Süddeutsche Zeitung

Auf der Bühne:Sorum und anders

Ulla Haehn von der Komischen Gesellschaft zeigt mit ihrem Inklusionstheater, wie wichtig Vielfalt ist

Von Veronika Ellecosta, Geretsried

Die Bühne wird zur Spielwiese der einen. Sie nennen sich Sorum und ihre Freunde, werfen sich Bälle zu und tanzen im Kreis. "Wir sind sorum, ihr seid anders. Wir wollen nicht, dass ihr mit uns spielt", sagt Veronika Seebauer alias Sorum in bunter Hose und weißem Shirt zu Florian Keindl, dem Anders, und schließt ihn und seine Freunde aus dem fröhlichen Treiben im Park aus. Es kommt zum Tumult, Mauern werden gebaut, die Freundesgruppen um Sorum und Anders grenzen sich voneinander ab.

Vor der Bühne steht Regisseurin Ulla Haehn und dirigiert die Schauspieler auf der Bühne. Bei der Generalprobe muss schließlich alles passen, der letzte Feinschliff getätigt werden. "Aber der Spaß steht über dem Perfektionismus", sagen die Schauspieler. Und Ulla Haehn sagt, dass die Darsteller oft ohne den Druck, frei sprechen zu müssen, ihren Text frei rezitieren können. "Den Menschen hier gebührt Respekt."

Gewöhnlicherweise macht Ulla Haehn mit der Komischen Gesellschaft Theater. Bereits zum vierten Mal in Folge leitet sie nun ein inklusives Theaterprojekt gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Menschen mit Behinderung. "Sorum und Anders" heißt die diesjährige Aufführung, inszeniert von Menschen mit und ohne Behinderung. Als Vorlage gilt das gleichnamige Kinderbuch von Yvonne Hergane und Christiane Pieper. Das Kinderbuch will die Vielfalt feiern, die Vielfalt liebt auch Haehn: "Wichtig sind Momente, wo man auch mal anders sein darf", sagt sie. "Die Neugier für das Andere, das Lernen und die Vielfalt." Viele Szenen hat die Regisseurin gemeinsam mit den Schauspielern entwickelt. Ausgrenzung und Mauern erlebten in ihrem Alltag alle, jeder Mensch sei auf seine Weise eingeschränkt, sagt die Regisseurin. So ist der Sprechtext im Theater aus persönlichen Ideen und Erfahrungen heraus entstanden.

Von Buntheit und Vielfalt erzählt auch die Schlussszene: "Das Einzige, was wirklich zählt, ist, dass wir alle gleich viel wert sind. Dann können wir auch anders sein", sagt ein Freund von Anders. Mit der erleichternden Erkenntnis fallen auch die Mauern. Die Schauspieler schlüpfen in bunte Kleider, rote Mützen mit weißen Punkten auf dem Kopf, gefleckte Umhänge um die Schultern und rosa Pantoffeln an den Händen. Sie halten sich an den Händen, zelebrieren ihre Andersartigkeit. In ihrer Theatergruppe seien alle voller Begeisterung mit dabei, sagt Haehn. "Wenn man Menschen mit Behinderung nicht unterschätzt und nicht mit Vorurteilen begegnet, bekommt man viel Wertschätzung zurück", fügt sie hinzu. "Unsere Aufgabe ist es, an den Respekt zu erinnern und nicht alle immer in eine Schublade zu stecken."

Auf der Bühne werfen die Schauspieler ihre bunten Mützen in die Luft und umarmen sich für den Applaus. Jetzt heißt es nur noch, das sich Verneigen zu üben. In den vergangenen vier Jahren hat die Theatergruppe viel Zuspruch erfahren. Das Selbstbewusstsein werde durchaus größer, sagt Haehn, und mittlerweile sei es auch nicht mehr so schwierig, nicht-behinderte Schauspieler für das Inklusionsprojekt zu gewinnen.

"Für uns gibt es nichts Perfektes, nur Variationen", sagt Darstellerin Regine Köhl begeistert, als sich die Gruppe im Sitzkreis wiederfindet, um eine letzte Vorbesprechung abzuhalten. Die Generalprobe ist zu Ende, jetzt beginnt der Spaß am Ernst erst richtig.

"Sorum und Anders", Sonntag, 7. Juli, 14 Uhr, Petruskirche Geretsried; Mittwoch, 10. Juli, 18.30 Uhr, Maria Hilf Geretsried; Samstag, 20. Juli, 19 Uhr, Pfadfinderheim; Sonntag, 21. Juli, 13.30 Uhr, Pfarrsaal Heilige Familie Geretsried, Eintritt frei

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SZ vom 04.07.2019
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