Bad Tölz:Danzlmusi und Dudelsack

Als Gastgeber der diesjährigen Veranstaltung "Musik in der Stadt" hat Bad Tölz bravourös für Europa geworben. Und nicht zuletzt auch für sich selbst

Von Petra Schneider

"Es ist ein Irrtum, Europa primär als einen Begriff der Politik oder gar der Ökonomie zu sehen. Das, was uns Europäer eint, ist unsere gemeinsame Kultur." Um dieses Diktum des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog mit Leben zu füllen, treffen sich seit 28 Jahren Musiker aus europäischen Ländern in einer bayerischen Stadt, um gemeinsam zu musizieren. Vor vier Jahren hat sich Bad Tölz beim Bayerischen Musikrat beworben und den Zuschlag erhalten. Seitdem arbeiten Musikschulleiter Harald Roßberger und Veranstaltungsleiterin Susanne Frey-Allgaier am Programm der Europatage der Musik.

Der Aufwand hat sich gelohnt, Bad Tölz hat seine Gastgeberrolle bravourös gemeistert. Den Veranstaltern ist es gelungen, Musiker aus den Partnerstädten und Nachbarländern zu gewinnen und Musik aus den Konzertsälen zu den Menschen zu bringen - und das nicht nur an diesem Wochenende: Seit fünf Jahren gibt es das Projekt "Musik in der Stadt", das auch am Samstag zahlreiche Besucher zu den mehr als 20 Tölzer Veranstaltungsorten lockte. Beim Galakonzert am Samstagabend im Kurhaus, zu dem etwa 450 Gäste gekommen waren, zeigte sich das musikalische Potenzial, das in der Stadt zur Verfügung steht.

Musikschullehrer, ehemalige Musikschüler und Gäste aus der Partnerstadt Vichy und der Auvergne boten ein Programm, das die Vielfalt musikalischer Ausdrucksformen bestens repräsentierte: Es vereinte Musik aus unterschiedlichen Epochen, Stilrichtungen und Ländern zu einem anregenden Abend: Mittelalterliche Musik, vorgetragen in zeitgenössischen Kostümen und mit mittelalterlichen Instrumenten, ein Operettenklassiker und ein humoriges Lied von Heinz Erhard, Klangbilder für Gitarren und eine zeitgenössische Komposition eines aus der Auvergne angereisten Blechbläserquintetts - Traditionelles, Ungewöhnliches, selten Gehörtes und neu Komponiertes wurde den Zuhörern geboten. Der europäische Gedanke der Einheit und Vielfalt kam am besten zum Ausdruck, als die Danzlmusi der Tölzer Stadtkapelle mit Landrat Josef Niedermaier an der Klarinette und das Ensemble Vichy et ses Sources gemeinsam auf der Bühne standen. So unterschiedlich die jeweiligen Trachten, so verschieden war auch die gespielte Volksmusik: Oberländermarsch und Polka auf der einen, ein Tanzlied mit Drehleiern und Dudelsack auf der anderen Seite. Sehr zum Vergnügen der Tölzer, die den Gäste aus Vichy viel Applaus spendeten. Kleine musikalische Kostbarkeiten wurden gereicht, die zeigten, welches technische und kreative Potenzial die Musikschule hervorgebracht hat: Die ehemaligen Musikschülerinnen Elisabeth (Violine) und Miriam Heuberger (Klavier) brillierten mit einer temperamentvollen Polonaise des Romantikers Henryk Wieniawski. John Cooper und Johannes Bauer beeindruckten mit einer Eigenkomposition. "Chiclana" - ein Stück, inspiriert durch eine Reise an eben jenen spanischen Ort, wird zu einem elektrisierenden musikalischen Bild verdichtet.

Den Abend moderierte Benedikt Schregle, ehemaliges Mitglied des Tölzer Knabenchors und Musikschüler, inzwischen Nachrichtensprecher und Moderator beim BR. Charmant führte er durch die Veranstaltung und würzte sie mit kleinen Anekdoten. Thomas Goppel, Präsident des Bayerischen Musikrats, zeigte sich beeindruckt von dem Programm. "Der heutige Abend ist beispiellos", lobte Goppel. Sieben, achtmal sei er schon bei den Europatagen dabei gewesen, "aber das, was Tölz hier bietet, hat's noch nie gegeben." Musik gebe das Heimatliche an andere weiter. "Das ist wichtig, denn es gibt nichts schlimmeres, als wenn man sich zu sehr an sich selbst gewöhnt." Das Fremdeln müsse aufhören, forderte Goppel, dazu seien die Europatage wie geschaffen. Die Hälfte der in Bayern lebenden Menschen seien Zugezogene. "Wenn wir die stärker einbeziehen, haben wir bei der Umsetzung der europäischen Idee schon viel gewonnen."

Lob von allen Seiten erhielt der unermüdliche Musikschulleiter Roßberger. "Manchmal schreibt er mir in der Nacht noch E-Mails, weil er wieder eine neue Idee hat", erzählte Landrat Niedermaier in der Pause. Bürgermeister Josef Janker war sichtlich stolz auf seine Stadt. "Tölz wird nicht mehr nur als Urlaubs-, Sport- oder Filmstadt wahrgenommen, sondern auch als Musikstadt." Ausschnitte aus dem Galakonzert sendet der Bayerische Rundfunk am 29. Juni ab 14.05 Uhr auf BR-Klassik.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: