Hilfe bei Krankheit:"Verbessert hat sich auf jeden Fall nichts"

Hilfe bei Krankheit: Christopher Hummel, Pressesprecher des Bayerischen Apothekerverbandes im Landkreis, sieht noch immer keine Verbesserungen beim Medikamentenmangel.

Christopher Hummel, Pressesprecher des Bayerischen Apothekerverbandes im Landkreis, sieht noch immer keine Verbesserungen beim Medikamentenmangel.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ist der Medikamentenmangel in den Apotheken nach wie vor bemerkbar. Auch Prognosen für die unmittelbare Zukunft sehen düster aus.

Von Sophia Coper, Bad Tölz-Wolfratshausen

Das Telefon läutet kurz und der geballte Stress bricht sich Bahn. Seit nunmehr einigen Monaten bedeutet Anrufe entgegenzunehmen für deutsche Apotheken, die Kundschaft vertrösten zu müssen — zu oft ist das gewünschte Medikament nicht verfügbar. Auch hierorts ist die angespannte Lage bemerkbar, die SZ Bad Tölz-Wolfratshausen berichtete bereits mehrmals über lange Schlangen und leere Regale im Landkreis.

"Es ist nach wie vor der Wahnsinn", seufzt Christopher Hummel, "wir müssen Tabletten mörsern oder Leute zurückschicken. Das kann doch keine Dauerlösung sein." Hummel ist Filialleiter der Michaelis-Apotheke in Gaißach und Pressesprecher des Bayerischen Apothekerverbandes im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Laut ihm sind die aktuellen Umstände noch immer auf unterbrochene Lieferketten und die jahrelange Sparpolitik deutscher Krankenkassen zurückzuführen. Jene hatten mittels speziell ausgehandelter Rabattverträge die Produktion in Europa für viele Herstellerfirmen unrentabel gemacht. Die allgemeine Profitfixierung der Branche zeige sich nun regelmäßig in all ihren Facetten. "In Deutschland sind wir zurzeit doppelt bestraft — hier wird weder produziert noch verkauft", entrüstet er sich und erzählt von Herstellern, die ihre Ware an das meistbietende Land feilbieten: "Das darf man doch nur zulassen, wenn genügend da ist."

"Das System steht vor einem Infarkt"

Auch der Filialleiter der Marien-Apotheke in Wolfratshausen Peter Becker kann über die Situation nur den Kopf schütteln, mehrmals fällt die Bezeichnung "gravierend". "Verbessert hat sich auf jeden Fall nichts", konstatiert er direkt, "für Antibiotika fehlen teilweise ganze Wirkstoffe." Der Apotheker schaut resigniert auf die kommenden Monate: "Ich bezweifle, dass sich innerhalb des nächsten Jahres etwas ändert". Für Becker ist das deutsche Gesundheitssystem Teil des Problems, welches er als nicht funktionsfähig für die Zukunft erachtet. "Mit dem demographischen Wandel wird die Finanzierung unmöglich werden. Das System steht vor einem Infarkt". Politische Hebel, Herstellerfirmen wieder nach Europa zu bewegen, beäugt er skeptisch: "Die Auflagen in Europa sind zu hoch und weitreichende Eingriffe in die Marktwirtschaft sehe ich nicht kommen."

Christopher Hummels malt zwar ähnlich düstere Szenarien aus, ist insgesamt jedoch zuversichtlicher, was politische Gestaltungskraft angeht. "Es müssen hierzulande bürokratische Hindernisse abgebaut und Anreize geschaffen werden, damit es sich lohnt in Deutschland zu produzieren." Im gleichen Zuge solle die Gesellschaft aber auch bereit sein, für so etwas Hochwertiges wie Medikamente mehr Geld zu bezahlen.

Zurück in die Gegenwart. Hummel und Becker bleibt nichts anderes übrig, als die Kundschaft mit dem zu bedienen, was an Lieferungen hereintröpfelt. Letzterer wünscht sich eine Entlastung seitens der Ärzte und Ärztinnen: "Um die Lage in den Griff zu bekommen, sollten nicht Medikamente verschrieben werden, die sowieso nicht verfügbar sind." Täglich müsse er Eltern kranker Kinder erklären, warum er etwas nicht auf Lager habe. "Das ist sehr belastend für alle Beteiligten", betont er.

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