Aus dem Amtsgericht Wolfratshausen:Illegal Strom angezapft

Frau eines Kranken wird zu Geldstrafe verurteilt

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Gegen den Vorwurf, ein Dreivierteljahr lang illegal Strom angezapft zu haben, wehrt sich eine heute 39-jährige Frau aus dem Landkreis: "Ich habe nichts manipuliert", sagt sie in der Verhandlung am Wolfratshauser Amtsgericht. "Ich war es definitiv nicht." Doch ihrer Schilderung, dass ein Mitarbeiter aus Mitleid - ihr Mann ist auf Strom für sein elektrisches Beatmungsgerät angewiesen - den Zähler wieder entsperrt habe, glaubt der Richter nicht. Er verurteilt sie am Mittwoch zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 15 Euro. Zudem muss sie knapp 8300 Euro an aufgelaufenen Stromkosten erstatten. Mit dem Energieversorger stritt die Angeklagte im Vorruhestand schon seit 2014. Damals hatte das Unternehmen laut ihrem Verteidiger erstmals den Strom abgedreht. Doch bald floß dieser wieder. Denn die Angeklagte legte ein ärztliches Attest vor, dass ihr Mann an einer Lungenerkrankung leide. Er sei auf ein Beatmungsgerät zu Mittag und nachts beim Schlafen angewiesen, und das brauche Strom.

Zwei Jahre später war es wieder soweit: Der Energieversorger beauftragte einen Monteur, den Zähler und damit die Stromzufuhr abzuschalten. Die Angeklagte sagt, sie habe sie sich dagegen gewehrt und dem Mitarbeiter das Attest gezeigt. Der Mann habe nur gesagt, dass er den Strom nicht wieder anstellen könne. Sie sei dann aus dem Haus gegangen. "Wie ich später wiederkam, war der Strom an."

Die zuvor verplombten Zähler liefen wieder, als ein Polizist die Anzeige des Energieversorgers prüfte. Er habe nicht feststellen können, dass an dem Gerät manipuliert worden sei, sagte er vor Gericht. Der Ehemann der Angeklagten habe mit dem Beatmungsgerät auf der Wohnzimmer-Couch gesessen. Dieser habe nicht den Eindruck gemacht, noch sehr mobil zu sein.

Meist sind offene Rechnungen der Grund, warum der Strom gesperrt wird. Dann werden Zähler verplombt. Der im vorliegenden Fall beauftragte Monteur schilderte, dass immer wieder jemand die Plombe einfach entferne, doch das sei lebensgefährlich. "Das sind Verzweifelte. Die machen das einfach." Dass er selbst der Angeklagten aus Mitleid den Strom wieder angestellt habe, schloss er aus.

Der Verteidiger forderte Freispruch für seine Mandantin. Der Staatsanwalt hielt die Frau jedoch für schuldig, plädierte für eine Geldstrafe von 2700 Euro. Der Richter halbierte indes das geforderte Strafmaß. Für ihn lag kein Notstand vor, da sich die Angeklagte an den Energieversorger hätte wenden müssen, sagte er. Der Monteur habe ausgeschlossen, den Zähler entsperrt zu haben. Der Mann sei körperlich nicht in der Lage, das zu bewerkstelligen. "Wer hätte es sonst machen sollen", schloss er.

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