Süddeutsche Zeitung

Ausstellung in Bad Tölz:Da lachen nicht nur die Hühner

Der Tölzer KunstSalon zeigt erstmals Karikaturen von Ilka Walter in einer Einzelausstellung. Die Zeichnungen unter dem Titel "OTTbyrds" spießen mal gewitzt, mal böse die Makel der Menschlichkeit auf.

Von Christa Gebhardt

Wer im November angesichts von Dauerlandregen und dichten Nebelschwaden mit Winterdepressionen zu kämpfen hat, dem sei ein Besuch in Ilka Walters Ausstellung im Tölzer Kunstsalon empfohlen. "OTTbyrds - viel Geflatter um nix" heißt die Ausstellung mit den Cartoons der Künstlerin. Der Kunstverein Tölzer Land lädt dazu derzeit in seine Räume in der Markstraße ein. Den "Blues", den einer von Walters schrägen Vögel vorführt, in dem er ermattet platt auf der Fensterbank mit ersterbenden Augen in den tristen grauen Herbsttag blickt, kann man getrost vergessen. Und nicht selten finden sich Besucher der Vernissage beim Betrachten vor einem Cartoon von Ilka Walter wieder, die gemeinsam in spontanes Gelächter ausbrechen.

Die Künstlerin, die nach zwei Gemeinschaftsausstellungen im Kunstsalon nun ihre erste Einzelausstellung hat, wollte mit ihren früheren Cartoons "den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern", gleichzeitig aber wollte sie gerne "ein bisschen böser werden". Beides ist ihr gelungen. Bekannt sind ihre Nestbeschmutzer, Streithennen und Kuckuckskinder. Auf ihren Postkarten sind weiterhin Motive zu sehen, die spitz karikiert die kleinen Makel des Menschlichen thematisieren. Auch auf ihren großformatigen Cartoons sind satirisch scharf momentane Szenen festgehalten, die zum tabuisierten Alltagsbewusstsein gehören, und die durch Ilka Walters treffend feine Zeichnung an die Oberfläche geholt werden.

Es ist oft ein weiblicher Blick: Der Cartoon "Frühlingsfrust" etwa führt in die Umkleidekabine. Da probiert ein Vogelweibchen vor dem Spiegel den neuen gelb und rosa gepunkteten Bikini, über dessen Ränder an sämtlichen Problemzonen die Fettpolster quellen. Ihr entsetzter wie überraschter Blick erhöht die Komik des Moments ebenso wie das Mitgefühl einer betrachtenden Frau, die solche Augenblicke zur Genüge kennt. Oder "Botox am Limit": Ein bis zum Platzen aufgepumpter weiblicher Vogelleib schwebt wie ein Ballon im luftleeren Raum, die Krallenfüße notdürftig mit einem Strick gehalten. Die Augen mit den angeklebten Wimpern sind weit aufgerissen, im Gegensatz zum grotesk aufgespritzten Schnabel, den das Vogelweib deshalb nicht mehr aufbekommt. Das ist fast schon so ein bisschen böse, wie Ilka Walter werden wollte.

Die Künstlerin sagt, sie liebe Vögel einfach. Längst gibt es Hunderte "OTTbyrds", ein Wortspiel aus den englischen Begriffen

"Odd" (seltsam, schräg) und "bird" (Vogel). Sie sind meist kugelrund, ähneln am ehesten Amseln, verwandeln sich aber gerne auch mal in Zwitterwesen wie den "Flegel", eine Mischung aus Fledermaus und Igel, oder in eine neureiche Tussi, abgemagert und teuer angezogen, die ihr einziges Vogeljunges an der Leine spazieren führt. Ihre Ideen bezieht sie aus dem Alltag, aus der Beobachtung der Menschen in ihrer Umgebung, aber auch aus den gesellschaftskritischen Themen der Gegenwart. "Es gibt so viel Blöd-Sinn!" sagt sie, und es ist ihre satirische, aber immer empathisch mitfühlende Art, damit umzugehen.

Der Reichtum ihrer Ideenwelt ist erstaunlich, und wenn sie diese mit Stift und Aquarell aufs Papier bringt, erzählt Ilka Walter nicht nur über den Moment, sondern die ganze Geschichte dahinter. Ihre Werke sind eben nicht einfach nur Comics, sondern scharfsinnige Cartoons, kluge, kunstfertige Satire, zugespitzt, hochgezogen und auf den Punkt. Ilka Walter zielt mit ihren spitzen Stiften nicht nur auf den Alltag, sondern auch auf die Erkenntnis von Krisen in der sozialen und politischen Gesellschaft.

Wörter braucht Ilka Walter für ihre treffsicheren Botschaften nicht, ihre knappen Titel aber offenbaren exakt die Essenz und liefern gleichzeitig den Subtext: In ihrem Cartoon "Klimawandel" zum Beispiel fliegen Vögel wie Ikarus zu nahe an die Sonne heran und stürzen mit versengten Flügeln oder schon zu Brathähnchen verkohlt in die Tiefe.

Man wünscht Ilka Walters schrägen Vögeln eine fruchtbare Vermehrung. Auf ihren Postkarten geschieht dies schon; auch ihre großformatigen Cartoons kann man erwerben, wie ebenso den neuen Adventskalender, voll mit überdrehten Federvieh hinter 24 Türchen. Die Künstlerin bietet, "natürlich umsonst" wie sie betont, an den kommenden Samstagen jeweils von 11 Uhr an Workshops im Rahmen der Ausstellung an, nämlich am 9. November "Komische Körper - erste Schritte zum Aufbau zum Figurenentwurf"; und am 16. November "Ideenkompost - wie entwickle ich ein Cartoon". Mehr Informationen gibt es unter www.ilkawalter.de. Es wird um eine Voranmeldung zu den kostenfreien Workshops per E-Mail an die Adresse post@ottbyrds.

de gebeten. Die Ausstellung von Ilka Walter "OTTbyrds - viel Geflatter um nix" ist noch bis zum 17. November zu sehen im Kunstsalon, Bad Tölz, Marktstraße 6, erster Stock; Öffnungszeiten: freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags von 11 bis 17 Uhr und sonntags von 13 bis 17 Uhr

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4665785
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.