Süddeutsche Zeitung

Auflösung des Rätsels:Erinnerung an erhörte Gebete

Überlebende der Sendlinger Blutweihnacht gaben ein Gemälde in der Heilig Kreuz Kapelle Lenggries in Auftrag.

Von Sabine Näher, Lenggries

Hier kommt die Auflösung zum "Hingucker" aus der Ausgabe von 24./25. März: Eine Art Pilgerweg, der auf einen Hügel hinauf führt und dabei an einen ganz bestimmten Leidensweg gemahnt: Damit ist ein Kalvarienberg gemeint ist. Das zu erraten dürfte nicht allzu schwer gewesen sein. Wer nun aber an denjenigen in Bad Tölz gedacht hat, der lag falsch. Vielmehr geht es um dessen Vorbild, das, bereits 1694 errichtet, der älteste Kalvarienberg im Isartal und einer der ältesten in ganz Bayern ist. Erbauen ließ ihn Graf Ferdinand Joseph von Herwarth, Schlossherr auf Hohenburg, in Lenggries. Wann die ersten Kreuzwegstationen errichtet wurden, weiß man nicht genau, doch ist belegt, dass diese 1856 durch neue aus der Mayerschen Kunstanstalt in München ersetzt wurden. Diese umrahmen den Weg bis heute. Oben angekommen, steht man vor der Heilig Kreuz Kapelle, die 1726 entstand. In ihrem Inneren befinden sich eine heilige Stiege, die der Scala Santa in Rom nachgebildet ist, sowie eine Sammlung von Votivbildern. Da die Bevölkerung in und um Lenggries den Kalvarienberg gerne aufsuchte, um Gnadenbitten auszusprechen, ließ man als Dank für erhörte Gebete Votivtafeln und andere Votivgaben anfertigen. Darunter befindet sich auch ein Gemälde, das an die Sendlinger Mordweihnacht, die auch als Sendlinger Blutweihnacht oder Sendlinger Bauernschlacht bezeichnet wird, erinnert. In der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1705 wurden in Sendling etwa 1100 bayrische Aufständische getötet, die gegen die Besatzertruppen unter dem Oberbefehl des österreichischen Kaisers Joseph I. kämpften. Ein wahnsinniges Unterfangen, da die größtenteils aus kampfunerfahrenen, schlecht ausgerüsteten Bauern bestehenden Reihen der Reichsarmee unterliegen mussten. Doch mit dem Schlachtruf "Liaba bairisch steam als kaiserlich verdeam" und der Behauptung, die kurfürstlichen Prinzen sollten aus München nach Österreich entführt werden, hatte man die patriotischen Gefühle entsprechend angeheizt. Joseph I., der die Residenzstadt München und das Oberland seit Frühjahr 1705 besetzt hielt, hatte durch drastische Steuererhöhungen und drakonische Maßnahmen zu deren Eintreibung allerdings auch alles getan, um sich den Hass der Bauern zuzuziehen.

Nach der Niederlage der Aufständischen gingen die Besatzer mit äußerster Brutalität vor und töteten auch die bereits Entwaffneten, die sich ergeben hatten. Selbst auf dem Friedhof der Sendlinger Pfarrkirche, wohin sich einige in ihrer Todesangst zurückgezogen hatten, soll das erbarmungslose Morden fortgesetzt worden sein. Darauf wurde die Kirche zerstört und Sendling geplündert. Es soll übrigens historisch belegt sein, dass das Blutbad nicht von Österreichern, sondern von einem Würzburgischen Infanterieregiment verübt wurde. Nur wenige Aufständische konnten fliehen und ihr Leben retten. Die Überlebenden aus Lenggries gaben daraufhin die Votivtafel in Auftrag. "Den Namen des Malers kennt man nicht", sagt Johannes Janßen, der Mesner des Kalvarienberges. " Aber im Vergleich zu anderen Tafeln erkennt man, dass es schon ein besserer Künstler war."

Zwei SZ-Leser lösten diesmal das Bildrätsel: Anna Wolf wusste, dass das gesuchte Bild gegenüber dem Eingang über einer hölzernen Tür zu finden ist, genauso wie Karin Beißler aus Geretsried.

Öffnungszeiten der Kapelle: Sonntags von 14 bis 16 Uhr, oder nach Vereinbarung mit dem Pfarramt Lenggries (Tel. 08042/8789) oder der Familie Janßen (Tel. 08042/3696).

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Quelle:
SZ vom 26.03.2016
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