Süddeutsche Zeitung

Sonderweg im Landkreis:Ergebnisse der Jugendwahl sollen zurückgehalten werden

Aus Angst vor Beeinflussung wird die Jugendwahl für die Kommunalwahlen 2020 reformiert. Zwölf- bis 17-Jährige sollen mit einem eigens erstellten Online-Tool abstimmen, die Ergebnisse sollen erst mit den echten bekanntgemacht werden

Von Viktoria Spinrad

Jakob Koch hatte sich das alles etwas anders vorgestellt. Er sei erschrocken, sagt der 21-jährige Sprecher der Grünen Kreisjugend. Er spricht von einer "Angst, abgewatscht zu werden" und einem "fragwürdigen Demokratieverständnis". Was ist da los?

Es geht um die Jugendwahlen, die mit den Bundestagswahlen 2017 im Landkreis angekommen sind. Die Idee: Minderjährige nehmen an einer simulierten Wahl teil, um politisch denken zu lernen und später bei den echten Wahlen eher zur Urne zu gehen. Angesichts der komplexen und aufwendigen Natur der Kommunalwahlen hat sich der Landkreis nun in Absprache mit den Bürgermeistern und Jugendpflegern ein eigenes Format ausgedacht.

Dazu gehörigen zwei Aspekte: Um eine Überlastung der Kommunen zu verhindern, sollen Zwölf- bis 17-Jährige einen Brief mit Zugangsdaten für ein Online-Tool erhalten, über das sie dann wählen. Der umstrittenere Teil: Die Ergebnisse sollen diesmal nicht wie bislang vor den echten Resultaten bekanntgemacht werden.

CSU-Landratskandidat Demmel hatte das Landratsamt vor Klagen gewarnt

Diese Änderung geht auf den Königsdorfer Bürgermeister und CSU-Landratskandidaten Anton Demmel zurück. Er hatte gegenüber der Kommunalaufsicht Bedenken geäußert: Weil er bei frühzeitigen Ergebnissen zur Personenwahl eine Beeinflussung und damit eine Anfechtung der echten Wahl befürchte, wie er sagt. "Wenn einer bei den Jugendwahlen nicht in die Stichwahl gekommen wäre, könnte er klagen", so Demmel.

Auch kritisiert er, dass die Koordination traditionell beim Kreisjugendring (KJR) liegt - einer Einrichtung, deren Dachverband sich gleichzeitig für ein jüngeres Wahlalter stark macht. "Politische Bildung gehört in die Staatshand, sie ist nicht Aufgabe des freien Bereichs", sagt er. Persönliche Nachteile befürchtet er nach eigener Aussage nicht. "Ich habe keine Angst vor irgendwelchen Ergebnissen. Sonst müsste man ja auch Forsa-Umfragen abschaffen", sagt Demmel.

Jakob Koch hat da eine andere Vermutung. "Da hat jemand offenbar Angst vor Ergebnissen, die nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen", sagt er. Bei der U-18-Wahl für den Landtag hatten mehr als ein Viertel die Grünen gewählt. "Demokratie heißt, das auszuhalten", sagt Koch.

Aus Sicht des Landratsamtes wäre eine zeitige Veröffentlichung der Jugendwahl-Ergebnisse "unbedenklich"

Die frühe Auswertung beim U18-Format soll dem politischen Anliegen der Jungen Gehör verschaffen.

Nun befürchten manche, dass die Stimme der Jugend untergehen wird. Das sieht auch Demmels Parteikollege Alexander Totzauer so. Die Ergebnisse sollten so veröffentlicht werden, "dass die Jugendlichen das Gefühl haben, dass ihre Wahl Anklang gefunden hat", sagt der Vorsitzende der Jungen Union in Geretsried.

Mit der Online-Wahl kann er sich hingegen gut abfinden: "So werden viel mehr junge Leute wählen", glaubt Totzauer. Koch von der Grünen Jugend ist da skeptisch. Zu einer echten Wahl gehörten Wahlkabine und Wahlurne, sagt er. "Die Jugend an die Demokratie heranzuführen, kann nicht zu viel Arbeit sein."

Die Jugendwahlen der Bürgermeister, des Landrats, der Stadt- und Gemeinderäte und des Kreistags beschäftigen viele Landkreise. Weil sich das von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderte Konzept der "U18-Wahl" nicht auf die Kommunalwahlen übertragen lässt, müssen eigene Lösungen gefunden werden. Während Miesbach beim alten Konzept bleibt, wird der Landkreis München einen Aktionsbus durch die Kommunen schicken. In Garmisch-Partenkirchen werden nur Landrat und Parteien für die Kreistagsfraktion gewählt, in Weilheim-Schongau nur der Landrat.

Bedenken wegen Wahlbeeinflussung gibt es in keinem der Landkreise. "Es geht darum, den Anliegen der Jugendlichen Gehör zu verschaffen. Da ist Wahlbeeinflussung das Geringere", sagt eine Sprecherin des KJR Weilheim-Schongau. Totzauer von der JU Geretsried meint: "Da muss noch ein Kompromiss her."

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SZ vom 06.12.2019/vfs/vfs
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