Aufführung in Bad Tölz:Schwarze Magie im Koselbruch

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Das Gabriel-von-Seidl-Gymnasium und die Musikschule Bad Tölz zeigen Otfried Preußlers "Krabat" als Tanztheater. Die fast dreistündige Aufführung verbindet Schauspiel, Musik, Tanz und Akrobatik zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk auf beinahe professionellem Niveau

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Die Sommerferien sind in Sichtweite, aber ehe sich die Schultüren schließen, geht noch einmal der Vorhang auf. Die Großproduktionen des Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums und der Musikschule Bad Tölz haben in den vergangenen Jahren für viel Bravo gesorgt: Das war bei Momo so, beim Hexenmeister, bei Anatevka und das gelingt auch beim Tanztheater Krabat, das am Mittwoch Premiere im ausverkauften Kurhaus feiert. Denn was die Schüler und Schülerinnen in der fast dreistündigen Inszenierung zeigen, geht wieder weit über eine Schulaufführung hinaus. Schauspiel, Musik, Tanz, Licht, Akrobatik verbinden sich zu einem Gesamtkunstwerk auf beinahe professionellem Niveau.

Perfektes Zusammenspiel: Die Inszenierung setzt die strenge Schönheit des Romans mit weißen Gesellen, schwarzen Raben, einem aufs Wesentliche reduzierten Bühnenbild und passenden Lichteffekten gut um. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Wie viel Arbeit in einer solchen Großproduktion steckt, wie viele Stunden die 130 Mitwirkenden und ihre zehn Lehrer unter der Gesamtleitung von Eva Emmler, Susanne Molendo-Ostermeier, Stefanie Regus, Harald Roßberger und Christina Strobel in der Turnhalle und in Probenräumen verbracht haben, mag man sich kaum vorstellen. Das Tanztheater sei eine Gemeinschaftsleistung, sagt Emmler. "Jeder der mitmachen möchte, kann mitmachen". Aufgaben vor und hinter der Bühne habe es genügend gegeben - und wenn es nur darum ging, 450 Säcke mit Stärkepops zu füllen, die in der Inszenierung als federleichte Mehlsäcke dienen.

Die zum Teil erst 15-jährigen Schauspieler, Musiker und Tänzer überzeugen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Denn Schauplatz des vielfach ausgezeichneten Jugendromans von Otfried Preußler ist die Mühle im Koselbruch. Dort verdingt sich der 14-jährige Waisenjunge Krabat (Linus Braun) als Geselle. Er schwört dem Meister (Benedikt Wittmann) Gehorsam, freundet sich mit Tonda (Finn Wöllenweber) und dem vermeintlich dummen Juro (Hellena Bigos) an und wird, wie seine elf Mitgesellen, in der Kunst der Schwarzen Magie unterrichtet. Es ist das klassische Motiv des Teufelspakts, das Preußler in seinem Roman verwendet: die verführerische Macht magischer Kräfte, erkauft um den Preis der Freiheit und des Lebens. Nur die Liebe eines Mädchens (Charlotte Rein) kann Krabat retten. Der 1971 erschienene Roman besticht durch seine einfache Sprache, die fremde, oft düstere Atmosphäre und die Reduzierung auf existenzielle Konstanten: Liebe und Tod, Macht und Menschlichkeit, Gefangenschaft und Freiheit. Schwarze Magie wirkt hier, nicht Hokuspokus und Hex Hex, der Duktus des Romans ist von strenger Schönheit.

130 Mitwirkende und zehn Lehrer bringen das dunkle Märchen "Krabat" in Tölz auf die Bühne (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Inszenierung setzt das wunderbar um: ein einfaches, aber eindringliches Bühnenbild, bei dem ein Mühlrad auf Leinwand dominiert, das sich manchmal wie von Zauberhand dreht; verschiedene Ebenen durch ein Gerüst mit Leiter, gestapelte Mehlsäcke. Farben gibt es kaum. Nur weiße Müllerburschen, die sich beizeiten in schwarze Raben verwandeln. Die Musik, für die Roßberger eigens ein elfköpfiges Ensemble zusammen gestellt hat, ist fremdartig, mal tänzerisch, mal gefühlvoll, mal verschmitzt. Beim Tanz der Raben etwa hat sich Choreografin Susanne Molendo für die Titelmelodie aus dem Kultwestern "Spiel mir das Lied vom Tod" entschieden. Träume, die im Roman ein große Rolle spielen, werden als Tanzszenen inszeniert, ebenso die Kunst des Aus-sich-Herausgehens, einfühlsam begleitet von Cello und Klavier. Musik und Licht unterstreichen die Stimmung der Szenen perfekt: Kaltes Licht in der Mühle, blutrot, wenn der Gevatter auf dem Hof auftaucht. Lebendig-grün bei der humoresken Szene mit dem Ochsenblaschke. Warm und golden, wenn die Kantorka ihre kleine Melodie singt, die sich leitmotivisch wiederholt.

Die zum Teil erst 15-, 16-jährigen Schüler spielen ihre Rollen einfühlsam und temperamentvoll, aber nie überzeichnet. Allen voran Benedikt Wittmann: Ruhig und müde wirkt sein Meister, nüchtern und fatalistisch. Denn er ist selbst Gefangener in diesem perfiden Spiel, das sich nicht in einfachen Schwarz-Weiß-Kategorien fassen lässt. Wittmann spielt das mit solcher Reife, dass man nicht glauben mag, dass sich unter der grauen Perücke ein Elftklässler verbirgt. Im zweiten Teil nach der Pause haben die Tänzer mehr Gelegenheit, ihr Können zu zeigen. Die Akrobaten unter Leitung von Christian Penzholz wirbeln über die Bühne oder bauen sich zu waghalsigen Hebefiguren auf. Paartänzer drehen sich in bunten Kostümen beim Jahrmarkt. Auf ein furioses Finale wird in der Inszenierung verzichtet. Ganz leise verlassen Krabat und die Kantorka Bühne und Saal. Auch die Zuschauer müssen sich erst fassen - dann bricht tosender Applaus los.

Dritte und letzte Vorstellung am Freitag, 19. Juli, 19.30 Uhr, Kurhaus Bad Tölz

© SZ vom 19.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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