Auf der Bühne:Gefühlt - gespielt

Auf der Bühne: Zufällige Menschenansammlung: Eine Bushaltestelle ist die Kulisse für das Theater des Projekts "On Stage".

Zufällige Menschenansammlung: Eine Bushaltestelle ist die Kulisse für das Theater des Projekts "On Stage".

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Jugendliche setzen sich im Theaterstück "Der Halt" mit eigenen Fragen an das Leben auseinander

Von Nora Schumann, Bad Tölz

Verena Pecks Augen leuchten vor Begeisterung, voller Freude und Aufregung hüpft sie leicht auf und ab. "Ich bin mega stolz", sagt sie. Dazu hat die gelernte Theaterpädagogin bei der Premiere von "Der Halt" im Betriebshof der Stadt Bad Tölz allen Grund. Elf Jugendliche führen hier, pädagogisch betreut von Christian Obermaier, die Premiere eines Theaterstücks auf, das in der Konzeption und Umsetzung seinesgleichen sucht.

Im Betriebshof ist es kühl, metallene Regale mit schweren Lastwagen-Reifen ducken sich unter die hohen Decken der großen Halle. Die Bühne ist rudimentär gehalten, der Backstage-Bereich ist durch einen Bauzaun abgetrennt, an dem eine Stoffbahn befestigt ist. Die rund 50 Zuschauer sitzen auf einer Tribüne im Dunkeln. Dann wirft ein Scheinwerfer sein Licht auf die Bühnenszenerie. Elf Personen stehen und sitzen dort, das Bühnenbild besteht lediglich aus einer Bank, einem Mülleimer und einem Haltestellenschild. Sie warten auf einen Bus, der letztlich nie kommt, und sprechen im Chor aus, was auf das Warten folgt: "Die Gedanken gehen auf Reisen." Die Premiere von "Der Halt" zeigt eindringlich, wie einfühlsam und kreativ junge Menschen sich mit den großen Fragen des Lebens beschäftigen können: Was macht uns Menschen aus, und was unterscheidet uns?

Von außen sieht die Gruppe aus wie eine zufällige Ansammlung von Menschen, die man alltäglich an irgendeiner Haltestelle antreffen könnte. Da gibt es die ewiggestrige Seniorin, die pubertäre Teenagerin, die daueroptimistische Öko-Tante oder den geschniegelten Geschäftsmann. Nach und nach wird jeder der Wartenden im wörtlichen sowie im übertragenen Sinn beleuchtet. Die Jugendlichen spielen ein oder zwei Szenen aus dem Leben einer fiktiven Person und geben den Zuschauern damit Einblick in Konflikte, Probleme und Beweggründe der Protagonisten.

So wird die Verzweiflung des gemobbten Dicken in stampfende Bässe übertragen, bevor ihn seine Gedanken in Gestalt von schwarzen Figuren mit weißen Masken heimsuchen und umkreisen. Sie flüstern ihm ein, er sei zu fett und hässlich, nur eine der Gestalten ermutigt ihn, nicht aufzugeben. Diese positiven Gedanken helfen dem Jungen, durch Sportübungen sich seines Bauchs zu entledigen. Am Schluss boxt er auf die üblen Gedanken wie auf einen Boxsack ein - harte Beats im Hintergrund. Die Wut des ewig Ausgegrenzten liegt greifbar in der Luft.

Die Schauspieler haben sich ihre Rollen selbst ausgedacht und erarbeitet. "Ich habe sie Geschichten aufschreiben lassen, was sie besonders stolz macht oder was ihnen Angst macht", erzählt Verena Peck. "Das haben wir dann vermischt und anonymisiert, und jeder konnte einen Hauptcharakter darstellen." Die daraus resultierende Authentizität der Jugendlichen ist eine der Stärken des Stücks. Einige von ihnen haben zuvor noch nie Theater gespielt, aber alle spielen sie mit einer entwaffnenden Offenheit und Integrität. Die Figuren wirken in keinem Moment platt. Und es gelingt den Jugendlichen, die Zuschauer gewitzt und mit feinem Humor zu erheitern, ohne dass es angestrengt wirkt.

Auch die technische Umsetzung des Stücks ist beeindruckend. Licht- und Tontechnik bedienen sich moderner Ideen - Sprachaufnahmen und Handy-Chats über einen Beamer inklusive. Einsamkeit, Diskriminierung, Schmerz, Liebe, Freude, Überforderung, all das weben die Schauspieler so rührend und intensiv in ihre Figuren ein, dass Peck am Ende nur bleibt, sich herzlich zu bedanken: "Ihr seid's die Besten." Die Zuschauer antworten mit donnerndem Applaus und stampfenden Füßen.

Weitere Aufführungen: Mittwoch und Donnerstag, 10. und 11.April, 19 Uhr, Betriebshof Bad Tölz, Dietramszeller Straße 32, Kartenvorverkauf unter Telefon 08041/33 52

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