindet sich in der Passage, die von der Marktstraße zum Bürgergarten führt, in drei bis vier Metern Höhe. Aber die Kletterei über die wackligen Sprossen lohnt sich: Unterm Dach steht altes Kirchturmuhrwerk, ein schöner hellblauer Bauernschrank, eine Windmühle von einem Bauernhof, mit dem einstmals das Korn von den Hülsen getrennt wurde. Dort oben war auch die Sänfte aus dem 17. Jahrhundert in eine Ecke geräumt, mit der womöglich Kurfürstin Henriette Adelheid von Savoyen herumgetragen wurde, wenn sie zur Wasserkur nach Bad Heilbrunn kam - weshalb es dort bis heute eine Adelheidquelle gibt. Elisabeth Hinterstocker möchte die barocke Kabine mit ihren Engelsköpfen und dem Wappen des Hauses Törring restaurieren lassen. "Der Dachboden war gar nicht gut für sie, dort war es viel zu warm", sagt die Leiterin des Stadtmuseums.

Die Sänfte hatte sie in einer Inventarliste aus der Zeit um 1900 gefunden, sich auf die Suche begeben und sie in dem Nebenspeicher des Museums entdeckt. Mitarbeiter des städtischen Bauhofs verpackten den Fund und hievten ihn mit einem Seilzug vorsichtig in die Passage hinab. Nun steht sie einsam und ramponiert im Bürgersaal. Das Lederdach ist beschädigt, die Wappen an den Seiten verblasst, der Sitz im Inneren löchrig. Die beiden Seitenfenster sind mit einem juteähnlichen Stoff abgedeckt, vorne mit einem Vorhang. Der gehöre da nicht hin, sagt Hinterstocker. Solche Sänften hatten im Barock schon Glasfenster. Sicher ist sich die Museumsleiterin angesichts der vergoldeten Zierrats, dass dies "eine Gala-Sänfte" war. "Das war keine Taxi-Sänfte", sagte sie. Denn die waren schmucklos aus Holz gebaut.

Die "Porte Chaise", wie sie auf der Inventarliste verzeichnet war, gehörte nicht der Kurfürstin Henriette Adelheid, die aus Frankreich stammte und den bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria heiratete. Das Wappen mit den Rauten und den drei Rosen deutet auf das Haus Törring hin, ein bayerisches Hochadelsgeschlecht, das seinen Stammsitz auf Schloss Seefeld hatte und am bayerischen Kurfürstenhof verkehrte. Wegen der Initialen MCW tippt Hinterstocker auf Maximilian Cajetan von Törring, der Adelheid Felicitas Angelli Neri, Marchesa di Canossa, heiratete. Unklar ist Hinterstocker jedoch, warum das Wappen auch noch eine Kneifzange zeigt, die eigentlich nicht zum Emblem der Familie Törring gehört.

Ungewiss ist ebenso, ob die Kurfürstin Henriette Adelheid wirklich in dieser Sänfte saß, wenn sie zur Wasserkur nach Bad Heilbrunn und dabei vermutlich auch nach Tölz kam. Dann hätte allerdings der Vater von Maximilian Cajetan, der erst 1670 geboren wurde, die Porte Chaise der Kurfürstin zur Verfügung gestellt. "Wir wissen noch nicht, welche Sänfte es genau ist, ob Henriette wirklich darin saß", sagt Hinterstocker. Auf jeden Fall ist sie für die Museumsleiterin und Kunsthistorikerin ein besonderer Fund. "Das ist schon etwas Außergewöhnliches."

Vor Hinterstocker liegt noch eine Menge Recherchearbeit. So ist bislang auch ein Rätsel, wie die von vier Bediensteten getragene Porte Chaise überhaupt in den Besitz des Stadtmuseums gelangt ist. Dazu kann sie nur Vermutungen anstellen. Früher befand sich in dem Prachthaus, das heute das Museum beherbergt, das Rathaus, davor noch der Bürgerbräu. "Der war sehr nobel", sagt Hinterstocker. Sicher ist, dass sich die Sänfte schon seit Beginn der Achtzigerjahre im Besitz des Museums befindet, das damals vom Schlossplatz an seinen jetzigen Standort umzog.

Gezeigt wird der renovierungsbedürftige Fund vorerst nicht. "So kann man die Sänfte nicht guten Gewissens ausstellen", sagt die Museumschefin. Sie möchte nun erst einmal einige Restauratoren anschreiben. Firmen, die Interesse hätten, sollten dann ein Konzept vorlegen und auch die Kosten taxieren. Hinterstocker hofft, dass sich dann vielleicht ein privater Stifter findet, der die Ausgaben übernimmt. Wenn nicht, muss der Stadtrat entscheiden, ob er dafür Haushaltsmittel bereitstellt. Der Chefrestaurator der Landesstelle für nicht-staatliche Museen kommt Hinterstocker zufolge an diesem Mittwoch nach Bad Tölz, um sich das barocke Stück anzuschauen. Auch Spezialisten der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung will die Museumschefin zu Rate ziehen. Warum die Sänfte so lange im Dachbodendunkel herumstand, vermag sie sich nicht recht zu erklären: "Mit so einem Stück hätte man Besucher anlocken können."

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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