Süddeutsche Zeitung

Aufführung in Wolfratshausen:Nachhaltige Nachtigall

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Wolfratshauser Musikschüler glänzen mit Andersen-Musical unter Leitung von Yoshihisa Kinoshita

Von Anja Brandstäter, Wolfratshausen

"Bitte lass mich in Freiheit leben. Meine Lieder sind in der Natur am schönsten", fleht die Nachtigall den Kaiser von China an. Dem voran gegangen war das Angebot des Kaisers, bei ihm im Palast in einem goldenen Käfig zu wohnen und für ihn zu singen. Zwölf Diener soll die Nachtigall für ihren Gesang bekommen und mit Rubinen und Saphiren beschenkt werden. Die Wolfratshauser Loisachhalle hat sich am Mittwochabend in einen chinesischen Palast samt Gartenanlage verwandelt. Auf dem Programm steht "Die Chinesische Nachtigall", gespielt und gesungen von Schülerinnen und Schülern der Musikschule Wolfratshausen. In dem Musical nach einem Märchen von Hans Christian Andersen regiert der Kaiser von China mit strenger Hand.

Als die Nachtigall in den Palast einziehen soll, sind die Minister strikt dagegen. Doch der Wille des Kaisers wird erfüllt. Schon bald aber ist der wilde, freie Vogel im Palast verstummt. Als jedoch der Kaiser von Japan zu Besuch kommt und ein großes Gastgeschenk im mitbringt, sind alle Feuer und Flamme. Es ist eine künstliche Nachtigall zum Aufziehen. "Lieblich, entzückend, beglückend" nennen die Minister begeistert das Objekt. Und praktisch ist es auch noch: "Wenn man es nicht mehr braucht, dann weg damit", sagt der Kaiser von Japan. Die echte Nachtigall wird aus dem Palast gescheucht, die künstliche zieht ein. Das chinesische Volk tobt vor Wut und streikt mit großen Transparenten. Darauf ist zu lesen "Zurück zur Natur" und "There is no Planet B" - à la "Fridays for Future".

Nach Ablauf der Garantiezeit ist die künstliche Nachtigall dann auch kaputt. Die echte hat längst die Staatsgrenze überflogen, als sich der Kaiser von China besinnt und sie zurück wünscht. Erst am Sterbebett im Zwiegespräch bereut er seinen Hochmut. Wenn er doch nur noch ein Jahr Zeit bekäme, um all seine Fehler wieder gut zu machen. Und plötzlich kehrt die Nachtigall zurück, singt für den Kranken, der dabei wieder gesund wird.

Das Stück thematisiert mit viel Witz und Aktualität die moderne globalisierte Welt. Der ersten Aufführung um 17 Uhr in der ausverkauften Loisachhalle folgt fast gleich im Anschluss eine weitere. Bemerkenswert ist die Rolle der Nachtigall, die von Fiona Fiedler und später von Loa Magàn gesungen wird. Beide Vorstellungen sind in allen auf der Bühne agierenden 17 Rollen unterschiedlich besetzt. Besonders anspruchsvolle Rollen haben Pepina von Kracht und Charlott Kunschke als kaiserliche Palastgärtner "Cheng", sowie Amelie Schuricht und Emily Falkner als "Chang". Sie übernehmen die Prologe vor den drei Akten und drücken "Volkes aufgebrachte Stimme" aus. Die Rolle des strengen Kaisers von China spielen Alina Glas und Jannis Hobler. Raphael Klaus und Anna Eversmeyer übernehmen den Part des arroganten Kaisers von Japan. Den frustrierten Haushofmeister verkörpern Nina Strufe und Samiha Alstetter. Den klugen Gemüsehäcksler Muli Nechs meistern Luzia Roeckl und Franziska Lauffs und den Vorstandsvorsitzenden spielen Isabella Jellema und Charlotte Beiter.

Orchester und der Chor positionieren sich vor der Bühne. Mehr als 150 Mitwirkende sind an dem großen Spektakel beteiligt. Davon singen etwa 80 Kinder im Wolfratshauser Kinderchor von Yoshihisa Kinoshita, der die Gesamtleitung innehat. Im Orchester spielen etwa 30 ausgezeichnete Musiker das jazzige Musical von Andreas Schmittberger, das Emanuel Schmidt für die Musikschüler bearbeitet hat. Die Musik geht ins Ohr, mal rockig, mal folkloristisch.

Mit tosendem Applaus dankt das Publikum den Schülern, die an diesem kurzweiligen Abend ihr erstaunliches Können gezeigt haben. Dafür haben sie seit Ostern geprobt. "Ich bin voller Bewunderung für Euch Kinder", sagt zum Schluss Yoshihisa Kinoshita.

Ausschnitte des Musicals werden bei einer Matinee auf dem Wolfratshauser Flussfestival gezeigt, und zwar am Sonntag, 21. Juli, von 11 Uhr an

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Quelle:
SZ vom 19.07.2019
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