Süddeutsche Zeitung

Gesundheit im Oberland:"Die Patienten kommen zurück"

20 Jahre Asklepios-Klinik in Bad Tölz: Geschäftsführer Felix Rauschek und Sprecher Christopher Horn äußern sich zu Erfolgen und "schwarzen Flecken" in der Geschichte des Krankenhauses seit der Übernahme 2002. Außerdem bewerten sie die Lage nach zwei Jahren Corona.

Interview Von Klaus Schieder

SZ: Herr Rauschek, waren Sie in der Pandemie selbst einmal an Corona erkrankt?

Felix Rauschek: Zum Glück nicht. Sowohl ich selbst als auch meine Familie sind verschont geblieben. Das ist schon fast überraschend mit zwei kleinen Kindern.

Wie sieht die wirtschaftliche Lage der Asklepios-Klinik in Bad Tölz nach mehr als zwei Jahren Corona aus? Hat sie sich verbessert, weil viele Corona-Patienten ins Krankenhaus kamen, oder verschlechtert, weil andere Patienten fernblieben?

Rauschek: Das muss man differenziert betrachten. Unsere wirtschaftliche Lage ist weiterhin stabil, aber es ist definitiv nicht so, dass wir besser dastehen als 2019 vor der Pandemie. Geholfen haben die Ausgleichszahlungen des Staates, das war gerade 2020 entscheidend. Aktuell macht aber auch uns die massive Teuerungsrate bei Energie- und Materialkosten sehr zu schaffen.

Wie sehen die Patientenzahlen im Moment aus? An vielen deutschen Kliniken sind sie ja zurückgegangen.

Rauschek: Im Mittel haben deutsche Kliniken zehn bis 20 Prozent weniger Patienten als vor der Pandemie. Wir sind glücklicherweise in etwa auf dem Stand von 2019. Das hängt hauptsächlich damit zusammen, dass wir unser Leistungsspektrum erweitert haben. Wir haben eine neue HNO-Hauptabteilung gegründet, und auch die anderen Bereiche laufen stabil. Die Patienten kommen zurück. Wir behandeln aktuell rund 28 000 Patienten - stationär und ambulant - pro Jahr.

Die Asklepios-Klinik besteht in Bad Tölz nun seit 20 Jahren. Am Anfang gab es Kritik, weil man befürchtete, ein privater Träger habe es, anders als die Stadt, nur auf Gewinn abgesehen und werde Mitarbeiter entlassen. Wie viel Einfluss hat die Stadt inzwischen noch auf das Krankenhaus, etwa über den Beirat?

Rauschek: Der Krankenhaus-Beirat hat eine Kontrollfunktion. Es gibt vertraglich festgelegte Punkte, die wir dem Beirat darlegen und erklären. Er ist wie ein Aufsichtsrat, der begleitet und berät. Gerade in der Pandemie gab es da einen wertvollen Austausch. Für Patienten kommt es auf eine hohe medizinische Fachkompetenz an, die Auswahl von guten Fachkräften ist also entscheidend. Wir haben in den letzten 20 Jahren gezeigt, dass wir es können.

Christopher Horn: Die Zahl der Mitarbeiter ist übrigens von 491 im Jahr 2002 auf derzeit 827 gestiegen.

Der Tölzer Bürgermeister Ingo Mehner hat gesagt, dass die Stadt seit 2002 jedes Jahr eine siebenstellige Summe in das Krankenhaus hätte stecken müssen, ohne die gleiche Qualität zu bekommen. Was kann denn Asklepios, was eine Stadt nicht kann?

Rauschek: Ein Vorzug, den wir mitbringen, ist, dass wir im Asklepios-Konzern in einer großen Gruppe aufgestellt sind. Das bringt diverse Vorteile, die ich als einzelnes Krankenhaus nicht habe. Jedes Krankenhaus hat etwa zwei Drittel Personalkosten und ein Drittel Sachkosten. Wir können zum Beispiel durch einen gebündelten Einkauf zu besseren Konditionen einkaufen. Ich glaube auch, dass wir von den Strukturen her effizienter sind, zum Beispiel in der Verwaltung. In der Zentrale haben wir Experten wie Baufachleute und Juristen, die wir nicht lokal beschäftigen. Ganz entscheidend sind das medizinische Spektrum und die Versorgungsqualität. Das honorieren die Patienten.

Horn: Wir verursachen keine Kosten für die kommunalen Haushalte. Mögliche Defizite müssen nicht über die Kreisumlage ausgeglichen und somit nicht von den Bürgerinnen und Bürgern getragen werden. Asklepios hat seit 2002 insgesamt 67,1 Millionen Euro in den Standort Bad Tölz investiert, dazu noch einmal 27,5 Millionen Euro in Instandhaltung aufgewendet und dabei das Leistungsspektrum sukzessive erweitert.

Woran messen Sie die Qualität der Klinik?

Rauschek: Laut der externen, unabhängigen Qualitätssicherung G-IQI (German Inpatient Quality Indicators) haben wir eine sehr hohe medizinische Ergebnisqualität. Außerdem würden - laut aktueller Patientenbefragung - 98,8 Prozent der befragten Patienten die Klinik ihrer Familie und Freunden weiterempfehlen. Zudem haben wir ein Qualitätsmanagement mit konzernweit einheitlichen Standards. Das sind Erfahrungswerte, von denen alle Häuser bei Asklepios profitieren. Für das CIRS-Managementsystem (Risikomanagement in Krankenhäusern, Anm. d. Red.) haben wir einen Preis im Konzern gewonnen. Hier geht es darum, dass wir, wenn etwas fast schiefgelaufen ist, dies analysieren, daraus lernen und ein System entwickeln, um das künftig zu vermeiden.

Horn: Ein Baustein des Asklepios-weiten Qualitätsmanagements ist das Thema Patientensicherheit. Auch hier haben wir einheitliche Standards und Prozesse. Vom Sicherheitscheck vor und nach der OP bis hin zur Hygiene im Krankenhaus, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Die Asklepios-Klinik in Tölz ist ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung. Aber keine Klinik kann heutzutage noch alle medizinischen Leistungen anbieten. Wo sehen Sie die Stärken oder, wenn man so will, die Alleinstellungsmerkmale des Tölzer Krankenhauses?

Rauschek: In einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung finden Sie fast immer die Abteilung für Innere Medizin, die chirurgische Abteilung und eine Notaufnahme. Wir sind deutlich breiter aufgestellt und bieten mit unseren zwölf Fachabteilungen ein umfangreiches Leistungsspektrum an. Als eine von nur 150 Kliniken in Deutschland erfüllen wir die Stufe 2 der erweiterten Notfallversorgung. Daran sind ganz bestimmte Voraussetzungen an die Fachbereiche und die ärztliche und pflegerische Expertise geknüpft. Als von der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft zertifizierte Stroke Unit können wir Schlaganfälle optimal versorgen. Auch Herzinfarkte können wir dank unserer Chest Pain Einheit und einem 24-Stunden-Herzkatheter-Labor bestens behandeln. Und was die Unfallversorgung betrifft, sind wir ein zertifiziertes, lokales Trauma-Zentrum, das Unfälle wohnortnah versorgen kann. Zudem bieten wir auch in der Urologie, der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und unseren anderen Fachbereichen ein sehr breites Spektrum und können die Menschen in der Region sowohl im Notfall als auch bei einer geplanten Operation bestmöglich behandeln.

Aber es gibt auch Grenzen für die Tölzer Klinik. Wie sieht die Zusammenarbeit mit anderen Häusern in der Region aus - mit Wolfratshausen, Murnau oder Agatharied?

Rauschek: Mit Murnau sind wir in der Unfallversorgung eng vernetzt. Wenn ein Schwerverletzter einen Neurochirurgen braucht, würde er sofort nach Murnau gebracht. Und das ist auch gut so. Es gibt Limits, oder anders gesagt: Schwerpunkte. Wir arbeiten auch viel mit Agatharied zusammen. 2019 haben wir gemeinsam ein Pankreas-Zentrum gegründet, und wir sind Teil des dortigen Endometriose-Zentrums für Frauen. Dabei arbeiten unsere Urologen und die Gynäkologen aus Agatharied eng zusammen und operieren gemeinsam. Für die Technische Universität (TU) München und die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München sind wir akademisches Lehrkrankenhaus. Das ist für die Versorgung, aber auch für unseren Ärzte-Nachwuchs wichtig.

Eine Geburtshilfe-Abteilung gibt es jedoch nicht mehr, die wurde im April 2017 geschlossen. Herr Rauschek, Sie haben dies als "schwarzen Fleck" in der Geschichte der Asklepios-Klinik in Tölz bezeichnet. Wie viel Vertrauen von Patienten ging dadurch verloren?

Rauschek: Das war damals schon eine schwierige Zeit für alle Beteiligten. Wir haben seinerzeit Konzepte für eine gemeinsame Geburtshilfe-Versorgung mit Agatharied oder Garmisch angeboten, aber der Kreistag hat sich für ein anderes Modell entschieden. Nachdem wir heute deutlich mehr Patienten versorgen als 2017, kann ich sagen, dass offensichtlich kein Vertrauensverlust entstanden ist.

Horn: Die Schließung der Geburtshilfe geschah nicht aus ökonomischen Gründen, sondern mangels verfügbarer Fachärzte. Wir hatten 550 Geburten im Jahr, aber nur zwei Belegärzte. Trotz enormer Anstrengungen von Seiten des Teams der Geburtshilfe und der Verantwortlichen der Stadtklinik und der Politik konnten wir die Abteilung leider deshalb nicht mehr weiter aufrechterhalten.

Mit 827 Mitarbeitenden und 90 Ausbildungsplätzen ist die Tölzer Klinik einer der größte Arbeitgeber in der Region. Wie schwer ist es für Sie zurzeit, überhaupt noch genug Pflegekräfte zu gewinnen?

Rauschek: Es ist generell schwierig, Fachkräfte zu finden. Das gilt für alle Branchen. Nichtsdestotrotz haben wir es durch ein gutes Programm und das große Engagement unserer Pflegedirektorin seit Anfang 2019 geschafft, 72 zusätzliche, examinierte Pflegekräfte zu bekommen. Wichtig ist, dass wir eine eigene Berufsfachschule für Krankenpflege haben und unseren Nachwuchs selbst ausbilden. Außerdem basieren viele Bewerbungen auch auf der Empfehlung unserer Mitarbeitenden. Das ist natürlich schön.

Die Pflegekräfte, die ja nicht gerade viel Geld verdienen, müssen aber auch irgendwo wohnen. In der Tölzer Region mit ihren exorbitanten Mieten eine bezahlbare Wohnung zu finden, dürfte für sie ein kaum lösbares Problem sein. Können Sie da helfen?

Rauschek: Wir haben teilweise eigene Wohnungen. Wir mieten auch Wohnungen in Tölz und der Umgebung. Für Vermieter sind wir attraktiv, weil Finanzkraft da ist und sie sicher sein können, dass die Klinik die Miete zahlt. An unsere Mitarbeitenden vermieten wir eins zu eins weiter. Der Aspekt der Mitarbeiter-Gewinnung ist wichtig, nicht nur in der Pflege, sondern auch in anderen Bereichen. Wir geben uns große Mühe, gute Leute zu bekommen. Deshalb versuchen wir auch, dass Absolventen der TU und der LMU in ihrem praktischen Jahr hier bei uns eine interessante und gute Zeit haben, damit sie sich später für uns als Arbeitgeber entscheiden.

Zurück zu Corona: Haben Sie Sorge, dass mit neuen, gefährlichen Virusvarianten die Inzidenzzahlen wieder steigen und erneut viele Corona-Patienten versorgt werden müssen?

Rauschek: Auf Inzidenzzahlen würde ich im Moment nicht allzu viel geben, da es deutlich weniger Tests gibt. Wir haben im Moment, was Corona betrifft, ein konstantes Geschehen im Krankenhaus. Ich stelle aber fest, Corona ist nicht vorbei.

Horn: Wir haben derzeit drei Corona-Patienten auf der Normalstation, einen auf der Intensivstation. In der Hochphase der Delta-Variante und zu Beginn der Omikron-Variante hatten wir gleichzeitig 26 auf Normalstation und zehn auf der Intensivstation. Aber wir merken leider, dass die Zahl mal rauf und mal runtergeht - anders als im vergangenen Sommer. Insgesamt haben wir seit Ausbruch der Pandemie im März 2020 bis heute mehr als 1000 Corona-Patienten, darunter 150 Covid-Intensivpatienten ambulant und stationär im Krankenhaus versorgt und kümmern uns gleichzeitig auch um alle anderen Menschen, die zu uns in die Klinik kommen.

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