Süddeutsche Zeitung

Bad Tölz:Bündnis zwischen Arbeitgebern und Asylbewerbern

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Die Kurstadt arbeitet an einem Pilotprojekt: Ein Coach soll Flüchtlinge und Wirtschaft bei der Vermittlung und im Job unterstützen.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Eine Lehrstelle oder ein Arbeitsplatz ist ein wichtiges Vehikel, damit ein Flüchtling sukzessive in der neuen Gesellschaft ankommen kann, die mit ihrer anderen Sprache und ungewohnten Gepflogenheiten für ihn noch fremd ist. Bad Tölz schmiedet deshalb eine Allianz. Ein Bündnis mit der Wirtschaftsförderung der Stadt, dem Mehrgenerationenhaus des Roten Kreuzes, dem Asyl-Helferkreis, den Tölzer Coaches und der Jugendförderung soll Firmen und junge Asylbewerber zusammenbringen. Nicht nur das: Ein Coach soll beide Seiten vor allem in der Anfangszeit unterstützen. Das Pilotprojekt wollen der kommunale Sozialplaner Armin Ebersberger und Citymanager Falko Wiesenhütter nach den Sommerferien vorstellen.

Beide basteln derzeit an der Allianz. Noch besteht viel Gesprächsbedarf, wer in diesem Zusammenschluss genau welche Aufgabe übernimmt. "Da will ich nicht vorgreifen", sagt Ebersberger. Klar ist, dass er sich selbst in der Organisation der Allianz um die sozialen Aspekte kümmert, Citymanager Wiesenhütter hingegen um die unternehmerische Seite. Mit einigen Tölzer Firmen, die bereits Flüchtlinge oder junge Migranten beschäftigen, sprachen beide im Vorfeld. Die Erwartungen der Betriebe sind wenig überraschend: Der neue Mitarbeiter sollte halbwegs Deutsch können und motiviert sein, sich an die hiesige Arbeitswelt anzupassen, vor allem pünktlich und zuverlässig seinen Job zu erledigen.

Daran hapert es manchmal. In Mitteleuropa herrsche nun mal andere Einstellung zum Beruf als in arabischen und afrikanischen Ländern, sagt Ebersberger. Dies einem jungen Flüchtling klarzumachen, sieht er als eine der Aufgaben für den Coach, der zugleich auch Ansprechpartner bei Fragen und Problemen sein soll. Unterstützung sollen auf der anderen Seite auch die Unternehmen von der Allianz bekommen. "Der Bürokratiekram, die kulturelle Komponente, Konflikt-Strategien" nennt Wiesenhütter als Beispiele, wo Hilfe angeboten werden kann. Allerdings warnt der Citymanager vor Euphorie. "Für die Unternehmerseite ist das nicht einfach, da muss man nüchtern herangehen und sehen, wo gemeinsame Interessen sind", sagt er. Auch Ebersberger äußert sich vorsichtig und will mit dem Projekt, sobald es ausgearbeitet ist, erst einmal klein anfangen. Fünf Unternehmen, fünf Flüchtlinge, fünf Coaches - wobei die Asylbewerber vorher vom Bündnis ausgewählt werden.

Immerhin gibt es in Bad Tölz offenbar genügend Firmen, die es mit einem Flüchtling probieren würden. In der Unternehmensbefragung des Landkreises beantwortet 66 Betriebe in der Kurstadt die Frage, ob sie sich dies vorstellen können, mit "Ja" oder "Eventuell". Das sei schon mal "ein Pool", so Wiesenhütter, "eine Zahl, die man ins Boot holen kann". Einen Unternehmer könne man nicht zu einer sozialen Einstellung zwingen, "aber wenn er etwas davon hat, wäre es schön, wenn man zueinander kommt". Im gleichen Atemzug unterstreicht der Citymanager jedoch, dass dann viele Hürden zu überwinden seien, "da stehen ein Haufen Fragezeichen dran".

Mit Blick auf die schrecklichen Ereignisse in Würzburg, Reutlingen, Ansbach und München ist es für Ebersberger "einer der wichtigsten Punkte", junge Asylsuchende und Migranten in Arbeit zu bringen. Er hält es zwar für wahrscheinlich, dass junge Leute, die mit einem Trauma nicht zurande kommen, auch künftig Anschläge verüben werden. Aber wenn Flüchtlinge einen Job haben, dann "haben sie eine Perspektive, können Fuß fassen und in die Gesellschaft reinkommen".

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SZ vom 26.07.2016
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