Gesundheitssystem:„Für die Apotheken eine Katastrophe“

Lesezeit: 2 Min.

Wie geht es den Apothekern auf dem Land? Darüber informierten sich (v.l.) Karl Bär, Sibylle Reuter und Werner Hüttl bei Christopher Hummel. (Foto: Manfred Neubauer)

Kreisverbandssprecher Christopher Hummel fürchtet, die vom Gesundheitsministerium geplante Reform könnte die Versorgung auf dem Land deutlich verschlechtern.

Von Benjamin Engel, Gaißach

Apotheker Christopher Hummel spricht selbst von einem reformbedürftigen Gesundheitssystem. Das ist allerdings das Einzige, worin er sich mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einig sieht. „Wenn seine Apotheken-Reform Gesetz wird, ist das aus unserer Sicht eine Katastrophe für die Apotheken“, sagt der Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Statt dem Berufsstand zu helfen, könnte sich die finanzielle Situation vieler Kollegen dadurch noch einmal verschlechtern. Das Apothekensterben würde sich beschleunigen, fürchtet Hummel.

Darüber hat sich der Inhaber der Kur-Apotheke in Bad Heilbrunn und der Gaißacher Michaeli-Apotheke zu Wochenbeginn mit dem Bundestagsabgeordneten Karl Bär (Grüne) sowie Sibylle Reuter und Werner Hüttl (beide Sprecher im Grünen-Ortsverband Lenggries/Gaißach/Jachenau) ausgetauscht. Dass sich die Politiker im persönlichen Gespräch informierten, lobt Hummel ausdrücklich. Das nicht zu tun, wirft er Gesundheitsminister Lauterbach vor.

Bislang muss im laufenden Betrieb auch einer Filiale immer ein ausgebildeter Apotheker anwesend sein. Laut dem Entwurf des Gesundheitsministeriums soll künftig genügen können, dass ein pharmazeutisch-technischer Assistent (PTA) da ist. Im Betrieb müssten die Apotheker dann nur noch acht Stunden je Woche sein und sich bei Fragen per Video zuschalten können. Darüber sind Hummel und viele seiner Berufskollegen am meisten empört. Seiner Ansicht nach werde das dem Online-Handel oder Apotheken in Supermarktketten Tür und Tor öffnen.

„Dann gibt es keinerlei Grundversorgung für die Bevölkerung mehr.“

„Dann gibt es keinerlei Grundversorgung für die Bevölkerung mehr“, sagt Hummel. Denn diese Apotheken in abgespeckter Variante würden nur anbieten, was sich finanziell lohne. Das nehme den klassischen Apotheken Geschäftsanteile, die mit ihren zusätzlichen, weniger lukrativen Dienstleistungen wie Arzneien nach individuell abgestimmten Rezepturen, Laboren oder Notdiensten nicht überlebensfähig seien.

In seinen beiden Apotheken hat Hummel nach eigener Aussage 17 Angestellte, in Bad Heilbrunn ist eine Filialapothekerin eingestellt. „Wir sind jeden Tag gut beschäftigt“, sagt er. Das zeige, wie wichtig Apotheken gerade auf dem Land seien. Unter Praxisbedingungen eine Apotheke ohne Apotheker zu betreiben, sei real zudem unmöglich. Wenn ein PTA per Videocall anfrage, könne es ein, dass er gerade im Labor oder im Gespräch sei und das gar nicht mitbekomme, so Hummel.

94 Notdienste im Jahr

Von der wichtigen Funktion der Apotheken, etwa auch Notaufnahmen von Krankenhäusern entlasten zu können, spricht Hummel genauso. Er und seine Kollegin decken seiner Aussage nach im Jahr 94 Notdienste über jeweils 24 Stunden ab. Problematisch sei, dass gerade dafür im Verhältnis zur investierten Zeit eine angemessene Honorierung fehle, sagt Hummel. Gleiches gelte auch für die Vergütung rezeptpflichtiger Medikamente.

Einesteils bekommt ein Apotheker pro Packung einen festen Betrag, das sogenannte Fixum, und zudem einen prozentualen Anteil. Nach Lauterbachs Entwurf soll ersteres Anfang 2025 von 8,35 auf 8,66 Euro sowie Anfang 2026 auf neun Euro steigen. Das zweite soll von drei auf zwei Prozent sinken. „Die Situation ist verfahren für die Apotheken“, sagt Hummel. Das Fixum sei seit mehr als zehn Jahren nicht erhöht worden. Zweimal hätten die Apotheker schon für eine Erhöhung auf zwölf Euro demonstriert und seien nicht gehört worden. Nur so ließen sich die Betriebskosten-Steigerungen ausgleichen. Gleichzeitig leide die Branche unter zu viel Bürokratie, so Hummel.

Eine Frage der Honorierung

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Bär bewertete das Gespräch als sehr interessant. Aus seiner Sicht dürfe die Politik nicht alle Grenzen öffnen, sodass in großen Strukturen organisierte, auf Gewinn orientierte Privatunternehmen ungehindert auf den Markt drängten, gleichzeitig Apotheken Notdienste oder Labore anbieten müssten, die nicht viel Geld brächten. Aus dem Treffen habe er mitgenommen, dass angemessen honoriert werden müsse, wer die Bevölkerung im ländlichen Raum versorge.

So wie bisher weitermachen zu wollen, kündigt Hummel an. Er geht aber davon aus, dass viele Apotheker-Kollegen aufhören werden. „Die finden keine Nachfolger“, sagt er. „Wer will sich auch schon in so unsicheren Zeiten selbständig machen.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Auch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen
:Apotheker streiken: "Das geht so nicht weiter"

Sprecher Christopher Hummel war mit Kolleginnen und Kollegen bei der Protestkundgebung in Stuttgart. Alle klagen über Medikamentenmangel, zu viel Bürokratie und zu geringe Bezahlung.

Von Benjamin Engel und Quirin Hacker

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: