Ausstellung:Am rauschenden Bach

Bad Tölz war eine Stadt der Mühlen und der Brauereien. An dieses Erbe erinnert eine neue Ausstellung im Stadtmuseum

Von Klaus Schieder

Dichtes Blondhaar, blaue Augen, ein feines Lächeln - Pius Augustus war mit seinen drei Jahren ein hübsches Bürschchen. Dies legt das Porträt aus dem Jahr 1789 nahe, das sein Vater mit nach Tölz brachte. Der bayerische Herzog Wilhelm war damals auf der Durchreise, musste aber über Nacht bleiben, weil es zu regnen begonnen hatte. So wurde es jedenfalls von Generation zu Generation in der Familie Greilinger weitererzählt. Der Floßmeister und herzogliche Holzlieferant Greilinger nahm den Landesvater bei sich auf und erhielt zum Dank dafür das Bildnis von Pius Augustus, dem Pfalzgrafen bei Rhein und späteren Großvater der österreichischen Kaiserin Sissi. Ein prächtiges Geschenk für den Floßmeister. Er gab dem Kupferstich einen wertvollen Rahmen, ließ eine Inschrift anfertigen und setzte es in ein Kästchen aus Eichenholz. "Wie ein Hausaltar", sagt Elisabeth Hinterstocker, Leiterin des Tölzer Stadtmuseums. Der kleine Schrein gehört zu den Exponaten im neuen Themenbereich Mühle, Brauwesen, Floßhandel und Deichelbau, der an diesem Samstag um 15 Uhr eröffnet wird.

Im ersten Stock des Museums wird am Donnerstag noch eifrig gewerkelt. Die Vitrinen präsentieren nur Stromkabel, auf einem Tisch stehen ungeordnet Bierkrüge, alte Landkarten lehnen an der Wand. Hinterstocker macht sich keine Sorgen, dass alles rechtzeitig fertig wird, auch wenn "das Einräumen schon eng getaktet ist". Vor vier Jahren wurde der erste Themenbereich mit Erd- und Menschheitsgeschichte, Flößerei, Kalkbrennerei und Holzverarbeitung in der Neukonzeption des Museums eröffnet. Damals wirkte noch Peter Syr mit, der dann nach Differenzen mit Hinterstocker ausschied. Der Ausstellungsmacher legte seinen Fokus eher auf Inszenierungen, die Museumsleiterin will die Exponate in den Vordergrund rücken. Ein Beispiel dafür ist das Bild von Pius Augustus. "Wir versuchen, spezielle Objekte zu zeigen, nicht das, was es überall gibt, sondern was es nur bei uns gibt", sagt sie. Nach Syrs Abschied arbeitete sie mit dem Gestaltungsbüro "Haslbeck & Schneider" und dem Wissenschaftler Stephan Bammer aus Lenggries weiter. Das Projekt, das die Stadt mit Gesamtkosten von 600 000 Euro veranschlagt, verzögerte sich allerdings. Zunächst musste der Brandschutz im Museum ertüchtigt werden, was viel Zeit verschlang.

Ausstellung: Die Hammerschmiede vom Schloss war eine der 23 Tölzer Mühlen.

Die Hammerschmiede vom Schloss war eine der 23 Tölzer Mühlen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

In einem Nebenzimmer liegt ein langer Holzstamm auf dem Boden. Am hinteren Ende klafft ein kreisrundes Loch, vorne ist er zu einem Kubus geformt. Solche Deicheln wurden zu einer hölzernen Wasserleitung für die Brauhäuser zusammengesteckt, auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als es längst Metallrohre gab. "Es war billiger", sagt Hinterstocker. Das Loch wurde mit einem Bohrer ins Holz gekurbelt, der aussieht wie ein überdimensionaler Korkenzieher. "Wegen der Länge war es schwierig, durch den Stamm zu kommen, man hat von beiden Enden gebohrt und gehofft, dass man sich in der Mitte trifft", erzählt die Museumsleiterin. In der Ausstellung wird die Deichel im Flur über den Köpfen der Besucher an der Decke hängen. Anders geht es nicht im ersten Stock mit seinen engen Dielen und Stuben. "Wir versuchen, den Raum sichtbar zu lassen, das Haus ist ja selbst ein Exponat mit der Überformung durch Gabriel von Seidl", sagt Gestalter Stefan Haslbeck.

Dem Münchner Architekten, der Tölz maßgeblich prägte, ist auch das "Bräustüberl" gewidmet. Nach seinen Vorstellungen von bayerischer Wirtshausgemütlichkeit mit Kachelofen, Holzboden und der Vertäfelung bis zur halben Wandhöhe, allerdings nicht urig-kitschig. "Wir haben Seidls Elemente aufgenommen, aber in abstrahierter Form", so Hinterstocker. Der Kachelofen aus dem Besitz der Brauerei-Familie Faist, die einst im Stadtmuseum wohnte, ist noch nicht da. Aus traurigem Grund: Der Restaurator ist dieser Tage gestorben, weshalb die für Mittwoch geplante Eröffnung verschoben werden musste. Hinterstocker hat auf die Schnelle eine Restauratorin vom Tegernsee gefunden, "die arbeitet nun Tag und Nacht".

Ausstellung: Das Porträt von Pius Augustus, das Floßmeister Greilinger geschenkt bekam.

Das Porträt von Pius Augustus, das Floßmeister Greilinger geschenkt bekam.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Tölz war einmal eine Stadt des Biers. 22 Brauereien gab es in dem kleinen Ort um 1650. Klammerbräu und Hacklbräu, Fagnerbäu und Bürgerbräu, einige hatten auch lustige Namen wie "Pudlbräu". Einen Film über das Brauwesen einst und jetzt hat der Freundeskreis Stadtmuseum für die Ausstellung gedreht. Er zeigt einen Brauvorgang im Tölzer Mühlfeldbräu, aber auch alte Stiche und Schwarz-Weiß-Fotos. Zum Beispiel vom Bürgergarten am Rathaus. Wo heute nur ein paar Parkbänke stehen, gab es um die Jahrhundertwende einen Biergarten mit Tischen und Lauben. Dort hockten nicht irgendwelche Bierdimpfl, auf den alten Aufnahmen sitzen Damen im langen Kleid und mit Sonnenschirm an den Tischen, begleitet von Herren im Anzug, den Zwicker auf der Nase. Den Text dazu spricht Matthias Schwarz in urtölzerischem Dialekt.

Der Name des Pfarrheims Franzmühle kündet davon, dass Tölz auch ein Marktflecken der Mühlen und Sägen war. Sie wurden vom Wasser des Ellbachs oder des Mühlkanals angetrieben. Hessenmühle, Heumühle, Strohmühle, Lodenwalke, Lexensäge - der 1965 gestorbene Heimatforscher Sigmund Egenberger hat sie alle gezeichnet, seine Werke sind in der Schau auf Magnettafeln zu sehen. "16 gab es auf engstem Stadtgebiet, in ganz Tölz waren es 23", sagt Hinterstocker. In der Schmatzermühle wurden sogar koschere Gewürze gemahlen, was darauf hinweist, dass in Tölz auch jüdische Bürger lebten - sonst hätte sich das kaum gelohnt. 1927 brannte die Schmatzermühle ab. "Auf nicht ganz klare Weise", wie die Museumschefin anmerkt.

Ausstellung: Aus Deicheln bestanden die Wasserleitungen der Brauereien.

Aus Deicheln bestanden die Wasserleitungen der Brauereien.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Ein Thema ist auch der Handel auf der Isar, der auf ein paar Objekten beschrieben wird. Von Tölz aus fuhren Flöße mit Kalk, Bier und Schränken nach München, mit Wein aus Italien, Gewürzen und Holz nach Landshut, Wien und Budapest. Personen wurden auf den Wassergefährten ebenfalls befördert, auf langen Reisen stand ein Häuschen auf den Brettern, in dem sich ein Ofen befand. Mit dem Floß kam auch ein Maurersohn aus Bichl zur Zeit der Türkenkriege bis nach Budapest, wo er es unter Prinz Eugen zum Festungsbaumeister brachte. "Das finde ich spannend: Bichl - wie viele Leute hat es da damals schon gegeben", so Hinterstocker.

Die Schau im ersten Stock will sie bis Jahresende um die Sujets Metallverarbeitung, Schmieden, Zinngießerei und Gürtler ausbauen. 2017 ist erst einmal Thomas Mann an der Reihe, dem ein Raum in dritten Stock zusammen mit Seidl und dem Ethnologen Otto Honigmann gewidmet ist. Zum Schluss folgt die zweite Etage mit "Bürgertum und Adel". Das führt zurück zu Herzog Wilhelm. Floßmeister Greilinger sei "richtig stolz gewesen, dass der Landesvater bei ihm war", so Hinterstocker. Aus dem hübschen Pius Augustus wurde später übrigens ein Misanthrop, der Menschen auf offener Straße angriff und schlug. Dem Floßmeister wird's egal gewesen sein.

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