Süddeutsche Zeitung

Auf dem Blomberg:Nirvana und bayerischer Himmel

Der indische Puppenspieler Rajesh Gurjargour aus Jaipurhat gemeinsam mit Wolfgang Ramadan als Impresario ein Stationenstück inszeniert.

Von Christa Gebhardt

Der Impresario hat Sinn für großartige Kulissen: In Schlederloh hat der Poet und Produzent Wolfgang Ramadan seinen idyllisch-prächtigen Wohnsitz, und dort, am Hochufer mit Blick auf Isartal und Berge, inszeniert er gerade eine Privatvorstellung mit dem indischen Puppenspieler Rajesh Gurjargour aus Jaipur. Der zarte Mann in seiner weißen, mit Goldfäden durchwirkten Kurta und dem traditionellen, farbenfrohen Turban stellt gerne seine handgemachten Marionetten vor und lässt sie kunstfertig tanzen, jonglieren und magische Tricks vollführen. Hinter ihm ragt in der Ferne, von schwarzen Gewitterwolken umhangen, die Benediktenwand auf.

Der barocke Produzent und der zierliche Puppenspieler, der zur Zeit Ramadans Stationenstück "Pension Nirvana" auf dem Blomberg bereichert, haben sich in Indien kennen gelernt. Rajesh Gurjargour, eine kleine Berühmtheit unter den vielen konkurrierenden Puppenspielern in Jaipur, hat gegenüber dem ehemaligen Maharadscha Palast sein eigenes Puppentheater und einen gut gehenden Laden. Ramadan fand, sein Freund könne hier in Deutschland mit seinem Puppentheater viel Geld verdienen. "Zu viel Stress", beschied Rajesh, das interessiere ihn nicht. Er und sein Sohn Raghav haben zwar große Freude daran, an Ramadans Theaterprojekt mitzuwirken, außerdem will Rajesh seinem Jüngsten ein wenig von der weiten Welt zeigen. Bayern ist beiden allerdings noch reichlich fremd. "Wie von einem anderen Planeten" sei Rajesh, findet Wolfgang Ramadan. Dessen ungeachtet ergänzen sich beide: Während der Impresario die kraftvolle künstlerische Attacke liebt, strahlt der freundliche Inder Gelassenheit und meditative Langsamkeit aus. Am liebsten würde er in Ramadans Stück alle 56 Charaktere seines Puppenensembles zeigen, muss sich aber auf wenige und für das bayerische Publikum verständliche Rollen beschränken.

Erstaunlich zu sehen, wie geschickt er mit den Fingern seine Marionetten zum Leben erwecken kann, mit nur wenigen Fäden. So kann die Prinzessin kokett mit Bällen spielen und jonglieren. Rajeshs Lieblingspuppe , die Tänzerin in Rajasthani- Tracht, führt den indischen Tanz mit den typischen Gesten und Hüftschwüngen vor, der Magier wirft den eigenen Kopf in die Luft, um ihn dann mit Händen und Füßen zu balancieren.

Eine Besonderheit ist auch der "Snake Charmer", der Schlangenbeschwörer, der den Flirt, aber auch den Kampf mit der Kobra zeigt. Im wirklichen Leben kommt in Udaipur der Snake Charmer zu den Familien nach Hause, um die überall verbreiteten Nayas aus dem Heim zu locken.

Dem indischen Publikum sind die Charaktere der Puppen vertraut und sie kennen die Lieder, die das Spiel untermalen. Trommel und Gesang sind Raghavs Aufgabe, er sei gerade im Training, sagt sein Vater. Die Kunst des Puppenspiels wird von Generation zu Generation weitergegeben.

Im Stück "Pension Nirvana" sind Rajesh und sein Sohn durchgängig präsent. Sie sollen mit ihren Puppen den toten Helden ins Nirvana locken und die Zuschauer vor die Wahl stellen, wohin sie wollen: Ins bayerische Paradies mit Bier und Manna oder doch lieber ins indische Nirvana, das den Austritt aus dem Samsara, dem Kreislauf des Leidens und der Wiedergeburten verheißt, mit der Aussicht auf ein Erwachen, auf ein Erlöschen und Verwehen im Sinne des Endes aller mit falschen persönlichen Vorstellungen vom Dasein, von Illusionen vom Ich, von der Gier, dem Anhaften, der Wut.

Rajesh Gurjargour und seine Puppen treten in Wolfgang Ramadans "Pension Nirvana" jeden Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag im Juli und im August bei gutem Wetter auf. Nähere Informationen unter www.naturschauspiele-blomberg.de. Rajesh Gurjargour gibt außerdem am Mittwoch, 27. Juli, im Hollerhaus in Irschenhausen eine Vorstellung mit seinem Puppentheater.

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SZ vom 05.07.2013
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