Asylbewerber in Bad Heilbrunn:Wie entmündigt

Die Asylbewerber haben ihre liebe Not mit Essenspaketen. Doch der Freistaat lehnt die Auszahlung von Bargeld ab.

Felicitas Amler

Auf dem Balkon stapeln sich Tüten und Dosen: Berge von Reis, Jahresrationen Mehl 405, trockene Bohnen, Konserven mit Bohnen, Nudeln über Nudeln und Kakao, der für mehrere Großfamilien reichen würde. In der Küche lagern x-fach Rapsöl-Flaschen, im Kühlschrank sind mehrere Fächer mit Apfel-, Orange- und Multivitaminsaft gefüllt. "Saft - immer, immer!", sagt die 19-jährige Hanna. Und "viele, viele", seufzt sie: "Viele, viele Bohnen, viel, viel Reis!"

Asylbewerber, Bad Heilbrunn

"Viele, viele": Manche Lebensmittel werden den Asylbewerbern in so großen Mengen geliefert, dass sie diese nur lagern können. Selbstversorgung ist in Bayern nicht vorgesehen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Was die Kurdin, die mit Mann und Kind aus Syrien geflohen ist, sagen will, ist ganz einfach: Die Essenspakete, mit denen die Asylbewerber zweimal pro Woche beliefert werden, sind nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt. Das Problem ist nicht neu. Seit vor Jahrzehnten die ersten Asylsuchenden auf bayerische Kommunen verteilt wurden, klagen Flüchtlinge darüber und Flüchtlingshelfer fordern Barauszahlungen statt Pakete.

Wenn derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht über die angemessene Höhe der staatlichen Leistungen für Asylbewerber verhandelt wird, können Flüchtlinge in Bayern nur staunen: Sie bekommen nicht einmal jene 220 Euro, die andernorts üblich sind. Und diese Summe, die um ein Drittel unter dem Regelsatz für Hartz IV-Empfänger liegt, wird ja in Karlsruhe als deutlich unterhalb des menschenwürdigen Existenzminimums angesehen.

Asylbewerber wie Hanna und ihr 29-jähriger Mann Ramiz, die zusammen mit einem Dutzend anderen Flüchtlingen seit sechs Monaten in Bad Heilbrunn leben, verfügen gerade einmal über rund hundert Euro im Monat: 40,90 Euro für jeden Erwachsenen, 20,45 Euro für den ein Jahr und zehn Monate alten Sohn Achmed. Nicht zufällig nennt sich diese Zahlung "Taschengeld" - mehr ist es nicht.

Doch es muss für viel mehr reichen. Denn die muslimische Familie, die arabisch kocht, kauft davon jene Lebensmittel, die in keinem der offiziellen Pakete zu finden sind: Moloukhia-Blätter und Hummus, Bulgur, Rote Linsen und einen speziellen eingelegten Rahmkäse. Mozzarella dagegen - der regelmäßig in den Paketen steckt, brauchen sie nicht. "Frankfurter Würstchen" - so steht es auf der Plastikverpackung - sind auch nicht gefragt, werden aber fleißig geliefert.

Hanna, Ramiz und die anderen sind alles in allem nicht undankbar für ihre Situation. Sie haben das Glück, dass sie von einem rührigen ehrenamtlichen Unterstützerkreis betreut werden. Der katholische Pfarrer Christian Hartl und der evangelische Pfarrer Johannes Schultheiß haben die Flüchtlinge mit offenen Armen begrüßt. Das hat das Klima im Ort bestimmt. "Hier in Bad Heilbrunn alles gut", sagt einer der Asylbewerber.

Warum sie aber für ihren täglichen Bedarf nicht selbst verantwortlich sein dürfen - warum sie also wie entmündigt behandelt werden -, das können sie nicht verstehen. Ihre Garderobe bekommen die Flüchtlinge nur second hand über karitative Kleiderkammern. Und einen Friseurbesuch können sie sich nicht leisten - eine der Frauen erzählt, ihr Mann sei einmal gegangen und habe 38 Euro bezahlen müssen. Sie ist so erschrocken darüber, dass sie es in ihrem frisch erlernten, noch etwas holprigen Deutsch gleich ein paarmal sagt.

Nur zu gern würden sie selbst für ihr Einkommen sorgen, das betonen alle Männer in der Bad Heilbrunner Unterkunft. Sie haben zu Hause ordentliche Berufe ausgeübt, sind zum Beispiel Schreiner oder Metallarbeiter. Aber arbeiten dürfen Asylbewerber auch nicht.

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