Ausstellung:Flüchtlinge malen und bewältigen so ihr Trauma

Thomas Kilpper stellt in der Wandelhalle in Bad Tölz bewegende Werke aus. Es ist eine Kunst des Überlebens.

Von Petra Schneider

11 Bilder

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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Hussein Salama ist glücklich, dass er in der Wandelhalle malen und zeichnen kann - alles, was er will. Vor eineinhalb Jahren ist der junge Mann aus Syrien geflohen, seit zwei Monaten wohnt er im Jodquellenhof. Hussein hat in Aleppo Architektur studiert. Für die Ausstellung "Flucht und Migration", die am Samstag eröffnet wurde, hat er sechs technisch versierte Zeichnungen beigetragen.

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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Sein Lieblingsbild: Ein König sitzt auf einem Thron, Messer und Gabel in der Hand. Eine nackte Frau kauert unter dem Tisch, ein Kopf ist nicht mehr erkennbar. "Der Diktator saugt sein Volk aus", sagt Hussein. "Flucht und Migration" lautet das Thema der vorletzten Ausstellung der Reihe "HALLE - Politik".

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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Die Ausstellung bespielt das lang gestreckte Gebäude mit Objekten unterschiedlichster Techniken und Formate; so vielfältig wie die Künstler, die hier am Werk waren. Bilder von Flüchtlingen, die noch nie in ihrem Leben gemalt haben, hängen neben Zeichnungen, Linoldrucken, Radierungen und Objekten des renommierten Zeichners und Installationskünstlers Thomas Kilpper.

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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Die Wandelhalle in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Flüchtlingen im Jodquellenhof - diese Situation wollte der in Berlin lebende Künstler aufgreifen. Kilpper, der an der Akademie für Kunst und Design im norwegischen Bergen unterrichtet, nahm Kontakt zu der Tölzer Kunsttherapeutin Maria Demmel auf. Zwei Monate malte und zeichnete sie in wöchentlichen Workshops mit den Flüchtlingen, die im Jodquellenhof und im Camp am Kranzer in Reichersbeuern wohnen. Männer und Frauen aus Afghanistan, Syrien, Nigeria und Eritrea. Es sei nicht sein Anliegen gewesen, "dass Meisterwerke entstehen", betont Kilpper. Die Menschen sollten malen, was sie beschäftigt. Dadurch könnten Traumata bewältigt werden, sagt die Therapeutin Demmel. "Viele leben in einer Zwischenwelt - sind noch nicht angekommen und nicht mehr daheim".

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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Kilpper sieht eher den künstlerischen Aspekt. Er ist begeistert von den Bildern, die etwa Tracy Michael aus Nigeria gemalt hat. "Sie hat keine künstlerische Erfahrung, aber die Großzügigkeit ihrer Bilder beeindruckt mich sehr." Bunt sind die meisten der ausgestellten Werke, manche unvollständig, manche kindlich. Tiere, Pflanzen, Motive aus der Heimat, immer wieder Flaggen.

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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So wie bei Mohamed Saif, der ein fast prototypisches Fluchtbild gemalt hat: Der syrische Machthaber Assad mit brennender Flagge, ein IS-Kämpfer mit Schwert im Rücken. Ein überfülltes Flüchtlingsboot, Ertrinkende. Am rettenden Ufer die deutsche Flagge, die mit offenen Armen winkt.

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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Das spannende an der Ausstellung ist ihre Vielfalt. Denn zwischen die leuchtenden Tempera-Bilder mischen sich dunkle Kohlezeichnungen und Fahnen mit Linoldrucken von Kilpper: Eine Chronologie brennender Flüchtlingsunterkünfte, gezeichnet nach Pressefotos: "Freital 5.11.2015" oder "Bad Oldesloe 4.1.2015". Es soll ein gleichberechtigtes Nebeneinander der verschiedenen Werke sein. Und ein voneinander Lernen auf Augenhöhe.

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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Auf langen Tischen sind Fundstücke ausgestellt. Objekte, die auf der Flucht zurückgelassen wurden, und die der 59-jährige Kilpper im Rahmen seines Lampedusa-Projektes gesammelt hat: Ein Fetzen einer Schwimmweste,...

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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... Handys, Ladegeräte, ein Notizblock mit Telefonnummern, Familienfotos,...

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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... ein eritreischer Führerschein, arabische Marmelade. Die Menschen hätten auf ihrer Reise eine bewusste Entscheidung treffen müssen, "was nehme ich mit, was lasse ich da", sagt Kilpper.

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Quelle: Harry Wolfsbauer

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Die Reise durch die Ausstellung mündet in einem Hafen: Venedig. Ein elf Meter langer Auszug einer preisgekrönten Fotomontage des Frankfurter Künstlers Holger Wüst. Venedig, jahrhundertelang Handelsmetropole und für Wüst ein Sinnbild für Kapitalismus. Die Flüchtlinge kommen nicht mit Schlauchbooten, sondern per Kreuzfahrtschiff, am Bug Karl Marx als Galionsfigur. "Es soll ein selbstbewusstes Kommen sein", sagt Wüst. "Von Menschen, nicht einfach von Massen."

Ausstellung in der Wandelhalle, Ludwigstraße 14, Bad Tölz, 24. April bis 14. Mai, geöffnet jeweils Mittwoch bis Sonntag, 18 bis 20 Uhr.

© SZ.de/schp/dac
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