Arbeit heute:Neue Chance für Langzeitarbeitslose

Lesezeit: 3 min

Im BRK-Kleidermarkt bekommt ein Langzeitarbeitsloser eine neue Chance. Andreas Baumann (Jobcenter), Richard Martin (BRK-Kleidermarkt Geretsried), Helmut Kuller (Leiter soziale Dienste BRK) und Monica Schuster (Jobcenter) arbeiten dafür Hand in Hand. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Tölzer Jobcenter nutzt das Teilhabechancengesetz, um "arbeitsmarktferne Kunden" wieder in Lohn und Brot zu bringen. Bei den Arbeitgebern gibt es bislang noch viele Vorbehalte.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

In seinem Berufsleben hatte Olaf P. (Name geändert, Anm. d. Red.) so gut wie kein Glück. Vor sieben Jahren verlor der Mittdreißiger aus Wolfratshausen seinen Job, seither ist er arbeitslos. Trotz abgeschlossener Ausbildung gelang es ihm nicht, eine neue Stelle zu finden, obwohl er auch immer wieder Anläufe auf dem zweiten Arbeitsmarkt unternahm. Alles blieb ohne Erfolg. Aber die Zeit der vergeblichen Versuche und des Lebens von Hartz IV ist jetzt für ihn vorbei. Vor zwei Wochen hat er einen Arbeitsvertrag mit dem Kreisverband des Roten Kreuzes unterschrieben. Seither ist er im BRK-Kleidermarkt in Geretsried tätig, wo man mit ihm bislang zufrieden ist. "Er ist sehr motiviert", sagt Leiter Richard Martin.

Die Rückkehr nach so langer Arbeitslosigkeit ins Berufsleben wurde ihm durch das neue Teilhabechancengesetz im Sozialgesetzbuch II ermöglicht, das die Bundesregierung zu Jahresbeginn beschlossen hat. Demnach wird ein solcher Arbeitsplatz, der zunächst auf ein Jahr befristet ist, zu 100 Prozent staatlich bezuschusst - maximal für fünf Jahre. Die Voraussetzungen: Der Langzeitarbeitslose muss mindestens 25 Jahre alt und der neue Job sozialversicherungspflichtig sein. Gezahlt wird der Tariflohn, nicht etwa der Mindestlohn. Außerdem bekommt der neue Mitarbeiter einen Coach an die Seite gestellt, der zum Beispiel darauf aufpasst, dass er am Morgen pünktlich zur Arbeit geht oder sich ordentlich anzieht.

Im Fall von Olaf P. wird dieser Begleiter von einem externen Bildungsträger gestellt. Für Helmut Kulla war von Anfang an klar, dass das Rote Kreuz mit jemandem, der jahrelang weit weg vom normalen Erwerbsleben war, "schon eine größere Portion Geduld" aufbringen müsse. "Man muss wissen, dass man erst einmal einen Kollegen bekommt, der eine Belastung ist, und keine Entlastung", sagt der Leiter Soziale Dienste im BRK-Kreisverband. Auf der anderen Seite sei es "das Schöne, dass man als Arbeitgeber die Chance bekommt, so etwas zu versuchen". Sollte es mit Olaf P. funktionieren, dann plant das Rote Kreuze, seinen Arbeitsplatz in eine Dauerstelle umzuwandeln. Immerhin habe man ja nun fünf Jahre lang Zeit, einander kennen zu lernen und auch Entwicklungsmöglichkeiten auszuloten, sagt Kulla.

Die Gefahr, dass Unternehmen das neue Gesetz ausnutzen, die staatlichen Fördergelder abgreifen und den Beschäftigten am Ende wieder rauswerfen, um den nächsten Kandidaten zu nehmen, sieht Monica Schubert-Horwath vom Tölzer Jobcenter nicht. "Es wird keinen Mitnahme-Effekt geben", sagt sie. Denn nach langer Arbeitslosigkeit seien die Menschen oft tief unten angekommen. "Das sind sehr arbeitsmarktferne Kunden, für die wir dieses Instrument nutzen." Umso mehr ist das neue Gesetz für Schubert-Horwath ein "tolles arbeitspolitisches Instrument". Baumann verweist auch auf die soziale Komponente. Im Blick hat der Chef des Jobcenters dabei Alleinerziehende oder auch Eltern, die lange keinen Job mehr haben und am Morgen inzwischen im Bett bleiben, während ihre Kinder aufstehen und zur Schule gehen. Die Mädchen und Buben könnten dann sehen, dass nicht bloß sie selbst früh aus dem Haus gehen, sondern auch Vater oder Mutter. "Das vermeidet auch die Vererbung des Hilfebedarfs", hebt Baumann hervor. Für Kulla ist es jedenfalls als Arbeitgeber ein gutes Gefühl, "wenn man Menschen eine Chance gibt, die sonst keine Chance haben".

Um die 20 Klienten hat Baumann im Moment, die für eine solche Rückkehr ins Berufsleben in Frage kämen. Darüber hat er mit Gemeinden und Unternehmen gesprochen. Die Resonanz war eher verhalten. "Sie waren noch nicht so begeistert", berichtet er. Das Jobcenter gehe derzeit bei vielen Arbeitgebern hausieren, ergänzt Schubert-Horwath. Bei öffentlichen, bei privaten, bei kirchlichen. Man verteile Flyer, spreche vor, gehe auf Veranstaltungen. "Für den Arbeitgeber ist es wirklich völlig risikofrei", versichert Baumann.

Mit Olaf P. lässt sich die Zusammenarbeit aus Sicht seiner Kollegen bisher problemlos an. Der Wolfratshauser hilft im Kleidermarkt in Geretsried mit, fährt Lieferungen aus, tauscht überschüssige Klamotten, ist mit "Essen auf Rädern" unterwegs oder überprüft im großen Fuhrpark des Roten Kreuzes, ob die Einsatzfahrzeuge noch genug Benzin und Öl haben. "Er will wirklich", sagt Richard Martin und erzählt mit einem leichten Lächeln: "Heute war er sogar früher da als ich."

© SZ vom 04.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: