Politische Bäckerei-Übernahme:Die Tölzer Semmel-Connection

Der Sohn des Tölzer Vize-Bürgermeisters Andreas Wiedemann übernimmt den Betrieb von Landrat Josef Niedermaier. Denn der will in der Politik bleiben.

Von Klaus Schieder

Die Wohnung im ersten Stock besteht aus winzigen Zimmern, eher spärlich erhellt durch die kleinen Fenster. Die Decken sind ungewöhnlich niedrig und auch nicht viel höher im Untergeschoss, wo sich die Backstube befindet. Alles dort unten ist eng, verwinkelt und unpraktikabel für den Betrieb. "Wir haben Probleme mit der alten Bude, zu wenig Platz - es ist eben ein altes Gemäuer", sagt Bäckermeister Andreas Wiedemann. Zum Jahresende hat der Sohn des Zweiten Bürgermeisters deshalb den Stammsitz in der Tölzer Klammergasse geschlossen und dafür die Bäckerei Gotz in der Fußgängerzone übernommen, die Landrat Josef Niedermaier gehörte. In der Kurstadt geht damit auch ein Stück Geschichte zu Ende.

Wann genau das Haus unterhalb der Stadtpfarrkirche gebaut wurde, weiß niemand mehr. Vermutlich dürfte es nach dem Brand im 15. Jahrhundert entstanden sein, der vormaligen Holzhäuser in und um die Marktstraße zerstört hatte. Auch Andreas Wiedemann senior hat dazu keine Jahreszahl gefunden. Sicher ist, dass darin 1863 erstmals eine Bäckerei angesiedelt war - der "Wastlmarterbäck". Das Gebäude, sagt der Zweite Bürgermeister, "ist aber wesentlich älter". Seit 1925 buken dort die Wiedemanns das Brot, alle hießen und heißen Andreas mit Vornamen. Der Zweite Bürgermeister übergab das Geschäft vor fünf Jahren seinem Sohn, der darüber hinaus noch Filialen in den Supermärkten von Penny, Rewe, Tengelmann (jetzt auch Rewe) und Netto sowie an der Ludwigstraße im Kurviertel betreibt, ebenso im Penny in Lenggries. Den Hauptsitz in der Klammergasse sei, was die Lebensmittelhygiene betrifft, "nicht zukunftssicher", sagte Wiedemann junior. "Wir hätten viel Geld investieren müssen."

Bäckerei Gotz - Wiedemann

In der Polit-Bäckerei: Der Sohn des Zweiten Bürgermeisters, Andreas Wiedemann (r.) übernimmt die Bäckerei Gotz von Landrat Josef Niedermaier (l.).

(Foto: Manfred Neubauer)

Da traf es sich gut, dass Landrat und Bäckermeister Niedermaier keinen passenden Nachfolger für die Bäckerei Gotz fand, die seine Frau als Geschäftsführerin leitet, seit er im Jahr 2000 zum Bürgermeister von Tölz gewählt wurde. Seine beiden Töchter haben sich beruflich anders orientiert, er selbst bleibt in der Politik. Mit Mitte 50 hätten seine Frau und er eine Zukunftsperspektive für die Bäckerei und ihre rund 40 Mitarbeiter gesucht, sagt Niedermaier. Die sollten nicht plötzlich auf der Straße stehen, falls etwa seine Frau erkranken sollte. "Wir hatten viele Anfragen von auswärts", sagt der Landrat. Aber Wiedemann senior kenne er schon lange, er sei "der erste Ansprechpartner" für die Fusion gewesen. "Uns war es wichtig, dass die Tölzer Traditionsbetriebe erhalten bleiben." Für Wiedemann junior hat die Übernahme der Gotz-Bäckerei einen Vorteil: Er kann auch die große Backstube übernehmen, die Gotz in der Förchenholzstraße im Gewerbegebiet Farchet betrieben hat. "Wir haben das Gebäude gekauft, wir produzieren immerhin für sieben Filialen", sagt Wiedemann.

Für den Sohn des stellvertretenden Bürgermeisters sind die Wochen um den Jahreswechsel mit einer Menge Stress verbunden. "Die Nächte sind sehr kurz", sagt er. Zum einen gelte es, die unterschiedlichen Sortimente der beiden Bäckereien zusammenzubringen, wobei "wir gleich die Chancen nutzen, sie zu straffen". So wird es Produkte, die wenig Umsatz einbrachten wie etwa Dinkelernte oder Frischlinge, künftig nicht mehr geben. Würde man alles beibehalten, wäre dies auch von der Zeit her nicht zu schaffen, sagt der Bäckermeister. Außerdem muss er auch die diversen Preise neu strukturieren und auf einen Nenner bringen. Die Waren sollen sich für die Kunden jedoch insgesamt nicht verteuern. "Wiedemann-Kunden werden teils mehr, teils weniger als bisher zahlen, das gleiche gilt auch für die Gotz-Kunden", sagt er.

Bäckerei Gotz

Die Bäckerei Gotz in Bad Tölz.

(Foto: Manfred Neubauer)

Ein Personalabbau geht mit der Übernahme nicht einher. Wiedemann beschäftigt nach eigenen Angaben um die 70 Mitarbeiter. Im Verkauf behielten alle Angestellten ihre Arbeit, lediglich aus der Produktion schieden zwei aus, "die nicht mitgegangen sind", sagt er und meint: "Das ist eine gute Quote." Für seinen Vater wären Entlassungen kaum sinnvoll. Das Personal brauche man einfach, "wenn man von sechs bis 20 Uhr und teilweise auch sonntags geöffnet hat", sagt er.

Den Zweiten Bürgermeister von Tölz und den Landrat verbindet so mancherlei: Beide sind in der Lokalpolitik unterwegs, beide gehören den Freien Wählern an, beide sind Bäckermeister. Als solche haben sie schon vor mehr als zwei Jahrzehnten zusammengearbeitet. Sie gründeten damals eine Gesellschaft, um gemeinsam die Läden in zwei Edeka-Filialen in Lenggries zu betreiben.

"Es war immer unser Ansinnen, miteinander etwas zu erreichen", sagt der Zweite Bürgermeister. Auch die Kooperation in Lenggries sei grundsätzlich eine gute Idee gewesen, obwohl sie schlussendlich scheiterte. "Zu hohe Pachten, zu wenig Umsatz." Dennoch habe er mit Niedermaier danach weiter Waren ausgetauscht, erzählt Wiedemann. Was nun aus dem Laden und den Backräumen in der Klammergasse wird, vermag er nicht zu beantworten. "Gute Frage", sagt er. Eine Lösung sei schwierig zu finden, weil das alte Haus mit der Bäckerei nun einmal mitgewachsen sei. "Und weil alles so verwinkelt ist."

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