Asyl:Flüchtling muss nach Geretsried umziehen und bekommt Heimweh - nach Germering

Jalal Abdallah

Bis zu seinem Umzug nach Geretsried arbeitete Jalal Abdallah (rechts) in Germering auch als Dolmetscher für Flüchtlinge. Er spricht Arabsich, Kurdisch, Farsi, Englisch und Deutsch.

(Foto: Günther Reger)

Jalal Abdallah wurde bei einem Bombenanschlag in Bagdad schwer verletzt und sitzt im Rollstuhl. Sein Asylantrag wird abgelehnt.

Von Karl-Wilhelm Götte

Wer bekommt in diesem Land politisches Asyl? Kann es ein 46-jähriger Iraker schaffen, der bei einem Terroranschlag in Bagdad schwer verletzt wurde und seitdem im Rollstuhl sitzt? Nein, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verweigerte Jalal Abdallah, der derzeit in der Gemeinschaftsunterkunft am Geretsrieder Schulzentrum lebt, das Asyl in Deutschland. Der Termin beim BAMF verlief für Abdallah sehr enttäuschend: "Wenn sie meinen, es gebe bei mir zuhause im Irak in meiner Stadt keine Probleme", erzählt er der SZ von seinem Gespräch mit einem Mitarbeiter bei der Behörde, "dann empfehle ich ihnen, dort mal einen Monat zu leben." Diese vernünftig klingende Argumentation beeindruckte die Behörde jedoch nicht. Tenor des siebenseitigen Ablehnungsbescheides: Es gebe im Irak Regionen mit Anschlägen und Gefährdungen, aber das sei nicht so schlimm, dass man dort nicht leben könnte.

Abdallah hat sich einen Rechtsanwalt genommen und geht gegen den Ablehnungsbescheid des BAMF gerichtlich vor. Ihn vertritt der Tutzinger Anwalt Stefan Dornow. Der Fachanwalt kennt sich gut aus mit Klagen gegen die ablehnenden Bescheide des BAMF. Seit fünf Jahren gehört das Asyl- und Ausländerrecht zu seinem Arbeitsschwerpunkt in der Kanzlei. Er vertritt etwa 500 Mandanten aus diversen Ländern, die in Deutschland Schutz suchen. Das zuständige Verwaltungsgericht München kommt bei der Masse der Klagen nicht mehr mit der Verhandlungsterminierung nach. Dornow spricht von einem halben Jahr, bis ein Gerichtstermin anberaumt wird.

Auch im Fall von Jalal Abdallah hat sich noch nichts getan. Bis März lebte der 46-Jährige in Germering, wo er über ein Jahr lang ein bekanntes Gesicht war. "Er war der zweitbekannteste Rollstuhlfahrer in der Stadt", meinte Manuel Leupold von der Stadt Germering einmal scherzhaft. Seine persönliche Reihenfolge war: CSU-Stadtrat Herbert Sedlmeier, gleich dahinter kam der Iraker.

Auch Leupold, Mitarbeiter für Integration bei der Stadt Germering, findet die Entscheidung des BAMF unverständlich: "Das hat mich auch wegen seiner Behinderung sehr gewundert." In Germering hatte Leupold Abdallah als sogenannten "Kulturmittler" beschäftigt. Diese Tätigkeit habe er mit großem Einsatz erledigt, trotzdem musste Abdallah Germering verlassen. Er wurde von der Regierung von Oberbayern nach Geretsried umgesiedelt. Die Umsiedlung des stadtbekannten Irakers geschah schon im März, als das Don-Bosco-Pflegeheim in Germering als Flüchtlingsunterkunft geschlossen wurde. Eine Woche nach dem Umzug Abdallahs nach Geretsried kam der Ablehnungsbescheid des BAMF.

Abdallah war in Germering nicht nur beliebt, sondern als Dolmetscher eine große Hilfe. Er spricht Arabisch, Kurdisch, Farsi, sehr gut Englisch und ausreichend Deutsch. Der Geretsrieder GU-Verwaltungsleiter Rainer Gramann nennt ihn scherzhaft "unseren fahrbaren Helfer". Jalal Abdallah wäre sehr gerne in Germering geblieben. Hatte er doch eine weitere Aufgabe bei der Germeringer Tafel gefunden. Am Ausgabetag saß er in seinem Rollstuhl neben dem Tresen. Abdallah begrüßte alle Flüchtlinge, die zum Lebensmittelabholen kamen. Der Iraker übersetzte die Wünsche der Flüchtlinge zum Bedarf an Lebensmitteln. Er ging aber auch verbal dazwischen, wenn sich einige von ihnen nicht zu benehmen wussten und mal an der Schlange vorbeiliefen. Tafelleiter Jürgen Quest war für die Mithilfe dankbar. Abdallah habe den einen oder anderen temperamentvollen ausländischen Abholer beruhigt und zu einer reibungslosen Lebensmittel-Ausgabe beigetragen, lobt er. Gab es Probleme in den Germeringer Unterkünften in der Parkstraße oder in der Industriestraße war Abdallah zur Stelle und schlichtete erfolgreich. Was auch die Polizei zu schätzen weiß.

Sein Umzug nach Geretsried war wohl nicht zu verhindern. Der Einfluss der Stadt Germering war während des damals noch laufenden Asylverfahrens gering. "Es gab auch nur einen kurzen Vorlauf von zehn Tagen vor dem Umzug", erinnert sich Leupold. Die Regierung von Oberbayern hat nun mal als oberste regionale Behörde das Sagen. Leupold hatte sich bereits um eine passende Unterkunft für den behinderten Flüchtling bemüht - leider erfolglos. In Geretsried bekam Jalal Abdallah ein passendes barrierefreies Zimmer.

Heimweh nach Germering habe er trotzdem, weiß Leupold. "Ihm hat es in Germering besser gefallen." Abdallah bietet seine Mithilfe auch in Geretsried an. "Ich vermisse aber Germering sehr", sagt er. Vergangenes Wochenende kam er zu Besuch in seinen früheren Wohnort. "Ich war Kaffeetrinken dort", berichtet er und klingt zufrieden. Es war nicht das erste Mal: "An den Wochenenden fahre ich immer wieder nach Germering. Meine eineinhalb Jahre dort waren eine schöne Zeit." Der Iraker, der bei dem Terroranschlag eine Schwester verlor und Menschen danach mit einem eher traurigen Blick begegnet, zeigte sich in Germering frei von jeglichem Selbstmitleid: "Ich habe meine Behinderung, aber ich mache meinen Job. Ich will etwas Gutes für dieses Land tun."

Mit seiner Behinderung wäre Abdallah im Irak ein Ausgestoßener gewesen. "Integration gibt es dort nicht", sagt er. Obwohl er einen Hochschulabschluss hat, hätte er keine passende Arbeit bekommen. Dazu kam die ständige Bedrohung, doch noch das Leben zu verlieren. "Deutschland hat seine Türen geöffnet", sagt der Iraker, "dafür bin ich diesem Land sehr dankbar." Hier könne er als Mensch leben. Wichtig ist ihm, dass er hier ruhig schlafen kann: "Ich weiß, dass ich am nächsten Morgen noch lebe." Abdallah hofft, dass er vor Gericht Recht bekommt und in Deutschland politisches Asyl erhält. Sein Deutsch hat sich enorm verbessert, sodass er leicht von Englisch umschwenken kann. In Geretsried hat er während der Woche täglich von 8 bis 16 Uhr Unterricht. "Grüßen sie alle Germeringer", sagt er noch am Handy. "Danke für alles."

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