Süddeutsche Zeitung

Ausstellung im kleinen Kursaal:Kunst aus der Gleichberechtigungs-Übungsphase

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Vor zwei Jahren fand sich die Gruppe "Females" zusammen. Nun waren ihre vielfältigen Einblicke in die weibliche Seele erstmals in Bad Tölz zu sehen

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Der kleine Kursaal ist am Wochenende in eine Galerie umfunktioniert: Bilder und Fotografien hängen an den Wänden, liegen am Boden oder auf kleinen Tischen. Von der Bühne dringen ungewöhnliche Klänge, die der Münchner Jazzmusiker und Filmkomponist Friedemann von Rechenberg seinen Instrumenten entlockt: dunkle Töne, die von einer Art Xylofon tropfen, das aus einer Holzkiste und flachen Steinen zusammengebaut ist. Flötenklänge, psychedelische Synthesizermusik - interessant, aber kaum zu hören, denn im Saal wird heftig geratscht. Patrizia Zewe ist in der Stadt, und dann wird aus einer Vernissage fast automatisch ein gesellschaftliches Event. Viele Besucher sind am Freitag gekommen, Frauen wie Männer. Vor zwei Jahren habe sich die Tölzer Künstlerinnengruppe "Females" im Kunstsalon zusammengefunden, sagt Stadträtin Margot Kirste (FWG) bei der Begrüßung. Zwei Ausstellungen in München hat die sechsköpfige Gruppe seither zusammengestellt. Im kleinen Kursaal wurden die beiden unter dem Titel "Lebenszeit" zusammengeführt und ergänzt: Arbeiten von Frauen über Frauen.

Fotografie, Malerei, Druck, Installation - vielfältig sind die Techniken und Themen, die Andrea Meßmer, Jeannine Rücker, Marianne Hilger, Patrizia Zewe, Priska Ludwig und Stefanie Macherhammer präsentieren. Mutterschaft, Mode und Verführung, Wandel und Selbstfindung - unterschiedliche Rollen und verschiedene Lebensstationen werden thematisiert. Denn Frauenleben sind stärker von Brüchen und Wandel geprägt, als die der Männer; Frauen müssen, bedingt durch Mutterschaft oder Pflege, diverse Rollen erfüllen und sich öfter neu erfinden - jedenfalls, solange man sich in einer "Gleichberechtigungs-Übungsphase" befinde, wie Zewe sagt, die vor knapp zwei Jahren nach München gezogen ist. Die Ausstellung wolle tiefe Einblicke in die weibliche Seele liefern. Was die Künstlerinnengruppe aber nicht sein will, macht Zewe deutlich: "Wir sind keine Feministinnen, wir kämpfen nicht gegen Männer." Frauen könnten ihre Weiblichkeit zur Schau stellen und verführen, aber auch ebenso dominant auftreten wie Männer. In Bezug auf die "Me Too"-Debatte fügt sie an: Es gebe auch Frauen, die Männer als Sexobjekte sähen.

Unverkrampft geht denn auch die Ausstellung mit dem Thema um: Etwa in der fotorealistischen Arbeit "Sunflower" von Rücker, das in einem Ausschnitt nur Po und nackte Beine einer liegenden Frau zeigt. Oder eine Serie von Meßmer, die verschiedene Lebensstationen beschreibt: "My way" - Jeans, rote High Heels, ein Koffer - selbstbewusst und sexy wird die Protagonistin präsentiert, als zugewandte Mutter oder ältere Dame mit wachem Blick. In Porträts stellt Macherhammer Frauen aus verschiedenen Zeiten gegenüber: "Marie 1914"; strenger Blick vor Rosentapete, das Kleid hochgeschlossen. Dagegen "Luisa 2018": Lachend, die Beine schlenkern leger in einem Sessel, frei. Interessant ist eine Installation von Ludwig: Fotografierte Ausschnitte von Gesicht und Brüsten einer Leder-Domina. Die voyeuristischen Motive sind hinter einem Metallgitter abgeschlossen. Anfassen verboten? Der Blick der Frau sagt etwas anderes: Lust, die kein Gegenüber braucht. Fröhlich wie in der "Fashionart" von Zewe präsentieren die "Females" ihre Protagonistinnen. Aber auch zweifelnd und unsicher spiegeln sie sich, etwa in der Serie "Zwischenzeiten" in schwarz-weiß-grau von Rücker. Herausragend sind die Lithografien von Hilger: In pulsierenden Rottönen ist eine archetypische Venus an eine geknebelten Frau gebunden. "Verbindungen" heißen Hilgers Arbeiten, die gleichermaßen verstören und fesseln.

Viel gibt es zu sehen und zu hören im Rahmen dieses "Artweeekends", auch eine überraschende Ankündigung: Vielleicht komme sie ja nach Tölz zurück, sagt Zewe, München sei ihr doch zu unpersönlich und kühl. "Ich habe mir heute eine Wohnung in Tölz angeschaut."

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Quelle:
SZ vom 12.11.2018
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