Aus dem Amtsgericht:Die Frage nach dem Warum

Aus dem Amtsgericht: Drei Verkehrsteilnehmer gerieten am Walchensee aneinander.

Drei Verkehrsteilnehmer gerieten am Walchensee aneinander.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Streit zwischen Autofahrer und Radler endet vor dem Richter

Von Benjamin Engel, Kochel am See

Warum die Situation so eskaliert ist, versteht keiner mehr. "Es tut mir unendlich leid", sagt der angeklagte Autofahrer. "Das war falsch, aber sicher nicht mit Absicht gemacht." Mitte Juli des Vorjahres war der 52-Jährige mit dem Wagen auf der Bundesstraße 11 am Walchensee unterwegs. Der Maler und Lackierer ärgerte sich, weil zwei Radfahrer vor ihm nebeneinander fuhren. Als er überholte, entwickelte sich ein Streit. Schließlich reduzierte der Mann sein Tempo so stark, dass die Radfahrer scharf bremsen mussten. Einer von ihnen, ein 53-jähriger Ingenieur aus dem Nordlandkreis, stürzte und brach sich die linke Schulter - so massiv, dass er heute noch immer eine Platte mit elf Schrauben unter der Haut hat. Doch am Amtsgericht wurde die Verhandlung gegen den Autofahrer am Montag eingestellt.

Nun soll der Angeklagte jeweils 1500 Euro an den verletzten Radfahrer und die Kreisverkehrswacht zahlen. Auf das Urteil reagiert er erleichtert. "Wenn ich mir einen Vorwurf mache, mache ich mir den, dass ich nicht einfach weitergefahren bin", sagt er. Der Mann schildert, dass er die Radfahrer nicht absichtlich ausgebremst habe. Er sei mit dem Auto einer Bekannten gefahren. Kupplung und Bremse stünden viel enger beieinander als in seinem Wagen. Statt nur zu kuppeln, sei er mit seinen derben Bergstiefeln gleichzeitig auf die Bremse gekommen.

An dem heißen Sommertag Mitte Juli 2018 waren viele Ausflügler am Walchensee unterwegs, wie auch die Radfahrer. Wie der Angeklagte berichtet, sei er 150 bis 200 Meter hinter ihnen hergefahren, ehe er überholen konnte. Dass beide nebeneinander gefahren seien, habe ihn so geärgert, dass er laut gehupt habe. Schon das sei falsch gewesen. Im Rückspiegel habe er zu sehen geglaubt, dass ihm der Begleiter des später verletzten Ingenieurs den "Scheibenwischer" zeigte. Daher habe er das Auto wieder ausrollen lassen. "Der Radfahrer hat zu meiner Fahrerseite aufgeschlossen", erzählt er. "Dann hatten wir ein Wortgefecht." Weil sie in einer Kurve fast in den Gegenverkehr gekommen seien, habe er Gas gegeben. Als er kuppeln wollte, sei er gleichzeitig aufs Bremspedal gekommen.

Noch an der Unfallstelle hatte sich der Angeklagte bei dem verletzten Radfahrer entschuldigt. Nach dessen Operation besuchte er den Ingenieur im Krankenhaus. Durch den Unfall musste der Radfahrer seinen geplanten Sommerurlaub absagen. Die Platte mit den elf Schrauben in der Schulter spüre er ständig, berichtete er. Dass der Angeklagte bestraft werde, wolle er aber nicht. Der Mann habe sich wiederholt entschuldigt, gesagt, nur aus Versehen vom Pedal abgerutscht zu sein.

Kurz bevor er auf die Schulter stürzte, hatte der Ingenieur seinem Begleiter noch zugerufen, man solle mit der blöden Streiterei aufhören. Dann ging alles ganz schnell. Als es bremste, sei er fünf bis sechs Meter hinter dem Auto gewesen, sagte er. Er habe die roten Bremslichter gesehen, panische Angst bekommen und selbst beide Radbremsen betätigt. Dann sei er über den Lenker nach vorne gefallen. "Ich habe nur noch geschrien, warum?"

Als "Krampf" bezeichnet der 53-jährige Begleiter des Verunglückten den Vorfall. Gemeinsam hatten die zwei Radfahrer eine Tour durch das Eschenlainetal zum Walchensee unternommen. Beide waren schon auf dem Rückweg. Der Handelsvertreter schildert, dass sie das Auto auf einmal überholt und direkt neben ihnen gehupt habe. Beinahe hätten es ihn vom Rad gehauen, berichtet er. So laut sei das Geräusch gewesen. Mit dem Finger habe er auf den Autofahrer gedeutet. Dieser sei so langsam geworden, dass er ans Fahrerfenster gefahren sei. Dann hätten sie gestritten.

Für vollkommen überflüssig erklärt Amtsrichter Berger dieses Verhalten. Sein verletzter Bekannter habe ausbaden müssen, weil zwei andere irgendetwas ausfechten wollten, sagt er. Schließlich folgt Berger der Anregung des Verteidigers, das Verfahren einzustellen. Er spricht allerdings von einem Ausnahmefall. Denn er selbst sei auch mit dem Rad unterwegs. Aus seiner Sicht hätte ein Profi bremsen können, ohne zu stürzen. Möglich sei, dass der Autofahrer mit den schweren Stiefeln auf die Kupplung und das Bremspedal gleichzeitig gekommen sei. Autofahrer ärgerten sich oft über Radfahrer und umgekehrt. Aber die Radfahrer seien die Schwächeren. Den Angeklagten mahnt der Amtsrichter, das "Aufmandeln" sein zu lassen.

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