Aus dem Gemeinderat:Ickinger Uber-Flieger

Statt Mitfahrbänke zu errichten, wollen die Gemeinderäte eine App entwickeln

Von Claudia Koestler, Icking

Was das Silicon Valley kann, kann das Isartal schon lange. Dachten sich offenbar einige Ickinger Gemeinderäte im Verlauf ihrer jüngsten Sitzung. Und sie müssen es wissen, sitzen doch unter ihnen einige Global Players, die die Verbindung New York - London - Icking und ähnlich kosmopolitische Kombis regelmäßig leben. Denn während in den Kommunen des Oberlands immer mehr sogenannte Mitfahrbänke aufgestellt werden, um die Wege der Landbevölkerung von A nach B individueller zu gestalten, machte ein solcher Antrag in Icking einen geradezu fabulösen Sprung. Statt auf klassische Holzbänke mit Zielschilder setzt die Kommune ganz aufs digitale Zeitalter und will eine App fürs Fortkommen entwickeln. "Das, was man als Uber in New York kennt, aber eben lokal", sagte Georg Linsinger (UBI). "Und nicht kommerziell", fügte Lisa Häberlein (SPD) an.

Ins Rollen hatte die Diskussion Julian Chucholowski (SPD) gebracht mit dem Antrag, im Gemeindegebiet Mitfahrbänke nach Wolfratshauser, Eglinger und Münsinger Vorbild zu errichten. Dies sollte das bestehende Angebot der S-Bahn und des öffentlichen Nahverkehrs erweitern. Er dachte da an acht Standorte, nämlich Dorfen, Attenhausen, Walchstadt, Icking am Sparkassenplatz, am Rathaus und am Schulzentrum sowie Irschenhausen und Holzen. Er habe zwar, räumte Chucholowski ein, noch nicht viele Menschen an den bereits bestehenden Bänken gesehen. Auch er selbst sei noch nicht mitgefahren. Aber er glaube, das sei gerade für Jugendliche nützlich.

Das allerdings sahen andere ganz anders: "Als Zielgruppe auszuschließen sind sicherlich Mütter, die es eilig haben, Erwerbstätige, die es eilig haben, und ausgeschlossen werden sollten ganz klar Jugendliche und Kinder", sagte Claudia Roederstein (UBI). Auch Verena Reithmann (UBI) wehrte sich, aus Sicherheitsgründen: "Ich habe meinen Töchtern nichts anderes gesagt als: Du steigst nicht in ein fremdes Auto." Wie solle sie da jetzt eine Abgrenzung machen? Zudem glaube sie, dass man "gewaltig den Elternbeirat auf den Plan" rufe, wenn eine solche Bank aufgestellt würde.

Nicht das erste Mal übrigens, dass die Kommune ein Bank-Problem hatte. Vigdis Nipperdey (Ickinger Initiative) erzählte bei der Gelegenheit, dass der ehemalige Bürgermeister Hans Stocker Bänke - zum Sitzen, nicht zum Mitfahren - im Gemeindegebiet aufstellen ließ. Das führte Nipperdey zufolge damals zu erbosten Reaktionen aus der Bürgerschaft, ein Anwohner habe etwa geschimpft: "Was ist der Sinn einer Bank? Dass sich Pärchen dort hinsetzen und..." Damit mache sich, so der aufgebrachte Bürger, die Gemeinde an unsittlichen Handlungen mitschuldig.

Zurück zum Antrag: Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) fand schließlich einen "Mini- oder Stadtbus" sinnvoller. "Vor dem Ringbus kommt die App", warf allerdings Otto Güllich (Ickinger Initiative) ein. Die koste in der Nutzung nichts, und das Geld für die Bänke, zwischen 8000 und 9000 Euro, lasse sich stattdessen in die Verbreitung stecken. "Das wäre die aktuellere Lösung", ließ sich Menrad überzeugen, während Güllich die Mitfahrerbänke "sowieso eher als Kunstobjekt" wahrnimmt.

Linsinger wiederum kennt schon Entwickler solcher Apps in Großstädten, das ließe sich auf Icking "runterbrechen". Da wären dann alle Angaben personalisiert, das Sicherheitsrisiko also minimiert. "Eben wie in New York, da drückt man auf einen Knopf, und dann kommt das Auto vorbei." So müsse dann keiner mehr auf dem Land "in Regen und Kälte draußen auf einer Bank sitzen".

Chucholowskis Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. "Weil mich die Idee der App fasziniert", begründete Menrad dies. Für Güllich und Linsinger hingegen hieß es "App dafür", sie werden nun die Möglichkeiten eruieren, und das nicht nur in digitaler Hinsicht, sondern auch interfraktionell.

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