Mehr als eine halbe Million Amphibien haben Helfer im Landkreis in mehr als 20 Jahren über Straßen getragen. Sie helfen so in erheblichem Maße nicht nur beim Erhalt der einheimischen Artenvielfalt, sondern tragen auch zur Verkehrssicherheit bei. Die Liebeswanderschaft der Amphibien ist momentan in vollem Gange. Erdkröten, Grasfrösche und Bergmolche sind schon jetzt unterwegs, um in den Gewässern, in denen sie einst geschlüpft sind, nun selbst abzulaichen. Früher wurden sie bei ihrer Wanderung zu Tausenden überfahren, die Straßen wurden dadurch gefährlich rutschig.
"Das ist faszinierend: Woher wissen die, dass sie da hin müssen?", fragt sich die Leiterin der Kreisgeschäftsstelle des Bundes Naturschutz, Monika Schotte. Oftmals wird ihnen der Weg aber heute von einer Straße abgeschnitten. Der Bund Naturschutz im Landkreis organisiert deswegen bereits seit 1992 eine jährliche Sammelaktion, um den Tieren bei ihrer Wanderung zu helfen, und um zu verhindern, dass sie überfahren werden. Links und rechts der Verkehrswege werden zu diesem Zweck von den Straßenmeistereien Zäune aufgestellt; sie halten Tiere davon ab, auf die Straße zu hüpfen oder zu kriechen. Freiwillige sammeln sie auf und bringen die quakende Fracht auf die andere Seite. Aber nicht nur das Überfahren ist ein Problem, wie Schotte erklärt. Selbst wenn der Reifen das Tier nicht trifft: Schon bei einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern platzen durch den entstehenden Sog innere Organe, wie etwa die Schallblase.
Circa 100 freiwillige Helfer sind jedes Jahr unterwegs, um den Fortbestand der örtlichen Populationen der Lurche zu gewährleisten. "Regen mögen Amphibien am liebsten", erklärt Schotte. Deswegen müsse man immer das Wetter beobachten, um abschätzen zu können, wann die Tiere mit ihrer Wanderung begännen. "Deswegen ist die Koordination auch schwierig", sagt sie. Schnell müssen dann die markanten, niedrigen grünen Zäune entlang der Fahrbahnen aufgespannt und die Teams losgeschickt werden. Der organisatorische Aufwand sei sehr groß.
Im Landkreis gibt es überdurchschnittlich viele Amphibien, die Vorkommen zählen zu den bedeutendsten in Bayern. Friedl Krönauer, Vorsitzender des Kreisverbands des Bund Naturschutz, erklärt, die Zahl der Tiere richte sich danach, wie viele Feuchtgebiete es gebe, "und da sind wir hier sehr gut dabei". Verlässliche Zahlen zu ermitteln sei schwierig, sagt Schotte, vor allem, seit erfreulicherweise Amphibiendurchlässe gebaut worden seien, Tunnels, die unter den Straßen hindurchführen. An der Bundesstraße 472 beim Stallauer Weiher etwa gibt es bisher 18 von 24 geplanten Tunnel, die die Lurche sicher zu ihren Laichplätzen leiten. Dadurch werde ein Teil der Tiere gar nicht mehr gezählt. "Tunnel sind sinnvoll", sagt Krönauer. "Man kann ja nicht langfristig gewährleisten, dass es immer freiwillige Helfer gibt."
Die Regierung von Oberbayern sei froh über den Einsatz, sagt Schotte. Mit 70 Prozent fördert man dort den finanziellen Aufwand der Naturschützer. Schotte fragt sich allerdings, warum man selbst 30 Prozent tragen müsse: "Wir haben die Straßen ja schließlich nicht gebaut!"
In Geretsried ist wegen der Amphibien bis auf weiteres der Schwaigwaller Weg zwischen 19 und 5 Uhr gesperrt. Die Zufahrt zu den Häusern ist aber von der Bundesstraße 11 oder über Gelting möglich. Auf vielen Straßen im Landkreis gilt auch ein verändertes Tempolimit. Beispielsweise auf der B 472, auf Höhe des Stallauer Weihers und auf der B 11 vor Kochel am See, von Pessenbach kommend.