Süddeutsche Zeitung

Aus dem Wolfratshauser Amtsgericht:Mit Gewalt gegen Kinder

Mutter wird verurteilt, weil sie zwei Schüler verletzt haben soll

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Sich aufzuregen und dann gewalttätig zu werden, kann teuer werden. So ging es einer 35-jährigen Mutter aus dem Nordlandkreis. Die Frau wollte im Januar 2018 ihren damals zehnjährigen Sohn von der Grundschule abholen. Als er berichtete, dass er von Mitschülern verprügelt werden sollte, griff die Frau zur Selbstjustiz. Sie soll einen gleichaltrigen Buben geohrfeigt haben. Dessen vier Jahre älterem Bruder soll sie die Finger so verdreht haben, dass die Sehnen verletzt wurden. Dafür wurde die Frau nun am Wolfratshauser Amtsgericht wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 2400 Euro verurteilt.

Die Vorwürfe räumte die Angeklagte weitestgehend ein. Wichtig war ihr aber, ihre Motivation zu erklären. "Ich hatte nicht die Absicht, jemanden zu verletzen", sagte sie. Mit dem gleichaltrigen Mitschüler ihres Sohnes habe sie ursprünglich nur sprechen wollen. Denn er tyrannisiere ihr Kind schon länger, stifte seinen älteren Bruder an, zuzuschlagen. Doch der Bub habe sie nicht einmal angeschaut und gelacht. Daraufhin hätte sie sein Kinn mit der Hand nach oben drücken wollen. "Das hätte ich nicht tun sollen", sagte sie. "In dem Moment empfand ich es als respektlos, dass er mich auslacht." Anschließend habe sein älterer Bruder auf sie eingeschlagen. Daher habe sie dessen Hand weggedrückt.

Allerdings widersprach das den Schilderungen einer Reinigungskraft, die in der Nähe stand. Deren Aussage las Amtsrichter Urs Wäckerlin vor. Demnach hatte die Frau gesehen, wie die Angeklagte den Buben erst angeschrien und dann heftig geohrfeigt habe. "Das Klatschen konnte ich bis zur Bushaltestelle hören", so hieß es im Protokoll. Der Bruder habe nur helfen wollen und sei daher auf die Angeklagte losgegangen.

Um den Kindern eine Aussage vor Gericht zu ersparen, räumte die Angeklagte alle Vorwürfe ein. Richter Wäckerlin las deren Aussagen aber ebenfalls vor. Demnach waren die Kinder schon in der Pause vor der Tat aneinandergeraten. Sie hatten sich um eine zerstörte Schneeburg gestritten. Teils stützten die vorgelesenen Passagen die Schilderungen der Angeklagten, widersprachen diesen aber auch.

In seinem Urteil bezeichnete Richter Wäckerlin einen Streit auf dem Schulhof als alltäglichen Vorgang. Am meisten vertraue er den Schilderungen der Reinigungskraft. Die Frau sei in der Lage gewesen, das Geschehen am objektivsten zu schildern, weil sie keiner der Schülergruppen nahestehe. "Sie bestätigt die Ohrfeige." Damit sei aber nicht erwiesen, dass der Bub durch diesen Schlag laut einem medizinischen Attest einen Hörschaden erlitten habe. Denn die Ärztin habe sich auf einen vier Jahre alten Test gestützt.

In seinem Urteil blieb Wäckerlin mit 80 Tagessätzen unter dem Strafmaß des Staatsanwaltes. Der Vertreter der Anklage hatte 120 Tagessätze gefordert. Die Angeklagte entschuldigte sich. "Man darf Kinder nicht angehen", erklärte sie.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2019
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