Süddeutsche Zeitung

Aus Wolfratshausen:Digitale Anregungen für analogen Sportspaß

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Der Ex-Skateboard-Weltmeister Tobias Kupfer verlegt sein Gesundheitsförderungsprogramm "Gorilla" ins Internet.

Von Moritz Hackl, Wolfratshausen

Das Büro in Wolfratshausen sieht aus, als wären Kinderträume wahr geworden: Von der Decke hängen Schaukeln, im Foyer steht eine Tischtennisplatte und überall ist - als Plüschtier oder Graffiti - das Maskottchen zu sehen: ein Gorilla. Tobias Kupfer sitzt an seinem Schreibtisch. Auf seinem Computer läuft die Liveübertragung eines Events, bei dem einige seiner Sporttrainer die Arbeit des gemeinnützigen Vereins namens Gorilla vorstellen, der Gesundheitsförderungs- und Bildungsprogramme für Schülerinnen und Schüler anbietet. Immer wieder stellt er seinen Laptop laut. "Es ist einfach so schön, die Jungs mal wieder zu sehen", das sei in der langen Pandemie eine Seltenheit geworden, sagt der Vereinsgründer.

Denn normalerweise sehen sich die Trainer von Gorilla regelmäßig bei ihren Workshops an Schulen, bei denen sie mit den Kindern tanzen, skaten, essen. Ziel der Workshops ist es, den Schülern das Lebensgefühl des Freestylesports mitzugeben: "Wir zeigen den Kids, dass sie einen Körper haben, der sich bewegen will - und wie gut es sich anfühlt, wenn man es tut", fasst Kupfer seine Mission zusammen. Dabei gehe nicht allein um Bewegung, sondern auch um gesunde Ernährung und ein Bewusstsein für die Umwelt. Interessierte Schulen können sich für die Workshops bewerben, die durch die Siemens Betriebskrankenkasse (SBK) finanziert werden und somit für teilnehmende Schulen kostenfrei sind. Für das kommende Schuljahr sind noch zehn Schulplätze frei. Das Gorilla-Programm begleitet die Schülerinnen und Schüler über zwei Jahre und hinterlässt seine Spuren: 82 Prozent der Kinder wollen sich nach Angaben von Kupfer anschließend mehr bewegen, 79 Prozent mehr auf ihre Ernährung achten. 38 Prozent der Teilnehmer fingen nach den Workshops mit einer neuen Sportart an.

Die Pandemie mit ihren Lockdowns, Auflagen, Abständen und dem Wechsel von Präsenzunterricht zu Homeschooling hat sie dabei nicht ausgebremst. Sie haben sich auf die Krise eingestellt: "Wir haben gleich zu Beginn der Pandemie alles digitalisiert", sagt der ehemalige Skateboard-Weltmeister Kupfer. Die Sportler haben Tutorialvideos gedreht und sich Herausforderungen ausgedacht, die die Kinder zu Hause erreichen. "Jetzt gerade läuft zum Beispiel unsere Skill-Challenge", erzählt Kupfer. Dabei können sich Kinder von den Trainingsvideos der Profis inspirieren lassen und selbst aktiv werden: Sie lernen einen neuen Trick mit dem Skateboard, jonglieren mit einem Fußball oder studieren neue Tanzschritte ein, filmen sich dabei und teilen es unter dem Aktionshashtag #letsgoskills auf Sozialen Medien oder laden ihre Videos auf die Gorilla-Website hoch.

"Es ist uns wichtig, die Kinder jetzt nicht alleine zu lassen", sagt Kupfer. "Wir wollen sie dazu motivieren, etwas Neues auszuprobieren, Erfolge zu erleben und sich zu bewegen", betont der Vereinsgründer. Lange hätten sie überlegt, ob sie den Kindern nach einem langen Schultag vor dem Bildschirm noch mehr digitalen Inhalt zumuten könnten. Doch nichts tun sei nicht in Frage gekommen.

Für das kommende Schuljahr hoffe Kupfer und seine Trainer auf mehr Normalität. Sie wollen dann im Oktober wieder auf reguläre Workshop-Tour gehen und haben zudem ein eigenes Hausaufgabenheft konzipiert, das die Schüler mit Inspiration zur Bewegung und Rezepten versorgt. "Man muss vor den Eltern gerade echt den Hut ziehen", sagt Kupfer. "Home-Office und Kinder - das ist alles andere als einfach." Doch er glaube auch daran, dass jede Krise eine Chance für Erneuerung und Verbesserung birgt. Deshalb hofft er, dass die Gorilla-Angebote großflächiger angenommen würden. "Wir können skalieren, aber dafür brauchen wir entsprechende Unterstützung aus der Politik."

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SZ vom 01.06.2021
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