Philipp Weber leidet unter Schlafstörungen. Zu vieles, was ihn umtreibt: Demokratiemüdigkeit, AfD, der braune Hans mit seinen kruden Thesen von Volk und Rasse. Eigentlich mag Weber keine Heilpraktiker, oft waren sie in seinen Kabarettprogrammen Zielscheiben. Aber nun ist der Leidensdruck zu groß. Letzte Hoffnung ruht also auf dem Herrn Pfuscher, der im Übrigen gar nicht so klischeehaft sei. "Nicht so mit Traumfänger und Nacktfoto von Hildegard von Bingen." Seine Kügelchen hätten sofort Wirkung gezeigt. "Ich hab überhaupt nicht mehr geschlafen." Ein gutes Zeichen, findet der Herr Pfuscher. Erstverschlechterung. "Wenn man die überlebt hat, ist man auf dem Weg der Besserung."
In seinem neunten Soloprogramm "Power to the Popel" widmet sich Weber, nach "Futter", "Durst" und Konsumkritik, nun der Staatstheorie. Am Sonntag gibt er seinen "Demokratiekurs" als Vorpremiere im Arzbacher Kramerwirt. Das 38-seitige Programm befindet sich noch in der Testphase. Manches muss gekürzt, verdichtet, gestrichen werden. "Okay, ich nehm's raus", sagt er, wenn ein Gag nicht recht zündet. Oft ist das nicht der Fall, Weber hat in Lenggries ein treues Fanpublikum.
Seit 15 Jahren holen Sabine und Stefan Pfister von Kleinkunst & Kultur (KKK) den 49-Jährigen aus dem Odenwald regelmäßig für Aufritte in den Isarwinkel, die stets ausverkauft sind. So auch am Sonntag im Kramerwirt, der seit 1. Dezember von den neuen Pächtern Christian Wieser und Julia Zimmermann geführt wird. Sie stellen den schönen Saal auch weiterhin für Kulturveranstaltungen zur Verfügung.

Und so jagt Weber in gewohnter Weise durch sein üppiges Programm. Verwandelt die Bühne in eine Arena, auf der er ruhelos hin und her tigert, sich rumpelstilzig aufregen kann, bis seine Stimme überschnappt. Den Oberlehrer kann sich der schmale Mann mit dem Pferdeschwanz nicht ganz verkneifen. "Hier wird nicht geschwätzt", sagt Weber streng, der Biologie und Chemie auf Lehramt studiert hat. "Ich kann euch jederzeit umsetzen". Höchste Konzentration ist gefragt, das Publikum amüsiert sich dennoch.
Weber haut Sätze und Pointen raus - Bäng! Bäng! - ohne Verschnaufpause. Ein Ritter der schillernden Gedankenblitze, von denen manche verpuffen, weil man mit dem Nachdenken einfach nicht hinterherkommt. Denn Weber will nie nur Spaß machen, er ist ein ambitionierter Aufklärer. "Ohne Vernunft ist jede Staatsform Mist", sagt er. Und so streut er Zahlen und Fakten ein, bemüht Platon und Popper, beklagt eine grassierende "transzendentale Obdachlosigkeit", die zu Unsicherheit und Fanatismus führe. Und letztlich zum braunen Hans und der AfD, die das Volk trennen wollen in "Bio-Deutsche" und "Mimimi"-Mitbürger mit Migrationshintergrund. Eine schwachsinnige Unterscheidung, denn was ist das überhaupt, das Volk? "Ein Volk entsteht nicht durch Blutsgemeinschaft, sondern durch die Verfassung, die in ihrem ersten Satz den Menschen nennt, nicht das Volk."
Schnecken haben Angst vorm Gendern
Damit das alles nicht zu kopflastig daherkommt, lockert Weber sein Programm durch Schlüpfrigkeiten auf und punktet mit seinem biologischen Fachwissen. So erfährt man zum Beispiel, dass Schnecken 13 verschiedene Geschlechtschromosomen haben, weshalb sie nicht sprächen, "weil sie Angst vor dem Gendern haben". Überhaupt Tiere - der Herr Pfuscher habe ihm die Anschaffung eines Haustiers empfohlen. Weber entscheidet sich für ein Ameisenvolk, an dem man Platons Diktum vom Menschen als "Zoon politikon studieren könne, dem Bestreben, in Gemeinschaft zu leben. Beim Volk der Ameisen funktioniere das bestens. "Auf Ameisenstraßen gibt es keine Staus", sagt Weber. Es sei schon erstaunlich, dass Tiere in der Größe eines Staubkorns das schaffen, was uns nicht gelingt: Ein Tempolimit einzuhalten.
Von der Psychologie der Massen geht es zum VHS-Mermaiding-Kurs, vom Swingerclub zum Ehrenamt. "Wenn ich dran denke, wie lange wir einen neuen Kassenwart beim Swingerclub gesucht haben" - beim Ehrenamt hapere es gewaltig, "da muss ich wirklich aufpasse, dass ich mich ned uffrege", sagt der Franke, der mit vielen Preisen, darunter dem Bayerischen und dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde.
Beinahe gehen bei dieser High-Level-Performance, die Weber vermutlich wieder eine schlaflose Nacht kostet, kleine Perlen unter. Zum Beispiel: "Wer unter einem Scholz einschläft, muss sich nicht wundern, wenn er unter einem Höcke aufwacht." Der irre Ritt endet mit einer Ode an den Stammtisch. Das sei ein geschützter Raum, "wo die Scheiße, die da gebabbelt wird", drin bleibe. Anders als im Internet, "da ist immer Reichsparteitag". Sein Rat: "Wenn Sie etwas für die Demokratie tun wollen, gründen Sie einen Stammtisch."