Tölzer Baugeschichte:Auf den Spuren eines großen Architekten

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Der Entwurf für den "Kleinen Kursaal" am Tölzer Vichyplatz stammt von Theodor Fischer. Errichtet wurde das Haus mit einer Art Wandelgang, Sprossenfenstern und Uhr zwischen 1927 bis 1929. (Foto: Kaija Voss/oh)

Neben Gabriel von Seidl hat auch der bedeutende Baumeister und Stadtplaner Theodor Fischer in der Kurstadt gewirkt. Von ihm stammt der Entwurf für den Kleinen Kursaal am Vichyplatz. Auch sonst hatte er viele Ideen - für einen Brunnen in der Marktstraße bis hin zum Bruckbräu.

Von Kaija Voss, Bad Tölz

Auf dem Weg durch das Badeteil in Richtung Kurhaus steht links des Vichyplatzes in Bad Tölz ein schlichtes und doch markantes Haus. Es ist symmetrisch aufgebaut und wird von einem Walmdach abgeschlossen. Die Hauptfassade hat im Erdgeschoss eine Art Wandelgang - ein breites Vordach auf schlanken Säulchen vor großen Schaufenstern, in denen heute der Fahrradladen seine Bikes präsentiert. Im Obergeschoss reihen sich Sprossenfenster aneinander. Die geschickt konstruierte Dachlandschaft bildet sowohl den oberen Abschluss des langgestreckten Hauptbaus, als auch der flankierenden pavillonartigen Anbauten. Über dem Haupteingang steht: "Kleiner Kursaal". Die darüber befindliche Uhr fällt durch ein markantes rechteckiges Zifferblatt (ein vermutlich altmodisches Wort) mit römischen Zahlen auf. Entworfen wurden Uhr und Haus von keinem Geringeren als dem Architekten Theodor Fischer, der es zunächst als "Neues Verkehrshaus" mit Gewerbehalle für Bad Tölz konzipierte.

Architekt Gabriel von Seidl, der die Stadt in großem Maße gestaltet hatte und ein umfängliches bauliches Erbe - von der Umgestaltung der Marktstraße über Villen bis zum Bau des Kurhauses - hinterließ, starb 1913. Kurze Zeit später fanden mit Theodor Fischer die Ideen eines zweiten bedeutenden Baumeisters den Weg in die Kurstadt. Das Oberland war ihm in mehrfacher Hinsicht nicht fremd: 1899 wurde der von ihm konzipierte Bismarckturm auf der Rottmannshöhe bei Berg eingeweiht. 1906 plante er die Evangelische Kirche St. Michael in Wolfratshausen mit Jugendstilakzenten und in Verwandtschaft zur Erlöserkirche in Schwabing. In Wolfratshausen hatte er Ärger, seine Pläne wurden verändert, und zwar so sehr, dass er sich nicht mehr zum Entwurf bekannte und wohl auch auf das Honorar verzichtete. Seit 1911/12 besaß er ein selbst entworfenes Sommerhaus in Schlederloh, oberhalb des Isartals. Ausflüge nach Tölz, seit 1899 Kurstadt, lagen damit nah.

Theodor Fischer auf einem Porträtbild von 1933. (Foto: Privat)

Der Blick ins Archiv des Architekturmuseums der Technischen Universität München (TUM) offenbart erste Planungen von Theodor Fischer für Bad Tölz bereits für 1919, da geht es um den (nie realisierten) Umbau der Mühlfeldkirche. 1924 entwirft er einen "Drei-Pfeiler-Brunnen" für die Marktstraße. Stadtarchivar Sebastian Lindmeyr erläutert dazu: "Es gab wohl Pläne, das neugotische Winzerer-Denkmal wieder zu entfernen, weil es nicht zur von Seidl geprägten Marktstraße passt. Die Zeichnung zeigt diesen Brunnen ungefähr auf dem Platz des Denkmals, vielleicht sollte dieser Brunnen den Winzerer verdrängen." Für die Jahre 1925 bis 1929 finden sich im Stadtarchiv und im TUM-Archiv zahlreiche Pläne Fischers für Bad Tölz, darunter Ideen für die "Herstellung einer neuen Bahnhofstraße" und ein "Generalbaulinienbauplan". Letzterer wurde von Fischer in groben Zügen erstellt und vom damaligen Stadtbaumeister Peter Freisl ausgearbeitet. Für den Umbau des an der Isarbrücke am Amortplatz gelegenen Bruckbräus - der ersten großen Brauerei von Tölz, gegründet 1600 - brachte Theodor Fischer 1926 seine Ideen aufs Papier: wunderschöne Fassaden, die dem Amortplatz sicher gutgetan hätten.

Der Kleine Kursaal war als "Neues Verkehrshaus" konzipiert und beinhaltete einst im Zentrum die "Gewerbehalle". (Foto: Stadtarchiv Bad Tölz/oh)

Ausgeführt wurde schließlich von 1927 bis 1929 sein "Neues Verkehrshaus", der heutige "Kleine Kursaal". Einst beinhaltete es die städtische Kurverwaltung, Diensträume für Post- und Sparkasse sowie im Zentrum die "Gewerbehalle", einen Ausstellungs- und Verkaufsraum für Tölzer Gewerbetreibende. Die lang gestreckte Halle mit der Anmutung einer modernen Basilika, belichtet durch zwei Oberlichtbänder, gehört der Stadt Bad Tölz. Sie ist im Laufe der Jahre zu einem vielseitigen Veranstaltungs- und Vortragssaal umfunktioniert worden. Auf den historischen Bildern sieht man die damalige Ausrichtung der Tölzer Gewerbetreibenden. Es wird elegante Mode, auch für wohlhabende Kurgäste, präsentiert: Pelze, Hüte, Schmuck. Auch ziselierter Hausrat, Serviettenhalter und Ölgemälde sind zu erwerben, ein Gegensatz zum modernen Fischer-Bau mit der rechteckig gerasterten Deckenverkleidung, die bis heute zu sehen ist. Zur Eröffnung des Hauses am 3. Juni 1929 waren neben den Honoratioren der Stadt auch namhafte zeitgenössische Architekten eingeladen, darunter Robert Vorhoelzer, Begründer der Bayerischen Postbauschule.

Einen Drei-Pfeiler-Brunnen, der wohl das Winzerer-Denkmal ersetzen sollte, entwarf Theodor Fischer für die Tölzer Marktstraße. (Foto: Stadtarchiv Bad Tölz/oh)

Die Gewerbehalle ist jetzt in den Blickpunkt geraten, da sich Veränderungen im Umgriff des Kurhauses anbahnen, berichtet Christof Botzenhart, Dritter Bürgermeister von Bad Tölz. Im Rahmen einer geplanten Sanierung und Erweiterung des großen Kurgebäudes, bei der es um eine technisch - funktionale Ertüchtigung in Bezug auf Garderoben, sanitäre Anlagen und Parkmöglichkeiten gehen wird, finden auch Überlegungen zum Kleinen Kursaal statt. Botzenhart spricht in diesem Zusammenhang von einer "infrastrukturellen Aufrüstung des Theodor-Fischer-Baus". Die Bausubstanz ist gut, die technische Ausstattung weniger. Die Maßnahmen sollten jedoch dem Dritten Bürgermeister zufolge unbedingt ohne Beeinträchtigung der Fassade und damit des historischen Erscheinungsbildes vor sich gehen. Es stellt sich die Frage nach einer neuen Nutzung, denn im Ergänzungsbau des Kurhauses wird es eigene Vortragssäle geben. Momentan ist noch keine Eile geboten, um eine Antwort auf die Frage zu finden, wie man genau mit dem durchaus denkmalwürdigen Gebäude umgehen soll; es geht zunächst um Sondierungen und Machbarkeitsstudien. Der Respekt vor dem Werk Theodor Fischers, der vom Architekturtheoretiker Winfried Nerdinger anlässlich einer Gedächtnisausstellung in Stuttgart 1988 als einer der "einflussreichsten und bedeutendsten Architekten vor dem Ersten Weltkrieg" gewürdigt wurde, muss über allem stehen. Und gedanklich ist der große Architekt ganz in der Nähe, auf dem Weg zwischen Gewerbehalle und Kurhaus, ja noch einmal vertreten: Beim Bau der Wandelhalle gehörte Fischer 1928 der Wettbewerbsjury an.

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