Kunst und WissenschaftWeil es gut bei Laune hält

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Dieter und Jürgen Rammlmair, Sybille Wach und Dierk Schwender (von links) haben sich für eine Ausstellung im Kunstturm zusammengetan.
Dieter und Jürgen Rammlmair, Sybille Wach und Dierk Schwender (von links) haben sich für eine Ausstellung im Kunstturm zusammengetan. (Foto: Hartmut Pöstges)

Holzskulpturen, Druckgrafik, Malerei und Fotografie: Vier Kreative  stellen „Aus Spaß an der Freud“ im Kunstturm Wolfratshausen aus.

Von Anja Brandstäter, Wolfratshausen

Was hat Kunst mit Wissenschaft zu tun? „Viel“, sagt Dieter Rammlmair. „Man weiß nicht, was dabei herauskommt.“ Der Geowissenschaftler war auf der ganzen Welt unterwegs und kennt sich mit Gesteinsschichten aus. Künstlerisch arbeitet er indes mit Kettensäge und Holz. Mehr als zwanzig seiner Skulpturen sind nun in den Kunstturm am Schwankl-Eck in Wolfratshausen eingezogen. Dort stellt Rammlmair zusammen mit drei weiteren Kreativen aus. „Aus Spaß an der Freud“ haben sie die Schau genannt.

Im zweiten Stock auf einem Fenstersims thront sein Werk „Faccia Perduta“, was so viel bedeutet wie Gesichtsverlust. Der Kopf der Skulptur besteht aus Veredlungsstellen von Apfelbäumen. „Sie sind extrem hart und lassen sich kaum mit der Säge bearbeiten“, erklärt Dieter Rammlmair. Für den Körper hat er 500 Jahre altes Tannenholz aus Südtirol verwendet. „Das ist Holz vom alten Haus meiner Eltern“, sagt der Wissenschaftler, der in Hannover lebt.

Seine Skulpturen sind fein und präzise gearbeitet. „Wenn die Kettensäge scharf ist, geht das“, erläutert er. Ihn interessiert auch, wie lange man Holz mit der Säge spreizen kann, bevor es bricht. Einen aktuellen Bezug zu unserer Wegwerfgesellschaft zeigt er im Erdgeschoss. Dort hat er in einer Vitrine die Werkreihe „Zero Waste“ platziert: In hölzernen Camembert-Schachteln finden sich Mangokerne oder Avocadoschalen, die kunstvoll drapiert und in Plastik verpackt sind.

Dieter Rammlmair zeigt Skulpturen, die er mit der Kettensäge geschaffen hat.
Dieter Rammlmair zeigt Skulpturen, die er mit der Kettensäge geschaffen hat. (Foto: Hartmut Pöstges)
Jürgen Rammlmair ist ein Meister der Druckgrafik.
Jürgen Rammlmair ist ein Meister der Druckgrafik. (Foto: Hartmut Pöstges)

Sein Bruder Jürgen Rammlmair konzentriert sich auf eine andere Technik: Er zeigt feine und vielschichtige Druckgrafiken -  Aquatinta-Radierungen, Holzschnitte und farbintensive Linoldrucke. „Meine Motive hole ich mir bei meinen sportlichen Aktivitäten, beim Bergsteigen, bei Skitouren und beim Segeln“, erzählt der promovierte Mediziner, der in Bozen und am Ritten lebt. Die Aquatinta-Radierung „Am Tödi“ ist so präzise, dass man auf den ersten Blick meinen könnte, es handle sich um ein Schwarz-Weiß-Foto. „Mich interessieren besondere Lichtverhältnisse und Kontraste“, erklärt er.

Seine Kunst erfordert eine genaue Planung. „Ich muss vorher wissen, wie viele Platten und Farben ich verwende und ob die Farben zusammenpassen“, sagt er. Am Anfang stehe stets eine Skizze. Nach ihr schneide er die Platten zu, wobei er seitenverkehrt denken müsse.  Nach vielen Stunden Arbeit sei er oft überrascht. „Man weiß bis zum Schluss nicht, wie das Werk aussieht.“ Kürzlich hat er eine „Miss ChatGPT“ geschaffen. Für den Linoldruck hat er sieben Platten und fünfzehn Farben verwendet. Die Miss hat aufgespritzte Lippen, gezupfte Augenbrauen und ein perfekt operiertes Gesicht.

Während Rammlmair in seiner Arbeit geplant vorgeht, verfährt Dierk Schwender aus Lenggries nach dem Motto: Mal sehen, was kommt. Seine Landschafts-, Tier- und Aktbilder entspringen hauptsächlich seiner Fantasie. Bei dem großformatigen Ölgemälde mit dem Titel „Wart Ihr Das???“ sieht sich der Betrachter einem Eisbären gegenüber, der sich auf die Hinterbeine gestellt hat, zudem zwei Giraffen und einem Gorilla, der ihn eindringlich anblickt. Die Tiere stehen hinter einer Ziegelsteinwand. Im Vordergrund treibt sich ein Fuchs herum, in der Luft fliegen zwei Möwen. „Zuerst kamen mir die Steine in den Sinn“, erklärt der Künstler, der viele Jahre als Arzt und Professor für Neurowissenschaften gearbeitet hat. Erst später seien ihm die Tiere eingefallen. „Die Tiere kommen in die Stadt“, sagt er. Der Titel könnte auch anklagend sein: Haben die Tiere keinen Raum mehr zum Leben?

Dierk Schwender schöpft beim Malen vor allem aus der Fantasie.
Dierk Schwender schöpft beim Malen vor allem aus der Fantasie. (Foto: Hartmut Pöstges)
Sybille Wach lässt sich von der Natur inspirieren.
Sybille Wach lässt sich von der Natur inspirieren. (Foto: Hartmut Pöstges)

Er entwickle seine Werke intuitiv, sagt Schwender. Bei dem Gemälde „Frau und Meer“ hat er zunächst seine Farbpalette fotografiert und die Makrofotografie auf Leinwand drucken lassen. Der Frauenkörper habe sich später beim Malen ergeben. „Der Körper muss entdeckt werden“, sagt Schwender. Tatsächlich sieht der Betrachter sie erst auf den zweiten oder dritten Blick.  Schwender hat sich neben seiner medizinischen Tätigkeit schon immer auch künstlerisch betätigt, war Schüler von Gerhard Neumann und studierte an der Akademie der bildenden Künste in München.

Intuitiv geht auch die Augsburger Fotografin Sybille Walch vor. „Ich bin gerne in der Natur und wenn mir etwas ins Auge sticht, fotografiere ich es“, sagt sie. Mit ihr darf man im ersten Stock des Kunstturms auf Reisen gehen. „Spaß an der Freude“ zeigt die Fotografin in all ihren Werken. Kombiniert hat sie die Fotos mit Lyrik beispielsweise von Hans Magnus Enzensberger, Sybille Walch oder Joseph von Eichendorff - eine anregende Kombination.

Kreatives Schaffen stärke die Neuroplastizität des Gehirns und beuge Demenz vor

Ein Foto zeigt Felsformationen, die in Magenta, Blau, Türkis, Ocker und Braun schillern. „Das ist ein Fels in Südtirol. Es sieht aus, als hätte man Öl über die Steine gegossen“, erklärt sie. Auch der Schönheit einer geöffneten Mohnblüte hat sie ein Werk gewidmet. Der Betrachter kann tief in die rote Blüte mit ihren unzähligen schwarzen Staubgefäßen und der Samenkapsel eintauchen. Alle 23 Fotografien sind Digitaldrucke auf hochwertigem Aluverbund-Karton.

Sybille Walch hat als Konrektorin an einer Grundschule Kunst und Musik unterrichtet. „Ich habe mit den Kindern viele Kunstprojekte realisiert“, sagt sie. Das schöpferische Tun mache ihr nicht nur Freude, sondern halte auch die grauen Zellen in Schwung. Das bestätigen die beiden Mediziner: Kreatives Schaffen stärke die Neuroplastizität des Gehirns und beuge Demenz vor. Erfolgsdruck haben alle vier nicht, denn sie sind im Ruhestand.

„Aus Spaß an der Freud“, Schwankl-Eck, Obermarkt 33, Wolfratshausen, bis 26. April, geöffnet Donnerstag bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr

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