Bergsport im Pandemie-Winter:"Auch Hammertage lassen sich bewältigen"

Lesezeit: 3 min

Individualsport in der Masse: Weil Lifte geschlossen bleiben müssen, werden viele in diesem Winter auf das Skitourengehen umschwenken, so die Prognose. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Richard Hoch, Naturschutzreferent der DAV-Sektion Tölz, blickt angesichts des zu erwartenden Ansturms von Tourengehern besorgt, aber nicht pessimistisch auf die kommenden Monate.

Interview von Arnold Zimprich

Die zweite Corona-Welle schwappt auch auf den Wintersport über. Das Ski-Mekka Tirol ist bereits seit längerem Risikogebiet. Das hat auch für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen Folgen. Viele Wintersportler, die auch Skitouren gehen, werden aufgrund der aktuellen Situation in den Skigebieten eher die Felle an die Ski kleben und auf Tour gehen. Davon geht zumindest der Tiroler Lawinen- und Skitourenexperte Rudi Mair aus. Zudem ist zu erwarten, dass Skitourengeher aus dem Großraum München, die ihre Touren üblicherweise in Tirol durchführen, auf die Berge im Landkreis ausweichen. Im Interview bezieht dazu der Naturschutzreferent der DAV-Sektion Tölz, Richard Hoch, Stellung.

SZ: Herr Hoch, gibt es im Arbeitsbereich der Sektion Tölz Skitouren, die Ihnen bereits ohne Corona aufgrund der Frequentierung Sorgen bereiten?

Richard Hoch: Sorgen bereitet mir weniger die Frequentierung, sondern Zeitgenossen, die sich nicht angemessen verhalten. Ich denke da ans Parken. In Lenggries-Fleck, am Ausgangspunkt zum Schönberg, kommen die ortsansässigen Bauern an schönen Tagen zum Teil nicht mehr mit dem Traktor an wild geparkten Autos vorbei. Einige Tourengeher fahren zudem ohne Rücksicht auf Verluste in Lawinenhänge rein. Auch ausgewiesene Wildtier-Ruhezonen werden missachtet, zum Beispiel am Schafreuter. Nachts mit Stirnlampen im Wald abzufahren sehe ich ebenfalls sehr kritisch. So hat das Wild gar keine Rückzugszonen mehr.

SZ PlusFreizeit und Natur
:Völkerwanderung abseits der Pisten

Bayerns Skigebiete bleiben im Winter vorerst geschlossen. Naturschützer, Jäger und Forstleute fürchten daher mehr Tourengeher in der freien Natur. Das könnte für Wild und Wälder problematisch werden.

Von Benjamin Engel

Welche Befürchtungen haben Sie angesichts eines potenziellen Ansturms von Skitourengehern?

Im Sommer und Herbst haben wir im Landkreis schon etliche Tage mit chaotischen Zuständen durch die gewaltige Masse an Erholungssuchenden erlebt. Hauptprobleme bleiben der Verkehr und die Hinterlassenschaften. Das gleiche Phänomen befürchte ich auch im Winter. Besonders an herrlichen Wintertagen mit Pulverschnee und Sonnenschein erwarte ich ein Verkehrschaos. Wenn sich jedoch alle angemessen verhalten, lassen sich auch solche Hammertage bewältigen.

Das Skitourengehen hat in den vergangenen Jahren rasant zugenommen. Wie sehen Sie diese "Erfolgsstory" und die massive Bewerbung des Sports durch die Freizeitindustrie?

Wir kommen in eine Richtung, wo es kritisch wird. Der Schönberg ist erneut ein gutes Beispiel. Das ist ein übersichtliches Gebiet, es wird schnell eng. Wenn man das Skitourengehen aber mit Vernunft betreibt, ist es durchaus möglich zu kanalisieren. In Werbung und Medien wird jedoch häufig eine Art Natursport gezeigt, die mir nicht behagt. Da steht das Thema "Fun" an erster Stelle, die Berge sind nur Kulisse zur Selbstinszenierung. Große Filmfestivals wie die European Outdoor Film Tour propagieren für mich eine fragwürdige Art Bergsport. Wenn das, was die dort zum Teil vormachen, mal ein einziger nachmacht - schön und gut. Aber wenn es dann alle nachmachen, wird es problematisch. In dem Moment, wo es kommerzialisiert wird, kann es sein, dass man kritische Größen erreicht.

Freuen Sie sich nicht insgeheim, wenn Skitourengeher aufgrund wärmerer Winter in höhere Bereiche ausweichen und hiesige Berge in Ruhe lassen?

Über die Folgen des Klimawandels freue ich mich natürlich nicht. Wenn aufgrund des Schneemangels Skitourenliebhaber weite Strecken fahren, verlagert sich das Problem nur und wir haben mehr CO2-Ausstoß durch den Verkehr. Auf der anderen Seite tut es der Natur manchmal ganz gut, wenn schlechtes Wetter ist und die Menschenmassen ausbleiben. Dann können sich die Berge wieder etwas erholen.

Die DAV-Sektion Tölz ist mit mehr als 6500 Mitgliedern der größte Verein im Landkreis. Wie sensibilisieren Sie die Mitglieder für Umweltprobleme?

Es gibt da verschiedene Wege. Wichtig ist, dass wir über die verschiedenen DAV-Medien Aufklärung betreiben. Über die Website im Netz, im Mitglieder-Magazin Panorama und über Infotafeln zu Lenkungsmaßnahmen. Meine Hoffnung ist, dass die Leute, wenn sie Schönheit und Großartigkeit der Berge erleben, für den Naturschutz sensibilisiert werden. Aufklärung ist mühsam, aber ich habe schon viel Positives erlebt. Daher mein Appell: Die, die sich nicht richtig verhalten, dürfen durchaus ruhig und sachlich auf ihr Fehlverhalten hingewiesen werden!

Der 61-jährige Tölzer Richard Hoch ist gelernter Bankkaufmann und seit Jahrzehnten im Deutschen Alpenverein tätig. Dort ist er Naturschutzreferent, zudem sitzt er aktuell für die Grünen im Stadtrat von Bad Tölz. (Foto: Janine Hague/oh)

Sie selbst sind bereits seit Jahrzehnten im Alpenverein tätig und sitzen für die Grünen im Tölzer Stadtrat. Ist es ein Widerspruch, die Berge einerseits attraktiv zu machen und andererseits die Umwelt schützen zu wollen?

Der Alpenverein ist nicht nur ein Bergsportverband, sondern auch anerkannter Naturschutzverband. Ich sehe da keinen Widerspruch - im Gegenteil, das ergänzt sich eher. Für mich macht der DAV die Berge gar nicht zusätzlich attraktiv, die Berge sind von sich aus attraktiv. Der DAV versucht, seine Mitglieder zu umweltfreundlichem Verhalten zu animieren. Kampagnen wie "Natürlich auf Tour" gibt es seit 1995. Das ist eine Kooperation mit dem bayerischen Umweltministerium sowie Vertretern aus Jagd, Forst- und Landwirtschaft. Zusammen wurden 500 Routenempfehlungen für Skitourengeher allein im bayerischen Alpenraum erarbeitet. Zudem gibt es 225 ausgewiesene Schongebiete, die gemieden werden sollen. Insgesamt wird die Initiative gut angenommen. Ziel ist es, Regelungen zu finden, mit denen alle Beteiligten leben können.

Welchen Wunsch haben Sie in Ihrer Funktion als Naturschutzreferent?

Einen Traumwinter hätte ich gerne (lacht), und ich wünsche mir, dass Wintersportler mit gesundem Menschenverstand unterwegs sind. Ganz wichtig für mich ist, dass die Saison unfallfrei verläuft und dass alle gesund und munter zurückkommen.

© SZ vom 15.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Verhaltenskodex
:Besondere Regeln für besondere Zeiten

Geschlossene Skigebiete, nicht präparierte Pisten, offen liegende Kabel: Wer in diesem Winter in den Berge gehen will, muss einige Dinge beachten.

Von Christian Sebald

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: