Attraktion in Bad Tölz:Vorfreude aufs Kraxel-Paradies

Die neue Boulderhalle in Bad Tölz bietet bald schon eine Spielfläche für kreatives Klettern ohne Seil, mit vielen bunten Griffen, weichem Boden und einer großen Kinderabteilung. Dank guter Zusammenarbeit von Stadt, Betreibern und Trägerverein konnten die geplanten Baukosten dafür sogar unterschritten werden.

Von Sandra Freudenberg

Wenn in Kürze die Boulderhalle in Bad Tölz bei einem sogenannten "Softopening" eröffnen kann, hat das auch mit dem zu tun, was beim Klettern zählt: Vertrauen in die Seilschaft. Die Halle, im Tölzer Sportpark gelegen, ist nicht nur ein Kraftort, an dem Sportler Kletterrouten in Absprunghöhe üben können. Sie ist auch ein Sinnbild für eine gelungene Zusammenarbeit - von enthusiastischen Ideengebern, der Stadtverwaltung, dem Stadtrat, dem Trägerverein Kletterzentrum Oberbayern Süd und der Betriebsleitung durch die Firma OrgaSport. Selbst die zusätzlichen Probleme, die durch die Corona-Pandemie verursacht wurden, konnten die Verantwortlichen gemeinsam umschiffen. Die Teams haben gut zusammengearbeitet und konnten sogar am Ende Kosten einsparen.

Attraktion in Bad Tölz: Für Kinder sind zahlreiche Kletterattraktionen eingebaut.

Für Kinder sind zahlreiche Kletterattraktionen eingebaut.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Noch steht zwar das genaue Eröffnungsdatum unter dem Vorbehalt der behördlichen Genehmigung. Ob es vielleicht schon bis Montag klappen könnte, werden die Verantwortlichen über ihre Homepage kommunizieren.

Derweil sind in der Halle die Handwerker mit den letzten Arbeiten beschäftigt. Davor werden die Spinde geliefert, die schleunigst aus dem Regen in die Halle getragen werden müssen: Alle packen schnell mit an. Die Kreissäge kreischt durch Spanholz, sogleich wird das Sägemehl zusammengefegt. Kein Staub soll sich mehr auf die blitzsauberen bunten Griffe legen, die im Tageslicht wie Smarties leuchten. Die großen Fenster lassen sich alle öffnen, das war in den alten Boulderräumen nicht möglich, eine Deckenheizung soll für die nötige Wärme sorgen, und der Weichboden scheint das zu halten, was sein Name verspricht.

Attraktion in Bad Tölz: Innen laufen die letzten Arbeiten an der neuen Boulderhalle des DAV-Kletterzentrums im Sportpark von Bad Tölz.

Innen laufen die letzten Arbeiten an der neuen Boulderhalle des DAV-Kletterzentrums im Sportpark von Bad Tölz.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Peter Naumann, der als Vorsitzender des Trägervereins ehrenamtlich für den Ausbau mitverantwortlich ist, zeigt sich zufrieden, wie der da so im Zentrum des offenen Geschossbaus steht. Besonders stolz ist er über den Kinderboulderbereich. Diesem wurde eine doppelstöckige Fläche gewidmet mit einer wild gewundenen Rutschbahn, die durch eine Burgenlandschaft führt. Den Kindern kommt damit ein Drittel der Gesamtfläche zu Gute. Reichlich Entfaltungsmöglichkeiten also für die nächste Generation Alpinisten, die hier ihre ersten Routen klettern wird.

Attraktion in Bad Tölz: Es darf auch mal probegegriffen werden.

Es darf auch mal probegegriffen werden.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Für die Boulderer - also Kletterer, die ohne Seilsicherung kreuz und quer an künstlichen Griffen in geringer Höhe kraxeln - sind Wände mit verschiedenen Neigungswinkeln, zwischen 20 bis 50 Grad, installiert worden. Einfacheres Gelände wechselt sich mit schwierigerem ab, alles greift aber so ineinander, dass Anfänger und Cracks nebeneinander sporteln können.

Der Begriff "Bouldern" stammt von boulder, dem englischen Wort für Felsbrocken, ab. Der Sport kann auch in der Natur und an Hauswänden ausgeübt werden, zum Trend wurde er aber in der Halle. Und von denen gibt es immer mehr in vielen Städten. Die stetig wachsende Boulderszene gibt sich gerne lässig; chillige Musik gehört zum Trendsport genauso dazu wie weit sitzende und deutlich mit Magnesia befleckte Hosen. Und weil das alles zuweilen sehr gemütlich wirkt, sprechen viele den Aktiven, ähnlich wie den Golfern oder Reitern, ihre Sportlichkeit gerne ab. Wenn die Klettercrew lässig auf dem Weichboden herumliegt, vermutet man nicht, Leistungssport zu sehen zu bekommen. Bis einer von ihnen dann in ein vorher definiertes sogenanntes "Boulderproblem" aus ungefähr vier bis acht Griffbewegungen einsteigt.

Attraktion in Bad Tölz: Bald werden die ersten Sportler, Anfänger wie Cracks, die Wände bezwingen.

Bald werden die ersten Sportler, Anfänger wie Cracks, die Wände bezwingen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Sich mit den Kuppen zweier Finger abstützend, den Kopf zur Seite gedreht, bewegt ein Boulderer sein Bein bis oberhalb der Ohren, wo die Ferse auf einem Griff platziert wird. Ein paar Züge weiter folgt ein sogenanntes Doppeldynamo, also ein zweifacher Absprung ohne echten Griffkontakt. Das ist Körperbeherrschung und Kraftsport, aber auch gedankliche Höchstleistung, denn der Bewegungsablauf ist beim Bouldern nicht vorgegeben. Die Aufgabe besteht darin, eine Lösung zu finden, wie man den Zielgriff erreichen kann. Als wäre nichts gewesen, setzt sich der Athlet dann wieder zur Crew - die ihn beim Klettern mit dem Schlachtrufen "Allez!" und "Bleib dran!"angefeuert hat.

Attraktion in Bad Tölz: Außen weisen Silhouetten den Weg.

Außen weisen Silhouetten den Weg.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Damit sich die Sportler für derartige Höchstleistungen fit machen können, hat der Trägerverein auch einen neuen Trainingsraum konzipiert. Dort wird es einen stählernen Käfig mit Hangelmöglichkeiten, sogenannte Campusboards und steile Trainingswände geben. "Unser ganzer Stolz ist das Kilterboard", sagt Naumann. "Es zeigt dir anhand von Beleuchtung die Route an."

Der Vereinsvorsitzende, der einmal Nationaltrainer der Kletterer des Deutschen Alpenvereins war, ist spürbar begeistert von der neuen Halle in Tölz. Hier hatte er früher, mit seiner verstorbenen Frau, die zehnmal Deutsche Meisterin im Klettern und zweimal Deutsche Meisterin im Bouldern war, oft trainiert. "Ich bin der Stadtverwaltung und dem Stadtrat echt dankbar dafür, dass wir hier in Bad Tölz einen neuen Kraftort bauen durften", erklärt der Mathematiklehrer.

Der geistige Vater der Boulderhalle war Franz Melf von der Alpenvereinssektion Tölz, der schon den Bau der Kletterhalle in 2003 und 2004 angeschoben hatte. Da diese aus Sicht der Verwaltung von Melf und seinen Kollegen gut geführt wurde und die Darlehen pünktlich zurück gezahlt wurden, vertraute die Stadt weiter in den Verein und befürwortete Melfs Idee, auch eine Boulderhalle auf Kosten der Kommune zu errichten. Der Stadtrat war einverstanden, den Bau zu genehmigen und die Kosten, die auf 1,2 Millionen taxiert wurden, zu übernehmen.

Als alles ausgemacht war, man Streitigkeiten mit Gegnern des Projekts beigelegt hatte und die Ehrenamtlichen vom Trägerverein sich mit der Planung des Innenausbaus befassten, stand plötzlich alles auf der Kippe: Die Angebote der Baugewerke überstiegen bei Weitem die geschätzten Kosten. Denn zum geplanten Bauzeitraum waren viele Firmen voll ausgelastet, die Preise in dem aufgeheizten Markt waren hoch. Der Stadtrat beschloss daraufhin, den Bau auf einen günstigeren Zeitraum zu verschieben und 300 000 Euro nachzugenehmigen. Mit Erfolg: Die Baukosten liegen laut dem Tölzer Kämmerer Hermann Forster am Ende um gut 100 000 Euro unter den ursprünglich veranschlagten 1,5 Millionen Euro. Für den Innenausbau der Halle ist der Trägerverein verantwortlich, der dafür 388 500 Euro veranschlagt hat - und dafür auch keinen Cent mehr ausgegeben hat, wie Naumann sagt.

Der neue Tölzer Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) steht mit Begeisterung hinter dem Projekt: "In Bad Tölz fühlen sich die Bürger für das Gemeinwohl mitverantwortlich", sagt er. "Das ist ganz deutlich beim Bau der neuen Boulderhalle zu sehen, wo sich ein Verein dafür einsetzt, etwas zu schaffen, was wirklich allen Bürgern zugutekommt." Auch wenn Bouldern nach einer Trendsportart klinge, sei es doch ein Sport, den alle von Jung bis Alt alle praktizieren könnten. "Das kommt einer Gemeinde, die sich so nah an den Bergen befindet, sehr zugute", findet Mehner. Er sei selbst bereits im vergangenen Jahr mit seinen Kindern beim Bouldern gewesen und freue sich, dass auch bei der inhaltlichen Konzeption an die Kinder und Jugendlichen gedacht wurde, für die es nun in Tölz gesonderte, exklusive Trainingszeiten gebe, sagt der Bürgermeister.

Ab wann genau in der Boulderhalle eröffnet und wann trainiert werden, kann auf der Website www.kletterzentrum-badtoelz.de eingesehen werden, oder man kann sich vorab telefonisch unter der Rufnummer 08041/7952030 erkundigen. Aufgrund der Corona-Maßnahmen können bis auf weiteres nicht mehr als 30 Boulderer gleichzeitig in die 450 Quadratmeter große Halle gelassen werden.

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