Sachsenkam:Stadtwald auf dem Dorf

Sachsenkam Aufforstung

Auf dieser grünen Wiese in Sachsenkam will die Stadt München einen Wald anpflanzen. Im örtlichen Rathaus findet man das unsinnig - weil landwirtschaftlich nutzbare Flächen ohnehin schon knapp sind und wegen Wiesenbrütern wie der Feldlerche, die dort zu Hause sind.

Die Stadt München will pro Jahr 100 000 Bäume pflanzen - und weicht dafür auf ihre Besitztümer im Umland aus. In Sachsenkam, wo knapp fünf Hektar Wald entstehen sollen, stößt dieser Plan auf wenig Verständnis.

Von Petra Schneider

Die Metropolregion München wächst laut aktueller Prognosen bis zum Jahr 2035 um 300 000 Menschen. Das bedeutet: Mehr Wohnungen, mehr Straßen, Kitas, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten müssen geschaffen werden. Was in derart verdichteten Gebieten dann kaum mehr wachsen kann, sind Bäume. Weil sie aber wichtig für das Klima und die biologische Vielfalt sind, hat der Münchner Stadtrat im Januar 2020 beschlossen, 100 000 Bäume pro Jahr zu pflanzen. Bis Ende 2025 soll die halbe Million also voll sein. Ein Vorschlag, der im Münchner Stadtrat einhellig Zustimmung fand. Im Gemeinderat in Sachsenkam dagegen nicht.

Sachsenkam? Nun, dort sollen die Münchner Beschlüsse teilweise umgesetzt werden. Auf der grünen Wiese soll ein Wald gepflanzt werden, genauer gesagt zwei: Angedacht ist eine 2,7 Hektar große Fläche an der Parkbucht beim Einstieg zur Langlaufloipe an der B 13 sowie 1,9 Hektar im Osten Richtung Piesenkam, zwischen Gewerbegebiet und Golfplatz. Die Flächen gehören seit Jahrzehnten der Stadt München und sind an zwei Sachsenkamer Landwirte verpachtet. Dort sollen nun die Wälder entstehen, für die in München kein Platz ist. Die Sachsenkamer allerdings halten von der Idee nicht besonders viel.

Bürgermeister Andreas Rammler (CSU/Unabhängige Wählerschaft) zählt diverse Gründe auf, die aus Sicht der Gemeinde dagegen sprechen: Hochwertiges Grünland, das für die regionale Lebensmittelerzeugung wichtig ist, würde wegfallen. "Landwirtschaftlich nutzbare Flächen sind knapp in der Region", so Rammler. "Wir können den Bauern nicht sagen, dann nehmt halt eine andere Wiese." Außerdem würde das Landschaftsbild verändert, denn inmitten von Wiesenflächen entstünden "zwei viereckige Bauminseln", sagt der Bürgermeister. "Das würde total seltsam aussehen", weil sie weder eine Lücke schließen würden, noch an einen bestehen Wald angebunden wären. Die vielen Bäume würden sich auch negativ auf benachbarte Grünflächen auswirken, weil durch Schattenwurf und Laub "das Gras, das als Grünfutter verwendet wird, nicht mehr so gut wächst." Außerdem müsste der Verlauf der beliebten Langlaufloipe an der B 13 geändert werden, die über eines der Grundstücke verläuft.

Rammler formuliert die Bedenken sachlich, er will offenkundig nicht der Polterer vom Land sein, der gegen die Städter wettert. Aber für ihn rieche die Aktion schon ein bisschen nach Klima-Aktionismus. "Da wird ein Beschluss gefasst - und erst in einem zweiten Schritt überlegt man, wo pflanzen wir die Bäume jetzt hin?" Und damit keine Missverständnisse aufkämen, schickt er hinterher: Klimaschutz sei ein wichtiges Thema, "Wald und Bäume, alles gut, da gibt es null Kritikpunkte", betont der Bürgermeister. "Aber halt nur da, wo es Sinn macht."

Sachsenkam: Kein Interesse an "viereckigen Bauminseln": Sachsenkams Bürgermeister Andreas Rammler.

Kein Interesse an "viereckigen Bauminseln": Sachsenkams Bürgermeister Andreas Rammler.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Gemeindeverwaltung hat eine Stellungnahme mit den Einwänden formuliert, die der Sachsenkamer Gemeinderat einstimmig, mit den Stimmen der beiden Grünen, bestätigt hat. Die städtische Forstverwaltung München teilt auf Anfrage mit, dass man die Bedenken "angesichts des städtischen Pilotprojekts und der daraus resultierend ungewohnten Situation" verstehe, weist jedoch auf den wissenschaftlich belegten Nutzen von Aufforstungen im Hinblick auf die Kohlendioxid-Speicherkapazitäten hin. Bereits bei seiner Beschlussfassung habe der Münchner Stadtrat explizit vorgesehen, wegen der Flächenknappheit die Pflanzungen nur zu einem kleinen Teil innerhalb des Stadtgebiets vorzunehmen und Flächen im Umland aufzukaufen. Aktuell stehe man mit fünf Eigentümern in Verhandlungen, erklärt Maren Kowitz, die Pressesprecherin des zuständigen Münchner Kommunalreferats. Heuer wurden laut städtischer Forstverwaltung bereits knapp 25 000 Bäume innerhalb und außerhalb des Stadtgebiets gepflanzt, unter anderem in Hohenlinden, in der Moosschwaige und im Sendlinger Wald. Ein Hektar Fläche reicht dabei für rund 10 000 Bäume.

Im Herbst sind weitere Erstaufforstungen geplant. Beim Kommunalreferat, das den Stadtratsbeschluss umsetzen muss, hofft man auf eine "Lösung auf sachlicher Ebene" mit Sachsenkam. So ließe sich etwa das Problem mit der Loipe leicht lösen, weil die dafür benötigte Teilfläche auf dem Flurstück an der B 13 aus Sicht der städtischen Forstverwaltung frei bleiben könnte. Problematisch dürfte freilich der Umstand sein, dass auf einer Nachbarfläche ein Wiesenbrütergebiet nachgewiesen wurde. Inwieweit sich ein neuer Wald auf die Vögel auswirken könnte, müsse das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen prüfen. Das Münchner Kommunalreferat betont aber: "Eine Aufforstung schafft Strukturen, die sich im Allgemeinen sehr positiv auf die Artenvielfalt auswirken."

Beim Tölzer Landratsamt sieht man den Antrag der Stadt München "durchaus kritisch", sagt Pressesprecherin Marlis Peischer. Denn nachweislich befänden sich in einem Bereich Lebensräume von Feldlerchen. Die Wiesenbrüter bräuchten genügend Abstand zu Wäldern. "Wenn der schrumpft, weil ein neuer Wald entsteht, wird der Lebensraum der streng geschützten Vogelart eingeschränkt", erklärt Peischer.

Eine negative Bewertung durch das Landratsamt könnte den Aufforstungsplänen in Sachsenkam den Boden entziehen. Denn das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Holzkirchen, das die Entscheidung fällen muss, braucht das Einvernehmen der Kreisbehörde. "Wenn die Untere Naturschutzbehörde nein sagt, dann wird das ein Nein", erklärt Christian Webert, Bereichsleiter Forsten beim AELF. Noch aber läuft die Prüfung. Webert rechnet Mitte August mit einer Entscheidung.

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