Aus dem Amtsgericht :"Prof. Dr. h.c." landet vor dem Richter

Geretsrieder wegen Sozialbetrug und Titel-Missbrauch angeklagt

Von Barbara Briessmann, Geretsried

Mit seinem Verein kümmert er sich angeblich um Arbeitslose, hilft ihnen bei Behördengängen und Anträgen. Dabei hat sich ein 60 Jahre alter Industriekaufmann und Kommunikationswissenschaftler aus Geretsried nach Ansicht der Staatsanwaltschaft allerdings strafbar gemacht: Zusammen mit einem Mandanten soll er das Jobcenter in Bad Tölz um genau 17 460,49 Euro betrogen haben. Außerdem soll sich der Geretsrieder mit einem akademischen Titel geschmückt haben, obwohl ihm dies schon vor zwei Jahren gerichtlich verboten worden war. Alle Vorwürfe stritt der Angeklagte am Montag vor dem Amtsgericht Wolfratshausen ab. Im Gerichtssaal schwadronierte er so lange herum, bis es sogar seiner Verteidigerin reichte.

Die Staatsanwaltschaft legt dem 60-Jährigen zur Last, dass er seinem Kunden zu Sozialleistungen verholfen habe - wohl wissend, dass dieser seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Sein Mandant hätte am Montag ebenfalls auf der Anklagebank sitzen sollen, war der Verhandlung aber unentschuldigt fern geblieben - er muss deshalb nun in Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen die beiden Männer wurde getrennt, der Prozess gegen des 60-Jährigen am Montag somit weitergeführt.

Er habe dem Sachbearbeiter im Jobcenter gesagt, dass sein Mandant in der Schweiz wohne, weil er dort auf der Suche nach einer Arbeit sei, erzählte der Angeklagte. Außerdem habe er dem Klienten eine Bleibe in Geretsried verschafft. Wie die Wohnsitzprüfung durch das Landratsamt ergab, hatte der Mann jedoch in Geretsried weder gelebt noch war er dort je gemeldet. Auch darauf wusste der 60-Jährige eine Antwort: Er habe den Mandanten bei sich gemeldet, wo dieser allerdings höchstens zwölf Mal übernachtet habe. Die Staatsanwaltschaft geht deswegen von einem Scheinwohnsitz aus. Als "Fehlurteil" apostrophierte der 60-Jährige die Entscheidung des Landgerichts München, das ihm 2015 verboten hatte, widerrechtlich einen akademischen Titel zu führen. Das focht den Geretsrieder jedoch nicht an. Er versendete weiterhin Mails mit dem Namenszusatz "Prof. Dr. h. c." im Briefkopf. Als Erläuterung dazu stand am Ende seiner Schreiben "c. Yale university". Eine Täuschung. Wie Recherchen des Kultusministeriums belegten, wurde diese Auszeichnung von einem christlich-amerikanischen Verband von Campingplätzen vergeben - ein Titel, den er in Deutschland niemals hätte verwenden dürfen.

Seine Verteidigung überließ der Angeklagte nicht seiner Anwältin Ulrike Wech, sondern übernahm sie selbst. Er sei nicht zur Rechenschaft zu ziehen, sondern sein Verein, meinte er. Außerdem hätte die Staatsanwaltschaft nie die Unterlagen seiner sozialen Organisation beschlagnahmen dürfen, das sei "illegal" gewesen. Den Titelmissbrauch bestritt er. Gegen das Urteil des Landgerichts habe er damals keine Rechtsmittel eingelegt, "weil mir das wurscht war". Zu dem Titel sei er über den "Onkel aus Amerika" einer Bekannten gekommen, der von seiner Vereinsarbeit begeistert sein soll. Deswegen habe dieser ihm den "Prof. Dr. h. c." geschenkt. Warum er ihn denn benutzt habe, wollte die Staatsanwältin wissen. "Weil wir im Vereinsvorstand der Meinung waren, das würde einen besseren Eindruck machen."

Die Verteidigerin verzichtete auf Fragen an ihren Klienten. Sie forderte, ein Sachverständiger solle medizinisch begutachten, ob ihr Mandant eine "aufgehobene oder verminderte Steuerungsfähigkeit" aufweise. Der Angeklagte willigte ein, auch wenn ihn dieses Ansinnen zu amüsieren schien. Sie wisse nicht, "in welcher Welt" der Geretsrieder lebe, sagte die Anwältin. Er sei "belehrungs- und bewährungsresistent".

Das Amtsgericht beschloss, die Verhandlung gegen beide Angeklagten fortzusetzen, sobald das Gutachten über den Geisteszustand des Geretsrieders vorliegt. Der zweite Angeklagte soll dann aus der Untersuchungshaft vorgeführt werden.

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