Ausstellung in der Galerie Pratschke:Bitte recht langsam!

Gabriele Hüttl zeigt unter dem Titel "Im Fokus" Lochkamera-Bilder - Aufnahmen, die vom Künstler sehr viel Zeit erfordern und dem Betrachter eine wohltuende Muße vermitteln.

Von Felicitas Amler

Wir kennen das alle: Nur ganz rasch noch dies und das erledigen, weil es schnell-schnell fertig sein muss. Eile und Hast bestimmen unseren Alltag - den Beruf, den Haushalt, oft sogar die Freizeit. Was für eine Erholung dagegen diese Ausstellung: Die Wolfratshauser Künstlerin Gabriele Hüttl zeigt in der Deininger Galerie Carmen Pratschke Fotos, die sie mit der Lochkamera aufgenommen hat. Man möchte sagen, mit der guten alten Lochkamera. Denn das bedeutet: Sie hat alles ganz, ganz langsam gemacht.

Eine Wohltat ist allein die oberflächliche Wahrnehmung der Bilder im ersten der beiden Galerie-Räume. Alles schwarz-weiß. Und dies in Zeiten, da selbst die Tageszeitungen längst auf Farbfotos umgestellt haben und grelles Bunt uns allenthalben umgibt. Da wirkt Schwarz-Weiß an sich schon wie ein Anreiz, mit Muße hinzusehen. Man tritt näher heran an die Bilder, forscht und entdeckt. Verschobene Kugeln aus Ziegelsteinen. Einen großen weißen Ballon, der sich eigentümlich zwischen zwei Stühle drängt. Oder einen Baum, dessen Blätter durch eine antike Säule zu schimmern scheinen.

Hüttls Bilder tragen nicht zufällig Titel wie "Bewegt" oder "Neun Stunden". Man kann auf diesen Fotos auf besondere Weise sehen, wenn ein Motiv vom Fleck bewegt wurde. Und manche Belichtungen dauern tatsächlich viele, viele Stunden.

Die im Prinzip jahrhundertealte Lochkamera ist das einfachste Gerät, um eine Abbildung zu produzieren. Es ist ein lichtdichter Kasten mit einem winzigen Loch (der Blende) in der einen Wand und einer Mattscheibe oder einem lichtempfindlichen Material auf der gegenüberliegenden Wand. Durch den Lichteinfall entsteht dort ein umgekehrtes und seitenvertauschtes Bild. Und das kann dauern.

Gabriele Hüttl erklärt es vor dem Foto mit dem Titel "HP Erleuchtung": Man sieht ein und denselben Mann zweimal auf einer Bank sitzen. Rechts hat er die Beine nach links überschlagen, links nach rechts. Zweimal zwanzig Minuten lang musste dieser Mann still sitzen, damit so viel Licht durch die kleine Blende fallen konnte, dass er hier wie dort abgebildet wurde. Dass er auf der linken Seite von innen her erleuchtet aussieht, liegt daran, dass sich, während er auf der anderen Seite saß, der Springbrunnen hinter der Bank abbildete. Hüttl lacht: Diese scheinbare Erleuchtung passe einfach zu gut, der Mann sei Tai-Chi-Meister.

Die Künstlerin hat Spaß und Freude an dieser Arbeit, das spürt man. Und es steckt an. Nur zu gern würde man selbst einmal ausprobieren, wie es ist, wenn man diesen Kasten aufbaut und eben gar nicht genau weiß, was nach Stunden zu sehen sein wird. "Das Experiment ist so spannend", sagt Hüttl. Und ja, so stimmt sie auf Nachfrage zu: "Für mich ist das Meditation. Die Wahrnehmung von Zeit."

Zur Eröffnung der Ausstellung erklärte die Pädagogin Wiebke Lohfeld, Akademische Rätin an der Universität Koblenz, das Spielerische und Geheimnisvolle an der Lochkamerafotografie so: Wie beim Kinderspiel "Ich sehe was, was du nicht siehst" bestehe der Reiz darin, dass etwas unerwartet in den Fokus gerate, eine neue Dynamik entstehe. Weil der Blick sich verändere, veränderten sich auch die Dinge, so ihre These. Allerdings spiele Gabriele Hüttl nicht "Ich sehe was, was du nicht siehst". Sondern "Ich sehe" - mit einem dicken Rufzeichen, wie Lohfeld betonte. Sie schlug damit den Bogen zum zweiten Teil der Ausstellung, in dem Hüttl Farbfotos zeigt, die sie ganz modern aufgenommen hat, nämlich digital.

Dass sie sehen kann, das beweisen diese Bilder. Denn man muss schon ein Auge dafür haben, wenn zum Beispiel eine gekräuselte Wasseroberfläche wie ein impressionistisches Gemälde wirkt - ohne die geringste technische Bearbeitung der Aufnahme. Man muss hinschauen, wahrnehmen, erkennen, den richtigen Blickwinkel wählen und auf den Auslöser drücken. "Eine Irritation" seien manche dieser Bilder, sagte Lohfeld - aber nur so lange, bis man beginne, den eigenen Fokus scharf zu stellen. Insofern seien Gabriele Hüttls Fotos eine Aufforderung an den Betrachter, selbst zu sehen, den eigenen Blick zu entwickeln, nicht den der Künstlerin. Das sei "die wahre Lust des Spiels". Wer da mitspielen möchte, hat im nächsten Workshop, der parallel zur Ausstellung stattfindet, Gelegenheit dazu.

Gabriele Hüttl: "Im Fokus", Lochbild-Fotografien und Fotos aus der Serie "Se(h)en", Galerie Pratschke, Münchner Straße 25 a, Deining/Egling, bis 25. Mai, Donnerstag bis Samstag 13 bis 17 Uhr, Telefon 08170/99 88 90. Workshop am Samstag und Sonntag, 24. und 25. Mai, telefonische Anmeldung.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: