"Hilfe von Mensch zu Mensch":Bangen um Asylberatung

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Die Fördergelder für die Beratung von Flüchtlingen fließen nur langsam. (Foto: picture alliance / dpa)

Der Verein "Hilfe von Mensch zu Mensch" kündigt Entlassungen an. Staatliche Fördermittel kämen zu spät, heißt es. Doch das Innenministerium widerspricht

Von Benjamin Engel und Blanche Mamer, Bad Tölz-Wolfratshausen

Der hauptamtlichen Flüchtlings- und Integrationsberatung in der Region droht das Aus. Zuständig ist der Verein "Hilfe von Mensch zu Mensch", er bekommt dafür staatliche Förderung. 80 Prozent der Personalkosten übernimmt der Freistaat. Wie aus Vereinskreisen bekannt wurde, will das Innenministerium die für 2019 dringend benötigte nächste Geldrate erst im Juli auszahlen. Das kann der Verein nicht vorfinanzieren und hat deshalb angekündigt, Beratungsstandorte in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Starnberg und Miesbach aufzulösen. Mitarbeiter sollen bereits ihre Kündigung erhalten haben.

Im Frühjahr ist die frühere Asylsozialberatung mit der Migrationsberatung zusammengelegt worden. Damit hat sich auch die Zuständigkeit geändert: Seitdem ist statt des bayerischen Sozialministeriums das Innenministerium für die Integrationsberatung zuständig. Wie Sadija Klepo, Geschäftsführerin bei "Hilfe von Mensch zu Mensch", sagt, habe der Verein keine Eigenmittel, um die Beratung bis Mitte 2019 vorzufinanzieren. Um die Standorte zu erhalten, arbeite der Verein derzeit an einer Lösung mit dem Tölzer Landratsamt. "Ich kritisiere kein Ministerium", sagt die Geschäftsführerin. "Wir sind nur ein freier Träger."

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Die Aufgaben für die Berater sind vielfältig. Sie unterstützen die Zugewanderten bei der Integration, indem sie bei Schwierigkeiten mit Ämtern von der Schule bis zum Jobcenter und vielem mehr helfen. Daher ärgert sich Ines Lobenstein sehr über die prekäre Lage bei der Flüchtlingsarbeit. Erst vergangene Woche habe sie mit einer Mitarbeiterin von "Hilfe von Mensch zu Mensch" in Wolfratshausen gesprochen, berichtet die Vorsitzende des Wolfratshauser Asylhelferkreises. Diese habe gerade ihr Kündigungsschreiben bekommen.

Es geht um Kosten in Höhe von einer Million Euro. Damit der Verein erhalten bleibt und die Flüchtlinge anderweitig weiter unterstützen kann, müssen einige Standorte aufgelöst werden, lautete die Information an die Helferinnen und Helfer vom vergangenen Freitag. "Wie soll das ohne hauptamtliche Berater funktionieren", fragt Lobenstein. Müsse der Verein "Hilfe von Mensch zu Mensch" wirklich Standorte schließen, falle die Arbeit allein auf Ehrenamtliche zurück. Wie sich der Freistaat verhalte, könne sie nicht nachvollziehen. "Es geht um Menschen", schildert sie. Selbst wenn sich doch noch eine Lösung finde, würden gewachsene Strukturen zerstört. Das Vorgehen sei "unsäglich", sagt Lobenstein. Die Integration der Zugewanderten sei eine staatliche Aufgabe. "Es geht um den sozialen Frieden." Ein Aus für die Beratung gehe auf Kosten aller. Vom Landratsamt gab es bislang keine Stellungnahme.

Der Verein unterhält zentrale Büros in Wolfratshausen, Geretsried und Bad Tölz. Die Mitarbeiter besuchen aber auch regelmäßig Gemeinschaftsunterkünfte. Im Landkreis betreuen sie insgesamt rund 1600 Geflüchtete. Laut einer neuen Richtlinie sollen die Beraterstellen des Vereins im Landkreis 2019 von 10,7 auf 6,9 reduziert werden. Im Sozialausschuss des Tölzer Kreistags am Montag berichtete allerdings Karsten Ludwig, dass der Stellenabbau auf 2020 verschoben sei. Wie der Sachgebietsleiter für Asylwesen im Tölzer Landratsamt erklärte, plane der Landkreis, auch im kommenden Jahr die Asylsozialberatung so wie bisher auch wieder mit 34 000 Euro zu unterstützen. Gefördert werden die Sachkosten des Vereins.

In einer Pressemitteilung geht Geschäftsführerin Klepo auf die finanzielle Situation des Vereins ein. Im Zeitraum von Mitte 2015 bis November 2018 habe "Hilfe von Mensch zu Mensch" Rücklagen in Höhe von insgesamt 1,1 Million Euro für die Flüchtlingsberatung aufgewendet. Der Verein habe versucht, durch ergänzende Projekte zusätzliche Finanzmittel zu erhalten. "Im Juni 2018 wurde eine bereits genehmigte Förderung wesentlich reduziert, was unsere Finanzplanung zusätzlich erschwerte", erklärt Klepo. "Diese Reduktion wurde ohne vorherige Bekanntmachung vollzogen. Die Rücklagen des Vereins reichen nicht aus, um die notwendige Vorfinanzierung aufzubringen."

Das Innenministerium wehrt sich gegen die Aussagen des Vereins. Sie erweckten den Eindruck, der Integrationsberatung werde kurzfristig die Finanzierungsgrundlage entzogen. Anpassungen wirkten sich jedoch "ausschließlich zum Vorteil der Antragssteller" aus. Die Behauptung, die erste Abschlagszahlung 2019 erfolge erst im Juli, sei "eindeutig unzutreffend". Vielmehr habe der Verein bereits eine Zusage bis spätestens Februar erhalten.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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